Teil IX: Der Blumenorden im Glück



Die Jahre vom Jubiläum 1894 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges stellen, rein äußerlich betrachtet, einen der zwei oder höchstens drei Gipfel in der Geschichte des Pegnesischen Blumenordens dar. Und in geistiger Hinsicht bewegte man sich inmitten des Zuges der Zeit. Der Orden hatte Anteil an dem hohen Ansehen, in dem seine Ehrenmitglieder aus den Reihen der Erfolgsschriftsteller damaliger Zeit standen. Der furchterregende Schuldenberg aus den Jubiläumsveranstaltungen war binnen kürzester Zeit abgetragen. Die Ordensbibliothek wuchs stark an; die Zahl der regelmäßig bezogenen Zeitschriften, aus denen sich die Mitglieder über Neuestes aus der Literatur informierten, war erstaunlich hoch. Die Zahl dieser Mitglieder erreichte einen seither nie wieder gezählten Höchststand. Unter ihnen beanspruchten und erhielten die Damen zunehmende Möglichkeiten der Mitwirkung. Allerdings zeigten sich erste Risse im Zusammenhalt, die sogar zu Austritten führten. Das Finanzgebaren wurde zeitweise geradezu leichtsinnig. Die opulent ausgestatteten, jährlich neu verfaßten Irrhainspiele verschlangen große Summen, der Unterhalt des Irrhains ebenfalls, zumal er in einem Maße mit kleineren und größeren Baumaßnahmen verschönert und dem Komfortbedürfnis angepaßt wurde, wie es seit zweihundert Jahren nicht mehr geschehen war. Dies und einige andere Vorfälle hatten Kompetenzgerangel zur Folge. Aus den Projekten einer besseren Zusammenarbeit mit neueren Literaturvereinen der Stadt wurde nicht viel, ebenso demjenigen einer neuen Sammelveröffentlichung. Und gegen Ende der Epoche, das zunächst noch gar nicht als solches begriffen wurde, zeichnete sich bereits ein gewisser Niedergang ab.


 


Wer schmückt sich mit wem?


Die Frage, ob es für den Blumenorden ehrenhafter sei, berühmte Schriftsteller in seinen Reihen zu haben, oder ob die Mitgliedschaft für diese Schriftsteller ehrenhafter sei, ist im Einzelfall nur eindeutig zu entscheiden, wenn man Aussagen von dritter Seite hat, wie die Mitgliedschaft beurteilt wurde. Da der Blumenorden sogar zu seinen besten Zeiten im deutschen Sprachgebiet nicht so bekannt war wie die jeweiligen Sterne am Dichterhimmel, wird man wohl im Regelfall das erstere annehmen müssen. Im Falle Peter Roseggers jedoch scheint es auf ein annähernd gleichgewichtiges Geben und Nehmen hinausgelaufen zu sein, bei dem der Blumenorden auf Dauer sogar Einbußen hatte.


Im Laufe der Jubiläumsfeierlichkeiten um seinen Beitritt angefragt, sendet er erst einmal ein konventionelles Dankschreiben:


Heimgarten Krieglach, Reimannstr.     22. 9. 1894

Hochgeehrter Herr!

Die grosse Ehre, die Sie mir zugedacht, weiß ich zu schätzen und nehme dieselbe mit herzlichem Dank an.

Ihr ergebenster

Peter Rosegger.


Einige Wochen später äußert er sich schon mit heller Begeisterung:


Heimgarten, Graz 4. 12. 1894

Hochgeehrte Herren und Vereinsgenossen!

Mit Ehren und Würden schmücken Sie mich! Von Herzen Dank für die Festmedaille, für die Schriften, für das Diplom! Na, jetzt will ich aber auch recht fleißig dichten, daß ich der Auszeichnungen nicht ganz unwert sei. Gebe es der Himmel daß ich mein Lebtag noch einmal ins einzige Nürnberg kömme, in die Stadt, von der ich immer sage, in ihr möchte ich einmal trautsame Weihnacht feiern. In Nürnberg habe ich nie Heimweh gehabt.

Unser Blumenorden in der herrlichen deutschen Stadt — er blühe!

Ihr dankbarer

Peter Rosegger.



„Kleine Rosegger’sche Geschichtchen“ waren ein Programmpunkt beim erfolgreichen Familienabend vom 29. März 1897, und so gedachte Präses Wilhelm Beckh noch 1911 Nutzen zu ziehen aus dieser Popularität, als es darum ging, die öffentlichen Vortragsabende des Blumenordens aus der finanziellen Verlustzone zu holen. Max Schneider hingegen, als Freizeitschriftsteller bereits der Vertreter einer neueren Literaturauffassung, „möchte sich nur gegen das Thema ,Rosegger’ gewandt haben, das in Nürnberg bereits allzuviel besprochen sei. Er schlägt eine Erweiterung des Vortrags-Programmes vor, z.B. ,Oesterreich in der deutschen Literatur’. Beckh bezweifelt die Zugkraft eines derartigen Themas […]“.  In der 29. Wochenversammlung vom 6. Oktober 1911 wird die Debatte grundsätzlich und leitet über zu einer Auslegung der Satzung — womit das Leitthema dieses Kapitels angesprochen ist: „[…] Steller stellt die Kompetenz der Freitagsmitglieder-Versammlung gegenüber dem Etat, über den durch Bewilligung der Kosten des Rosegger-Vortrags (ca. 250 M) hinausgegangen worden sei, ernstlich in Frage.


Brügel, der den Neuentwurf der Statuten inzwischen fertiggestellt, nur noch nicht mitgebracht hat, stellt fest, daß diese Ausgabe von Rechts wegen erst ihre Genehmigung von seiten des Ausschusses zu finden hat. […]“ Neufassungen der Satzung werden also auch motiviert durch Verhakungen der Arbeit des Ordens für die Pflege der Dichtung.


Die Sache zieht sich ins Jahr 1912. „[…] Beckh gibt einen Brief des Schriftstellers Dr. Plattensteiner bekannt, in welchem dieser seinen Vortrag für den 4. März zusagt. Das Thema seines Vortrags lautet nunmehr ,Peter Rosegger u. die neuere österreichische Volksdichtung’. In dem Vortrag wird auch Karl Schönherr u. seine Werke besprochen werden; auch ,Eigenes’ wird Dr. Plattensteiner einflechten.“ Die aus Literaturzeitschriften informierten Mitglieder hatten sich wohl vorgestellt, daß der Referent auch über Dichter wie Hermann Bahr, Arthur Schnitzler, Hofmannsthal u.dgl. etwas bringen werde.


Das tat er bloß nicht. Er lieferte halt „an Schmäh.“ In der 8. Wochenversammlung vom 8. März 1912 wurde protokolliert:


[…] An die Kritiken der hiesigen Zeitungen über den am 4. März stattgefundenen Vortrag Dr. Plattensteiners anknüpfend erklärte Heerwagen, von Zeiser unterstützt, daß ihm und einem Teil weiterer Besucher der Vortrag nicht recht entsprochen habe. Unter Hervorhebung, daß der Vortragende nur einen Teil seines Themas behandelt, hätte Heerwagen eine klar umrissene Würdigung des Werdeganges Roseggers gewünscht, unter summarischem Eingehen, nicht bloßem Nominieren der Werke des Dichters, soweit dieselben eine wesentliche Etappe in seinem geistigen und poetischen Entwicklungsgang bedeuteten.


Ferner fand Heerwagen den ersten Teil der Rezitationen etwas zu rührselig und zuviel auf die Tränendrüsen der Damen berechnet […]


Beckh ist der Ansicht, daß, trotzdem der erste Teil des Vortrages manches zu wünschen übrig ließ, der Gesamtvortrag jedenfalls, zufolge der regen Beteiligung und dem allgemeinen Beifall, den er wiederholt ausgelöst, dem Orden als Treffer gebucht werden dürfe, welche Ansicht auch die übrigen Anwesenden teilten. […]


Und damit war das Thema „Rosegger“ im Blumenorden nicht ganz befriedigend, aber wenigstens friedlich zu Ende gegangen.


Auch die Mitgliedschaft des erfolgreichen Romanautors Friedrich Spielhagen war eine Errungenschaft des Ordensjubiläums. In seinem Dankschreiben vom 21. 9. 1894 bringt er eine bemerkenswerte Perspektive zum Ausdruck, aus der seine Ernennung eine Art überregionale Versöhnung des unter Preußens Führung vereinigten Kleindeutschlands erweise: „Es bedarf wohl keiner besonderen Versicherung, daß mich die Ehre, zum Ehrenmitglied des altehrwürdigen Pegnesischen Blumenordens erkoren zu sein, mit hoher Freude erfüllt und ich das werte Geschenk mit aufrichtiger Dankbarkeit annehme. Mit um so aufrichtigerer und größerer, als ich in jeder Anerkennung, die mir aus Süddeutschland wird, den Beweis zu sehen wage, daß ich, der Sohn Norddeutschlands, als Schriftsteller nicht vergebens danach gestrebt habe, das Denken und Empfinden Alldeutschlands zum Ausdruck zu bringen.“ Einmal noch wird sein Name im Protokoll einer Wochenversammlung erwähnt, als es darum geht, Beiträge für eine Fortsetzung der Aufsatzsammlung „Altes und Neues aus dem Pegnesischen Blumenorden“ zu erbitten, dann nicht mehr.


Theodor Fontane hält von Anfang an eine gewisse abgeklärte Distanz. An Briefen von ihm nach seinem Dankbrief für die Aufnahme enthält das Ordensarchiv nur noch zwei, wobei der zweite über sein Verhältnis zum Orden eigentlich dasselbe aussagt wie der erste:


Berlin 9. Novb. 94.

Potsd. Str. 134. c.

Hochgeehrter Herr.

Erst sehr verspätet komme ich dazu, für die verschiedenen Bilder, Drucksachen und Berichte, die Ihre Güte an mich gelangen ließ, Ihnen aufs herzlichste zu danken. Ich habe alles mit großem Interesse gelesen.

Daß ein solches Fest überhaupt gefeiert werden konnte, gehört zu den Dingen, die, wie Bayreuth, Oberammergau, Weimar, unserem deutschen Leben einen besonderen Reiz leihen und uns beinah mehr als unsere Schlachten-Siege (die schließlich andere auch haben) beneidet werden. Eigenart ist das Einzige, was an Völkern interessirt und diese selbstständige Physiognomie lebt vor allem in Dingen und Erinnerungen, wie sie sich gerade im schönen Nürnberg so wirklich finden, darunter auch in seinem Pegnesischen Blumenorden.

In vorzüglicher Ergebenheit

Th. Fontane.


Die insgesamt drei Dankschreiben Wilhelm Raabes für die Aufnahme in den Orden 1894 wurden 1905 zu einem Archivbündel in blauem Umschlag zusammengefaßt. Später ging die Verehrung Raabes, durch den späteren Schriftführer Wilhelm Schmidt in Vorträgen erwiesen, in eine Verbindung des Blumenordens mit der Nürnberger „Gesellschaft der Freunde Wilhelm Raabes e.V.“ über. Die Anknüpfung einer Verbindung ist etwa darin zu sehen, daß in der ordentlichen Hauptversammlung vom 20. März 1925 unter 27 Anwesenden „der Vorsitzende der Raabe-Gesellschaft Wieser“ genannt wird, und daß  Wilhelm Schmidt seinen Doppelvortrag vom 2. November 1928 „Über Raabes «des Reiches Krone». Über Martin Greif“ im Jahre 1937 noch einmal im Blumenorden, aber im selben Jahr die auf Raabe bezüglichen Teile unter anderem Titel auch in der Raabe-Gesellschaft hielt. Im Bericht der Schriftführerin über das Jahr 1941 im Blumenorden wird angegeben, daß „der Orden Mitglied des Sprachvereins, der Goethegesellschaft und der Gesellschaft der Freunde Wilhelm Raabes ist. […]“ Nun hatte sich aber diese Raabe-Gesellschaft 1934 eine Satzung gegeben, in deren § 4 über die Mitgliedschaft festgelegt wird: „Mitglied der Gesellschaft darf nicht sein, wer nicht-arischer Abstammung im Sinne des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (RGBl. I S. 175) und seiner Durchführungsbestimmungen ist oder mit einer Frau nichtarischer Abstammung verheiratet ist. […]“ Dieser Hinweis greift freilich der Behandlung einer späteren Epoche des Blumenordens vor, und es ist nicht sicher, ob die Ehrenmitgliedschaft Raabes notwendigerweise auf so etwas zugeführt habe. Festzuhalten ist jedenfalls hier schon, daß es mit der Ehre keine glückliche Wendung nahm.


Ein weiterer prominenter Schriftsteller, den der Blumenorden als Ehrenmitglied führte, war Gustav Freytag. Von ihm ist jedoch nur in einem Halbsatz des Protokolls eines Familienabends vom 27. Januar 1896 die Rede: „Der Vortrag über Gustav Freytag, in welchem Wlm [Wilhelm] Tafel in gedrängten aber erschöpfenden Zügen die literarische Thätigkeit unseres Ehrenmitgliedes vorführte […]“. Einige Tage darauf wurde er in der Hauptversammlung als verstorben erwähnt.


Erst zwei Jahre nach dem Jubiläum glückte die Aufnahme Conrad Ferdinand Meyers:


8. W. Versammlung Freitag den 21. Febr. 1896

[…] Ferner, daß Graf sich durch einen Freund an Conr. Ferd. Meyer in Zürich sich [sic] gewandt bezüglich der schon beim Jubiläum in Aussicht genommenen Ernennung dieses Dichters zum Ehrenmitglied; Meyer nahm diese Ernennung mit Dank an. […]


Er hat diese Ernennung nicht sehr lange überlebt, denn er starb am 28. November 1898. Seltsamerweise bat nicht er, sondern seine Gattin in einem Brief, der schon am 8. Juli 1898 in der 26. Wochenversammlung des Jahres verlesen wurde, „das von ihrem Mann s. Zt. für ,Altes u. Neues’ gesandte Gedicht nochmals anderweitig verwenden zu dürfen. Die Zustimmung wird gerne gegeben und Geck beauftragt, das mitzutheilen. […]“


Man hörte ja keineswegs schon nach dem Jubiläumsjahr auf, nach neuen geeigneten Mitgliedern unter den bekannten Schriftstellern zu suchen, und ein Weg dazu war, die Wirkung ihrer Schriften zunächst in öffentlichen Versammlungen zu erproben. Ein Beispiel dafür ist etwa diese:


„Die Öffentliche Versammlung am 27. Novbr. 1896 im goldenen Adler war äußerst zahlreich, besonders von Damen, besucht.  […] sprach Dr. Wlm Beckh in längerer Ausführung über ,alte und neue Dichter’ — Platen, Foerster, Dehmel, O. J. Bierbaum und  Detlef von Lilienkron [sic] — diese in scharfen Umrissen skizzierend und gleichzeitig Proben ihrer Dichtungen zu vermitteln. […] fand lebhaften Beifall.

Lud. Fambach brachte hierauf einige Scenen aus Ernst v. Wildenbruchs preisgekröntem Drama ,Heinrich & Heinrichs Geschlecht’ zum Vortrag und brachte sein glänzender Vortrag die Hörer zum lebh [gestrichen] begeisterten Beifall. […]“


17. W.V. Freitag den 7. Mai 1897

[…] Ein Aufruf zur Unterstützung von Detlef von Lilienkron kann von Seite des Ordens keine Berücksichtigung finden; es soll dem Einzelnen überlassen sein, einzugreifen. […]


Trotz seiner notorischen Geldknappheit (nicht wegen ihrer, so weit ging die Liebe nicht) wurde Detlev von Liliencron 1901 in den Orden aufgenommen, gleichzeitig mit Hermann Sudermann und Gerhart Hauptmann. Was Liliencron betrifft, so schätzte man ihn noch 1919. In einem Zeitungsausschnitt ungenannter Herkunft findet sich ein kurzer Absatz unter der Überschrift „Kunst, Wissenschaft, Literatur“, Nürnberg, 7. Juni [dieses Jahres], und dort steht: „Herr Georg Gustav Wießner gab in feinsinnigen Ausführungen ein lebendiges Bild des Wirkens und Schaffens [Liliencrons] und brachte einige seiner Dichtungen in glänzend deklamatorischer Weise zum Vortrag.“ Dieser Vorgang steht allerdings schon im Zusammenhang mit einem versuchten Generationswechsel im Blumenorden, der noch zur Sprache kommen wird.

Altona (Elbe), Palmaille 5.

Den 22. Januar 1901.

Hochverehrte Herren,

natürlich wird es eine große Ehre für mich sein, in den Pegnesischen Blumenorden aufgenommen zu werden. Darf ich gelegentlich um die Statuten bitten? Mit vorzüglicher Hochachtung

Detlev Frhr von Liliencron


Bei Sudermann haben wir den Fall, daß die Ernennung zum Ehrenmitglied offenbar nicht ernst genommen wurde und sich für den Orden abträglich auswirkte, obwohl beide Seiten versuchten, möglichst höflich miteinander umzugehen und den Schaden zu reparieren. Im Archiv hat sich das undatierte Konzept eines Briefes erhalten, der offenbar von Vizepräses August Schmidt stammt, dem Postamtsdirektor, denn es ist auf die Rückseite eines maschinenschriftlich abgefaßten Rundschreibens des Königlichen Oberpostamts für Mittelfranken geschrieben:


„[…] Sehr geehrter Herr!

[…] Die Mitglieder des Ordens waren nicht darauf gefaßt, daß Sie Sich je veranlaßt fühlen würden, des Ordens in einem Ihrer Werke Erwähnung zu tun; umsomehr aber waren wir überrascht, da Sie in Ihrem ,Sturmgesellen Sokrates’ den Boretius sagen lassen. ,Sie sind wohl so beim Pegnitzischen (sollte wohl heißen: Pegnesischen) Blumenorden eingesprungen, mein edler Merkuse [?] ?’

Wenn unserer nun seit bereits 259 Jahren, freilich nicht mehr in den früheren überlebten Formen bestehenden literarischen Gesellschaft in einem Ihrer Werke, das, wie wir lesen, schon von 90 Bühnen zur Aufführung angenommen ist, gedacht wird, ist dies wohl willkommen zu heißen, aber bedenkliche Gemüter haben die Frage aufgestellt: ,Bedeutet die von Boretius gestellte Frage einige Anerkennung oder hat sie einen — sagen wir: satyrischen Beigeschmack […] ?’ […]“



den 16 Nov. 09.

Sehr geehrte Herren!

Auf Ihre gef. Anfrage theile ich Ihnen ergebenst mit, daß die in meinem „Sturmgesellen Sokrates“ enthaltene Bezugnahme auf den Pegnitzischen oder — wie Sie wünschen — „Pegnesischen“ Blumenorden keinerlei satirische Spitze gegen den z.Z. bestehenden Verein gleichen Namens in sich birgt, dem als Ehrenmitglied anzugehören ich die Ehre habe.

Mit vorzüglicher Hochachtung

ergebenst                Hermann Sudermann.


„Wie Sie wünschen“ (d.h. „ich habe ja gar nicht Pegnesisch sagen wollen, kann Sie damit nicht gemeint haben“) und „gegen den zur Zeit bestehenden Verein gleichen Namens“ („zur Zeit“ — das tut dem Pegnesen weh, der an die Unsterblichkeit seines Ordens glaubt!) sind als Entschuldigung ziemlich mau, um nicht zu sagen fischig. Sudermanns Ansehen hat es jedoch nicht geschadet.


Gerhart Hauptmann macht es kurz. Er ist auf der Höhe seiner Kräfte und seines Ruhms und möchte kein Spielverderber sein.

Grunewald, d. 21. Januar 1901.

Sehr geehrte Herren.

Ihrer gütigen Anfrage erwidere ich, dass ich die mir zugedachte, grosse Ehre als solche wohl zu würdigen weiss.

Hochachtungsvoll

Gerhart Hauptmann.



Im Jahre 1912 hielt anläßlich seines 50. Geburtstags der Blumenorden eine Gerhart-Hauptmann-Feier ab, deren Programm von Max Schneider ausgearbeitet worden war. Der Beschluß dazu wurde in der 25. Wochenversammlung gefaßt.


Ein Vortrag, den Prof. Dr. Eduard Engel im März 1913 in einer öffentlichen Versammlung des Blumenordens hielt, gab dem Mitglied Hans Wieszner Anlaß, Hauptmann und damit den Orden in Schutz zu nehmen; er „fand es nicht am Platz, daß der Vortragende gerade Gerh. Hauptmann so stark kritisiert; nachdem ihm doch, wie er selbst angeführt, bekannt war, daß der Orden kurz zuvor einen Gerh. Hauptmannabend abgehalten. Es sei ihm so vorgekommen als ob Engels [sic] dem Orden gewissermaßen ein literarisches Armutszeugniß habe ausstellen wollen. […]“


Wer schon als junger, noch nicht sehr weit bekannter Dichter in den Orden aufgenommen war und später zur hohen Ehre eines Literatur-Nobelpreisträgers aufstieg (als diese Ehre noch etwas galt, 1910), überdies als erster deutschsprachiger Schriftsteller, war Paul Heyse. Der Kontakt war nie abgebrochen, Heyse hatte zum Jubiläumsjahr einen Text geliefert, und er schien sich seiner Zugehörigkeit zum Orden überhaupt nicht zu schämen.


„Freitag den 21. Mai 1909

16. Wochenversammlung

[…] Dittmar berichtet über seinen Besuch bei Paul Heyse in Fasano und übermittelt dessen Grüße an den Orden.“


 Er hatte Heyse eine Gratulationsurkunde des Ordens zu seinem 50. Jubiläum als Ordensmitglied überreicht. Am 18. März 1910 hielt der Orden eine Paul-Heyse-Feier ab.


Rudolph Genée war zwar schon 1888 als korrespondierendes Mitglied aufgenommen worden, verstärkte seine Verbundenheit mit dem Blumenorden und entfaltete seine Tätigkeit für ihn allerdings erst in den Jahren nach dem Jubiläum. So heißt es über die 1. Wochenversammlung des Jahres 1897:


„[…] Briefe sind eingelaufen v. Riegel, Rohmeder [?], Hodermann, Haupt, Spielhagen, Fastenrath mit Arbeiten für Neues & Altes wozu auch Genée einen Beitrag sendet; über die Aufnahme der Beiträge wird eine Commission, welche der 1ste Präses einberufen wird, entscheiden. […]“


Ganz so sehr imponierte er den einheimischen Nürnbergern noch nicht, als er sich aus Liebe zu Nürnberg mit dem Mundartdichter Grübel befaßte; in der 36. Wochenversammlung am 11. November 1898 verlas der Schatzmeister Lambrecht „aus der wissenschaftlichen Beilage zur Voss’schen Zeitung einen längeren Aufsatz von Rudolf Genée über Grübel. Die Versuche des Autors die Grübel’schen Dialektdichtungen mit dem Hochdeutschen verquickt [sic; „zu verquicken“] sind besser gemeint als gelungen. […]“ Nachdem er sich persönlich in der 28. Wochenversammlung des Jahres 1899 hatte sehen lassen, fiel die Einschätzung schon freundlicher aus: „Lambrecht liest Genées frisch und lebhaft geschriebenen Aufsatz aus der Nationalzeitung „Zwei Hohenzollern Städte“ Cadolzburg & Kloster Heilsbronn, ersten Abschnitt Cadolzburg […]“


Am Freitag, den 10. Februar 1911 kam man in der 6. Wochenversammlung wieder auf ihn zu sprechen: „Überaus beifällige Aufnahme findet eine tatsächlich prächtige Arbeit des nun 87jährigen Rudolf Genée: „Rückert als Dichter und Weltweiser in seinem Dorfe“ [Neuses bei Coburg] (Beilage No. 3 zur Vossischen Zeitung No. 25 vom 15. Januar 1911). In sehr anziehender Weise sind Friedrich Rückerts innige Beziehungen zu dem idyllischen Musensitz bei Coburg unter Beigabe nicht weniger, für den Dichter, Denker und sprachenkundigen Weltweisen und seine sinnige Betrachtung der großen und kleinen Dinge des Lebens charakteristischer (bisher ungedruckter) Gedichte dargelegt. Namentlich gefallen Rückerts Betrachtungen über das Alter und seine zarte Anteilnahme am Geschick des von anderen unbeachteten kleinen Lebewesens am Wege. […]“


Zuletzt suchte Genée geradezu den Kontakt mit dem Blumenorden. Als allgemein geachteter Gründer und Vorsitzender der Berliner Mozartgemeinde hätte er ihn zwar links liegenlassen können, aber mit Lambrecht führte er offenbar eine halb private Korrespondenz: „[…] Lambrecht las alsdann eine Postkarte von Rud. Genée vor, in welcher der nun 89jährige über seinen Sommeraufenthalt in Berchtesgaden berichtet und feststellt, daß er sich körperlich noch rüstig und gesundheitlich wohl befinde. […]“ Das war 1913. Aber bald erfuhr man: „[…] Brief von Prof. Dr. Rudolf Genée […] Es dürfte dies die voraussichtlich letzte, eigenhändig geschriebene Nachricht Prof. Rud. Genées an den Orden sein, da, laut einem Briefe an Lambrecht, sein Sehvermögen täglich schwächer wird. […]“, und im Bericht des II. Schriftführers über das Geschäftsjahr 191332 wird er als verstorben gemeldet. Es gab aber noch ein Nachspiel.


„[…] Eingelaufen ist ein Brief des Geheimen Baurats Lanke [Laske], Berlin mit der Mitteilung, daß sich im Nachlasse Rud. Genées 2 Skizzenbücher; 1 Shakespearealbum & 1 Album von Berchtesgaden befänden, welche er dem Pegn. Bl. Ord., als derjenigen litterarischen Gesellschaft, mit welcher Genée stets in gernem [!] und regen Verkehr gestanden, anbiete. Das Anerbieten soll dankend angenommen und die Skizzenbücher dem Archiv einverleibt werden. […]“

Der Nachlaßverwalter schickte prompt die Skizzenbücher und das Album, dazu aber auch „1 Reliefporträt Rud. Genées modelliert von Prof. v. Schaper, von dem gleichen Herrn übersandt u. 1 Aquarell, Falstaff darstellend von R. Genée.“ Die Bleistiftzeichnungen Genées zieren bis heute das Archiv des Ordens, doch Relief und Aquarell sind nicht mehr aufzufinden.

Am 1. Februar 1907 verzeichnete der Schriftführer noch 23 Ehrenmitglieder, wovon die meisten verdiente Nürnberger Mitglieder waren. 1911 sah es so aus: „Seit der letzten ordentlichen Hauptversammlung hat der Pegn.BlO. durch den Tod verloren die Ehrenmitglieder Felix Dahn, Martin Greif, Wilhelm Jensen, Friedrich Spielhagen [und andere mehr]“. Nach der Ernennung weiterer ordentlicher Mitglieder zu Ehrenmitgliedern zählte man 1918 noch 13 Ehrenmitglieder. Um einen Begriff davon zu geben, wie sich die Zahl der Ehrenmitglieder von überregionaler Bedeutung zur Zahl derjenigen aus den Reihen der Nürnberger etwa verhielt — und um das Personal der anschließenden Kapitel vorzustellen—, folgt ein Zitat aus der ungedruckten Festschrift von Wilhelm Schmidt:


S. 97 XI. Der Blumenorden von 1894-1919

[…] Unter den neu beitretenden Mitgliedern war ein große Zahl tätiger. Hier seien nur erwähnt: Photograph und Schriftsteller Rudolf Geck, ein begabter Lyriker; Kapellmeister Prill, der durch Musikbeiträge erfreute, während seine Gattin als Vortragskünstlerin mitwirkte; Schauspieler Fambach, der vor allem auch die Irrhainspiele einübte und leitete; Schriftsteller Friedr. Arnold; Gymnasialrektor Dr. Wilhelm Vogt; Prokurist Franz Url; der nachherige Ordensrat Dr. med. Voit, 1914 Ehrenmitglied; Fabrikbesitzer Max Kügemann, schriftstellerisch sehr tätig und 1925-31 Schatzmeister; Dr. Aug. Gebhardt, der Verfasser der Grammatik der Nürnberger Mundart, a.o. Professor für deutsche und nordische Philologie in Erlangen; der erste Direktor des Germanischen Museums Dr. von Bezold, Mitglied und nach Kressens Tod Obmann des Ausschusses; Dr. Max Wingenroth, Assistent am Germ, Museum, ein überaus eifriger Teilnehmer an der Tafelrunde; der Oberlandesgerichtsrat Alexander von Praun, 1902-12 Ordensrat, seit 1911 Ehrenmitglied, um Archiv und Bücherei sehr verdient; auch seine Tochter Sophie war als Dichterin und Darstellerin tätig und ist seit 1922 Schriftführerin; Reallehrer Dr. Kuhn; der spätere Archivdirektor Dr. Emil Reicke, seit 1906 Ordensrat, 1921 Ehrenmitglied, er verfaßte das ausführliche Verzeichnis der Ordensbücherei und war noch viele Jahre als Vortragender tätig; Postadjunkt und Schriftsteller, später Schriftleiter Theodor Senger; Rechtsanwalt Dr. Fritz Buchmann, ein feinsinniger Dichter; Buchhändler Fritz Sohm; Gymnasiallehrer, später Oberstudiendirektor Dr. Aug. Leykauff; Rechtsanwalt Dr. Josef Graf von Pestalozza; Fabrikbesitzer Hans Wießner, seit 1908 Irrhainpfleger und Ordensrat, nach vielen Richtungen um den Orden hoch verdient; Dr. med. Richard Landau, als Dichter tätig; Dr. Benedikt Uhlemayr, nachher Oberstudiendirektor und Gymnasiallehrer Dr. Georg Schmidt, ein sehr eifriges Mitglied, das auch nach seinem Wegzug nach Bremen und Lübeck mit dem Orden in Verbindung blieb; der Nationalökonom Dr. h.c. Gustav Steller, Dichter, Ausschußmitglied und sehr tätig; Dr. Hans Keller, Gymnasiallehrer und zuletzt Oberstudiendirektor; Kunstgärtner und Ökonomierat Albert Ortmann; Kaufmann Otto Börner, 1912-1925 der getreue Schriftführer; Gymnasialprofessor Dr. Heinrich Oertel, von 1905 bis zu seiner Versetzung nach Schweinfurt 1909 Schriftführer und außerordentlich tätig als Vortragender; Patentanwalt Dr. Max Schneider, als Dichter tätig und 1911/12 Schriftführer, 1946-50 erster Vorstand; Medizinalrat Dr. Fr. Lochner trat 1907 in den Orden ein, als er in den Ruhestand nach Nürnberg zog, er hatte schon 1901 das Bildnis seines Oheims für das große Ordensbuch gestiftet; sein Schwiegersohn Dr. Chn. Eidam war gleichfalls ein tätiges Mitglied. […]


So viele Mitglieder und Ehrenmitglieder von überregionaler Bedeutung und Bekanntheit wie um 1900 hat der Blumenorden seither nie wieder gehabt.




Besitzstand als Grundlage für die durchgehende Tätigkeit


Die Ausstattung einer Literaturgesellschaft mit Lesbarem war, wie man annehmen sollte, die Voraussetzung für gedeihliche Gespräche und Stellungnahmen, vor allem zu einer Zeit, in der man sich nicht schnell mal — und oberflächlich genug — über Rundfunk, Fernsehen und Internet von Neuerscheinungen und klugen Besprechungen ein Bild machen konnte. Der Blumenorden hatte schon vor 1894 damit begonnen, eine Sammlung anzulegen, und weitete diese in der Folge in erstaunlicher Weise aus.


14. W[ochen].V[ersammlung]. Freitag den 26. April 1895

[…] Dr. Beckh übergibt das Buch „Der deutsche Palmbaum-Orden“ welches interessante Werkchen er für den Blumenorden billig zu kaufen Gelegenheit hatte; […] eingelaufene „Wiener Schriftstellerzeitung“ soll, wenn Zusendung nicht [gestrichen: „gratis“] unentgeltlich erfolgt, abbestellt werden. […]


16. W. V. Freitag 10. Mai 1895

[…] Beckh spricht über die neue Zeitschrift Pan, dieselbe sowohl nach den Aufsätzen, als auch den beigegebenen künstlerischen Beilagen, welche er vortheilhaft beurtheilt. […]


25. W.V. Freitag den 12. Juli 1895

[…] Dr. Beckh schlägt den Ankauf der „Betrübten Pegnesia“ vor, welche Braun zu m 8.- anbietet […]


29. W.V. Freitag 18. October 1895

[…] Braun gibt bekannt, daß vollständig vorhanden und der Bibliothek übergeben seien Jahrg. 90-94

D.[eutsche] Rundschau

Westermanns Monatshefte

Von Fels zu Meer

Globus

Ferner die gleichen Jahrgänge von Gartenlaube, Daheim u. Über Land zu Meer, doch seien diese Blätter sehr zerlesen.


Haupt-Versammlung Freitag den 31. Jan. 1896

[…]

Im Lesezirkel ist der Orden abonnirt auf

1 Daheim

1 Gartenlaube

1 Über Land zu Meer

1 Von Fels zu Meer

1 Magazin für Litteratur

1 Deutsche Rundschau

1 Westermann’s Monatshefte

Lambrecht liefert 1 Blätter für lit. Unterhaltung

Postm Schmidt 1 Bayerland

1 Zeitschrift des Sprachvereins

Raw’sche Buchhandl 1 Fliegende Blätter

1 Gartenlaube 2. Exemplar

1 Daheim 2. Exemplar

1 Fels zu Meer 2. Exemplar

1 Illustrirte Zeitung

1 Roman Zeitung

1 Gegenwart

und für die Freitag-Abende

Moderne Kunst

Kunst für Alle

Illustrirte Welt

Buch für Alle

Unsere Gesellschaft

Meggendorfers humor. Blätter

Romanwelt

Zur guten Stunde

so daß den Lesern ein überreiches Material zu Gebote steht.



12. W.V. Freitag den 20. Maerz 1896

[…] Geißler bereichert die Bibliothek durch eine sehr werthvolle Gabe „Des Knaben Wunderhorn“, 3. Bd. wofür herzlich gedankt wird. […]


10. W.V. Freitag den 12. Maerz 1897

[…] Knapp legt Zettel- und anderen Katalog der Bibliothek vor.

Derselbe schlägt vor, daß eine Commission gebildet werde, welche über Ausscheidung den Orden nicht interessirender Bücher welche nur Platz rauben, berathen soll. […]


16. W.V. Freitag den 30. April 1897

[…] Von der Schrag’schen Hofbuchhandlung wird die bestellte „Jugend“ in zwei Bänden und [freigelassen] Heften gesandt. […]


Dies war die Zeitschrift, von welcher der „Jugendstil“ seinen Namen hat.


22. W.V. Freitag den 11. Juni 1897

[…] Lambrecht möchte, daß noch vor den Ferien die Versteigerung der älteren Zeitschriften aus dem Lesezirkel bethätigt werden möge, damit der Hansel wieder zu Kräften käme. […] spricht dabei den Wunsch aus, daß in den Ferien diese Blätter auch vorgelesen werden möchten und nicht werthlos im Schrank liegen bleiben. […]


Man hatte sich mit dem Angebot an die Mitglieder schon ein wenig übernommen.


28. Wochenversammlung am 24. September 1897

[…] Zur Bibliotheksfrage übergehend erklärt Dr. Beckh, daß sich Herr v. Bezold [der Direktor des Germanischen Nationalmuseums] seinerzeit bereit erklärt habe die Ordensbibliothek wenn möglich in den Räumen des Museums aufzunehmen. Der Vorsitzende hat Nachforschungen nach passenden Bücher-Schränken angestellt u. wird über 8 Tage Näheres darüber berichten. […]


32. Wochenversammlung am 22. Oktob. 97

[…] Lambrecht berichtet über seine Rücksprache mit Möbelfabrikant Fleischhauer in Sache unseres Bibliotheksschrankes. Der Preis eines gut gearbeiteten Schrankes beträgt 68 Mark. In der Versammlung wird der Wunsch rege die Tiefe des Schrankes auf 40 cm zu bemessen während die Zeichnung desselben eine geringere Tiefe aufweist. […]


34. Wochenversammlung am 5. November 1897

[…] Der Lambrecht’sche Vorschlag die moderne Zeitschrift „Simplicissimus“ dauernd anzuschaffen wird um so lieber genehmigt, als der Schatzmeister bei dieser Gelegenheit einen rosigen Blick in die Finanzlage des Ordens gewährt. […]


Also: keine Scheu der Honoratioren vor einem satirischen, oft antibürgerlichen und antiautoritären Blatt!


Ordentliche Hauptversammlung am Freitag den 28. Januar 1898 in der „Blume“

[…] Der Büchereibericht von Knapp läßt ersehen daß die Bücherei 1280 Werke in 1500 Bänden besitzt, daß 120 Bücher ausgeliehen, 81 gekauft u. 50 geschenkt wurden. […]


Ordentliche Hauptversammlung am 30. Januar 1903

[…] Nachdem noch der Beschluß gefaßt wurde Bücherei u. Archiv, unter Eigentumsvorbehalt, der städt. Bibliothek zu übergeben schließt gegen ½ 12 Uhr die Hauptversammlung.


Die Aufbewahrung solcher Mengen war weder im Vereinslokal (davon später mehr), noch in Privatwohnungen der Mitglieder möglich.


Freitag, den 8. Januar 1909

[…] Lambrecht schenkt für die Ordensbücherei ein großes Werk „Deutschland zur See“ mit farbenprächtigen Bildern unserer großen deutschen Kriegsdampfer, wofür ihm herzlicher Dank gezollt wird. […]

Dr. Oertel empfiehlt den Ankauf der jetzt erschienenen Doktorschrift von Albin Franz in Marburg über Johann Klaj. […] Das Buch wird zum Preise von M 6.50 erworben. […]


Ein bemerkenswertes Ineinander von zeitgenössischer Flottenbegeisterung, die bekanntlich zum Wettrüsten vor dem 1. Weltkrieg beitrug, und Traditionsbewußtsein im Hinblick auf den Mitbegründer des Blumenordens, den immer ein wenig im Schatten Harsdörfers stehenden Klaj.


Ordentliche Hauptversammlung am 29. Januar 1909

Anschließend an die Verlesung des Jahresvoranschlages gibt Uhlemayr die Anregung unserer Ordensbücherei mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden u. die Ankäufe nach einem consequent durchgeführten Plane vorzunehmen. Die dafür angesetzte Summe von M. 100.- sei viel zu klein. Er schlägt vor, den Lesezirkel der M. 164.- erfordert fallen zu lassen und  diese Summe der Bücherei zuzuwenden. Die Einsetzung einer Büchereikommission, sowie die Eröffnung eines Lesezimmers wären sehr erwünscht.

Schmidt und Voit sprechen in entschiedener Weise für Beibehaltung des Lesezirkels, da dem Orden durch Fortfall desselben eine große Anzahl von Mitgliedern verloren gienge.

Der Vorsitzende ist der gleichen Ansicht, begrüßt aber freudig die verschiedenen Anregungen und Vorschläge, denen ein beachtenswerter Kern innewohnt.

Die Vorstandschaft wird die verschiedenen Fragen weiter verfolgen, sobald die zur Zeit schwebende Lokalfrage für den Orden entschieden ist.


Bericht über die ordentliche Hauptversammlung in der Blume am 3. Februar 1911.

[…] Der zweite Antrag verlangt die Auflösung des bisherigen Lesezirkels — oder, wenn diese Auflösung nicht beschlossen wird, wenigstens die Erhöhung der dafür verlangten Gebühr auf M 4,- von denen je M 2,- an die Ordenskasse abgeführt werden sollen. […]


Bericht des I. Schriftführers über das Geschäftsjahr 1911.

[…] Der bisher durch die Zeisersche Bchh. besorgte Lesezirkel des Ordens wird 24. II. mit Rücksicht auf die zahlreich einlaufenden u. als berechtigt anzuerkennenden Beschwerden und die ständige Abnahme der Teilnehmerzahl endgiltig [sic] aufgehoben.

Auch dem Archiv und der mit diesem verbundenen Bildersammlung des Ordens sind […] Schenkungen zu gute gekommen. Paul Heyse hat ein mit sicherer Hand gezeichnetes Bildnis von Hofrath Dr. Beckh beigesteuert. […]


Kann das heißen, daß der neu zum Nobelpreisträger ernannte Heyse in seinem hohen Alter noch die sichere Hand führte, Beckh zu zeichnen?

Letztes im Großen Ordensbuch ausgeführtes Ölfarbenporträt


Freitag den 2. Mai 1913, 15. Wochenversammlung

[…] Ferner bemängelte Schmidt, daß der Orden keine Gegenliste der in das städt. Archiv abgeführten Ordensbücher hat und ihm infolge dessen jede Kontrolle fehlt, ob die Bücher wirklich dort eingeliefert wurden und sich dort befinden, oder nicht. Die Fortführung dieser Liste wäre äußerst wünschenswert und notwendig. […]


Allmählich geht der Überblick verloren.


Ordentliche Hauptversammlung am 6. Februar 1914

[…] Da Lambrecht die Bücheranschaffungen speziell herausgriff, drehte sich die weitere Debatte wesentlich um diese.

Dr. Behringer [wie er meint,] werde man in erster Linie dafür sorgen müßen diejenigen Werke zu beschaffen, welche man zu den Vorträgen im Adler und an den Damenabenden benötige. Mit dem Rest der für die Bücherei noch verbleibenden Mittel […] nur das anschaffen, was für den Orden besonders wünschenswert sei. […]

Steller [vertritt die Meinung, man solle] nicht ohne vorherige Kenntnißnahme des Inhalts anschaffen

Beckh macht darauf aufmerksam, daß man die wenigsten Bücher gebunden erhalte und die broschierten doch nicht aufschneiden dürfe und könne, da sie sonst der Buchhändler nicht mehr zurücknähme […]

Voit schlug vor bei Neuanschaffungen erst in der Stadtbibliothek anzufragen und nur solche Werke zu kaufen, welche die Stadtbibliothek nicht habe.

Für wissenschaftliche Werke erkannte die Versammlung diesen Vorschlag als zweckmäßig an. [Aber nicht für Belletristik.]

Voit schlug dann […] vor, Bücher nur nach Begutachtung durch den Ausschuß anzukaufen.

v. Bezold erklärte, daß der Ausschuß unmöglich zur Beratung solcher Kleinigkeiten zusammentreten könne. Auch Brügel stellte fest, daß im Rahmen des Voranschlags ruhig gekauft werden könne. Erst wenn diese Mittel verbraucht seien […] habe der Ausschuß in Tätigkeit zu treten. […]

Schneider greift die Idee der Auswahl der Bücher nochmals auf und plädiert für einen Bücherberatungsausschuß […]

Lambrecht ist auch gegen einen solch komplizierten Apparat […]


Bevor die Ausschußseligkeit und das auf den Finanzen lastende Überangebot an Lesestoff noch bedrückender werden konnten, enthob der Krieg durch seine ganz anderen Sorgen die Ordensmitglieder solchen Erwägungen.



Entwicklung der Ordensfinanzen


Es wird in diesem Zusammenhang nicht verkehrt sein, die Entwicklung der Ordensfinanzen genauer zu betrachten.


Nürnberg, den 30. Januar 1896.

[…] Die Mitgliederbeiträge waren auf M 1200,- veranschlagt und belaufen sich faktisch auf 1380.20 d. […]

Endlich haben auch die freiwilligen Beiträge, von welchen eine Einnahme von M 500.- erwartet wurde, diesen Anschlag überschritten und M 565.- betragen […]

Der Ausschuß ist in der angenehmen Lage, den Orden, der trotz der Höhe der Jubiläumsausgaben in so kurzer Zeit seine Schulden auf den verhältnismäßig geringen Betrag von M 846.50 d zu vermindern vermochte, zu seiner Finanzgebahrung zu beglückwünschen […]


Wenn man noch in Erinnerung hat, daß diese Schulden um die 10000 Mark betrugen, kann man nur annehmen, daß sie nicht nur durch gutes Haushalten und die hier erwähnten freiwilligen Beiträge abgebaut wurden, sondern durch Spenden der kapitalkräftigen Mitglieder, die der Orden so klug war, rechtzeitig anzuwerben.


41. W.V. Freitag den 18. Decbr. 1896

[…] Lambrecht theilt mit, daß heuer keine Kapital-Rentensteuer zu entrichten gewesen sei, da die Rente nicht die nöthige Höhe erreicht habe; Foerster’s Geschenk solle nur mit 400,- m verfundirt werden, so daß man mit 1300.- steuerfrei sei.


Das heißt: Aus dem Förster’schen Legat waren Gelder entnommen worden, die nicht in der möglichen Höhe zurückfließen, sondern nur zu 400 Mark, damit der Verein nicht in die Vermögenssteuer gerät.


Ordentliche Hauptversammlung am Freitag den 28. Januar 1898 in der „Blume“

[…] Der Voranschlag pro 1898, der vom Schatzmeister aufgestellt wurde, erhält in allen Punkten die Genehmigung des Ausschusses. Derselbe lautet:

Einnahmen:

Kapitalzinsen M 33.-

Mitglieder Beiträge 1200,- […]

Ausgaben: […]

Jubiläum 1944  50,-

Das Ordensvermögen beträgt z. Zt. 1150 Mark. […]


Ach, die Ahnungslosen! Da legen sie für das Jubiläum von 1944 vorsorglich jedes Jahr 50 Mark zurück.


Ordentliche Hauptversammlung Freitag den 25. Januar 1901

[…] Der Hansel [die zu Wochenversammlungen aufgestellte Sammelbüchse] trug im verflossenen Jahr  M 163.04, wovon M 70,- der Hauptrechnung zugeführt wurden, während der Rest ins neue Jahr übertragen wurde. […]

Zur Rechnungslegung ergreift der Vorsitzende des Ausschußes v. Kreß das Wort und theilt mit, daß die Einnahmen und Ausgaben mit M 1407.19 sich ausgleichen; dies war jedoch, da mehrfach Ueberschreitungen des Voranschlags nicht zu umgehen waren nur möglich dadurch, daß der Schatzmeister [Lambrecht] die fehlende Summe mit M 49.13 dem Orden geschenkt hat, was zur wohlgefälligen Kenntniß dient. […]

Nürnberg, den 20. Januar 1902

Bericht des Ausschusses des pegnesischen Blumenordens zu Nürnberg […] Eine Musterwirtschaft ist die Wirtschaft des Blumenordens gerade nicht. Aber es ist nicht der Schatzmeister, nicht die Vorstandschaft, die dafür verantwortlich gemacht werden kann, sondern die Herren Mitglieder sind es, die in den Wochenversammlungen bald dieses bald jenes beschließen ohne Rücksicht darauf, ob die für die Ausführung solcher Beschlüsse erforderlichen Mittel vorhanden sind, und die, verwöhnt durch das Entgegenkommen eines allzu opferwilligen Schatzmeisters, stets wieder den sorgsam erwogenen Haushaltsplan über den Haufen werfen. […]

Zu Tit. I der Ausgaben bemerkt der Herr Schatzmeister, daß die in den Voranschlag eingesetzten M 126.65 d für Schuldentilgung nicht verwendet werden konnten. Dies scheint aber ein Irrtum zu sein. Denn sie sind am Schlusse der Rechnung unter den Ausgaben vorgetragen, wenn auch ohne Angabe eines Belegs. […]

Es wird die Bemerkung verstattet sein, daß ein vorsichtiger Verein keine Ehrenmitglieder ernennt oder ernennen sollte, wenn er die Mittel nicht besitzt, um Diplome für sie herstellen zu lassen […]

Frhr. von Kreß, Bezold


Ordentliche Hauptversammlung am 31. Januar 1902

[…] Der Vermögensnachweis des Ordens lautet:

Staatspapiere M 1300.-

baar M 150,-

[Summe:] M 1450,- davon auf Dilherrnstiftung [sic; Dilherr-Stiftung]

M 900,-

Försters Legat M 250,-

Jubiläumsfond M 300,- […]


Ordentliche Mitgliederversammlung am 2. Februar 1906 in der „Blume“

[…Die Rückstellung für das Jubiläum von 1944 beträgt diesmal 100 Mark…]

In  Vertretung des, durch Krankheit verhinderten Obmannes des Ausschusses v. Kreß gibt Schrodt über den Rechenschaftsbericht seiner Befriedigung Ausdruck u. beantragt unter Anerkennung der meisterhaften Kassenführung Entlastung des Schatzmeisters. […]


Ordentliche Hauptversammlung am 29. Januar 1909

[…Das Vermögen ist angewachsen auf] M. 2000.- davon auf die Dillherrnstiftung M. 900.-

Legat Förster M. 500.-

Jubiläum 1944 M. 600.- […]


Bericht über die ordentliche Hauptversammlung in der Blume am 3. Februar 1911.

[…] v. Kreß macht den Vorschlag künftighin bei der Rechnungsprüfung nicht mehr den gesammten Ausschuß in Bewegung zu setzen, sondern aus dem Kreise des Ausschusses einen Rechnungsprüfer aufzustellen, dem die Prüfung u. Berichterstattung obliegt; […]

Sehr tief einschneidend in die Ordenskasse seien die Ausgaben für den Irrhain, während es zu bedauern sei, daß die Herausgabe der Vereinsveröffentlichungen u. des Büchereikatalogs wegen Mangel an Mitteln immer wieder hinausgeschoben werden muß. […] Es sei auch zu erwägen, ob nicht die Auflösung des Ausschusses zu beschließen sei, da die Verwaltung des Ordens ein etwas großer Apparat sei. […Beckh wiegelt höflich ab…]

[…] Jahresvoranschlag für 1910 [muß wohl heißen 1911]

A. Einnahmen

[…] Mitgliedsbeiträge M 1000,- […]

B. Ausgaben

[…] Irrhain M 500,-

[…] Jubiläumsfeier 1944 M 100,-

[…]


Ordentliche Hauptversammlung am 6. Februar 1914

[17 Anwesende]

Die Jahresausgaben schließen mit einem Deficit von M. 200.00, welches unser sehr verehrter Schatzmeister in dankenswerter Liberalität, wie schon vielmals, aus eigenen Mitteln gedeckt hat. […]

In der daran anknüpfenden Debatte erklärte v. Bezold, daß es so nicht weitergehen könne. Der Ausschuß sei nur ein Scheingebild, der am Jahresschluß die Rechnungen zu prüfen und die Ausgaben gutzuheißen habe. Eine Einwirkung auf dieselben habe ihm bis dato vollständig gefehlt. Nach seiner Meinung sei die Aufgabe des Ausschußes bei den Ausgaben beratend mit einzugreifen […] eine Ansicht, die Brügel als extra in den Statuten festgelegt, bekräftigte. […]

Voranschlag für das Jahr 1914.

[…] Ausgaben.

[…] Irrhain M. 500.00

Miethe M. 200.00

Bücherei M. 100.00

Vereine M. 55.00

Ordensdiener M. 60.00

Druckkosten & Porti M. 100.00

Steuern M. 10.00

Inserate M. 150.00

Jubiläum M. 50.00

[…]


Von nun an ging’s bergab.



Neufassung der Satzung


Wie zu sehen war, entzündete sich die Debatte über eine Neufassung der Satzungen leicht an finanziellen Erwägungen. Aber nicht nur.


3te W.V. Freitag den 1 Febr. 1895

 Die Kugelung über Rudolf Geck ergibt dessen Aufnahme mit 13 gegen 1 St.; ein Mitglied enthält sich der Abstimmung. Es kommt bei dieser Gelegenheit zur Sprache, daß unsere Statuten neu aufgelegt werden müssen und beantragt Dr. Heller, daß einige sich nöthig zeigende Änderungen durch eine General-Versammlung beschlossen werden mögen.


28. W.V. Freitag 11. October 1895

[…] Bezüglich der angeregten Statuten-Änderung wird beschlossen, daß den Herren Ordens-Ausschuß-Mitgliedern eine briefliche Aufforderung zugehen soll, sich innerhalb 14 Tagen mit Abänderungsvorschlägen an II. Präses Schmidt zu wenden; die Vorschläge werden dann einer 3gliedr. Commission unterbreitet; dieselbe wird dann ihre Vorschläge einer einzuberufenden General-Versammlung vorlegen.


1. December 1899 39. Wochenversammlung

[…] Schrodt soll darüber berichten, ob in unseren Satzungen Änderungen zu treffen sind, um unsere Gesetze mit den Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches, das am 1. Januar 1900 in Kraft tritt in Einklang zu bringen. […]


Ordentl. Hauptversammlung Freitag den 26. Januar 1900

[…] Zum letzten Punkt unserer Tagesordnung „Änderung unserer Satzung im Hinblick auf das bürgerliche Gesetzbuch“ berichtet Schrodt. Derselbe führt aus, daß Änderung zunächst nicht nöthig ist, daß dieselben vielmehr in redaktionellen Verbesserungen bestehen, die gelegentlich eines Neudrucks des Gesetzes ausgeführt werden kann. […]


Freitag, den 20. Oktober 1911 31. WochenV.

[…] Brügel erinnert neuerdings daran, wie sehr unsere „Statuten“ (Loesch verbessert: „Gesetze“) der Besserung bedürfen. Vieles sei darin nicht mehr praktisch, anderes nicht mehr mit dem Gesetz übereinstimmend, wieder anderes müsse erst dem Gesetz entsprechend angepaßt werden. Er habe die Ordensgesetze inzwischen einer Revision unterzogen und beantrage diese seine Ausarbeitung dem demnächst tagenden Ausschusse und dann der Generalversammlung vorzulegen. Dem Antrage wird entsprochen. […]


Gemeinsame Sitzung des Ausschusses und der Vorstandschaft […]

am Montag, den 20. November 1911 […]

[…] Hatte v. Kreß † schon bei früherer Gelegenheit entschieden einer Auflassung des Ausschusses das Wort geredet, so denkt der Brügel’sche Entwurf nicht entfernt daran, diese „Möglichkeit einer Kontrolle des finanziellen Gebarens der Vorstandschaft“ preiszugeben. Satzungsgemäß habe der Ausschuß geradezu die gar wichtige Aufgabe, „die Rechte der Mitglieder gegenüber der Vorstandschaft zu vertreten.“

Entschieden gegen Beibehaltung des Ausschusses sprechen 2 Mitglieder, v. Bezold und Hering, welch letzterer den derzeit neben der Vorstandschaft bestehenden Ausschuß am liebsten durch einen aus der Mitte der Vorstandschaft selbst hervorgegangenen geschäftsführenden Ausschuß ersetzt wissen möchte.

Hering betont, daß gerade die Mitglieder das Ausschusses sich der geringeren Teilnahme an den regelmäßigen Versammlungen und Arbeiten des Ordens sich anklagen müßten, sie könnten nicht recht in Fühlung mit dem Ordensleben bleiben und unterlägen unter allen Umständen etwaigen „Suggestionen“ des Vorstands. […]

v. Bezold beantragt, daß […] die Lösung endgiltig jener Kommission überlassen werde. […]

Dieselbe setzt sich durch Zuruf aus folgenden 6 Herren zusammen:

Referent Ordensrat Brügel, Ausschußmitgl. Hering, I. Vorst. Beckh, II. Vorst. Schmidt, Schatzmeister Lambrecht, Ordensrat v. Praun. […]


Siebzehn Jahre nach den ersten zarten Hinweisen, nach einem Rückschritt wegen einer Unbedenklichkeitserklärung und durch einen neuen Anschub wegen Vorbehalten gegenüber der zu starken Rolle des Vorstands kommt eine Neufassung der Satzung zustande. Eine Revolution ist es nicht. Die Periode von 1896 bis 1912 ist von erstaunlicher Stabilität; alles scheint noch in den Bahnen der bürgerlichen Verhaltensnormen regelbar. Die vorantreibenden Kräfte scheinen vor allem aus den Kreisen der freien Unternehmer zu stammen.



Satzung des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg (Eingetragener Verein) [1912]


Im folgenden werden nur die Abänderungen gegenüber der Fassung von 1896 verzeichnet:


I. Zweck des Ordens. [bleibt gleich]


II. Mitgliedschaft.

§ 5. [entspricht dem alten § 6.; der alte §6. Satz 3 ff. als neuer § 6. abgespaltet:]

Wer in den Orden als ordentliches oder außerordentliches Mitglied aufgenommen sein will, muß in der Ordensversammlung durch ein ordentliches Mitglied angemeldet und zur Aufnahme vorgeschlagen werden.

[§ 5. Satz 2 ff. alt wird § 7. neu; § 6 Absatz 3 und 4 alt wird § 8. neu]

[§ 7. alt wird § 9. neu, § 8. alt wird § 10. neu]

[§ 11. neu wie § 9. alt, unter Weglassung der Bestimmung, daß das neue Mitglied den Empfang der Satzung und der Aufnahmeurkunde schriftlich zu bestätigen habe. Alle weiteren §§ unter II. im Wortlaut gleich.]


III. Ordensleitung.

§ 26. […] Demgemäß hat ein vom Ausschuß aus dessen Mitte zu bestimmendes Mitglied die ihm vierzehn Tage vor der ordentlichen Hauptversammlung vom Oberschatzmeister zu übergebende Jahresrechnung nebst Voranschlag zu prüfen und der Hauptversammlung darüber Bericht zu erstatten. [Neu ist, daß es ein Ausschußmitglied tut, und daß der Voranschlag nicht mehr vom Ausschuß zu entwerfen ist. Weiter wie gehabt.]

[§ 25 alt wird durch §§ 28 und 29 neu dahingehend entschärft, daß:]

§ 28. Jede Änderung in der Person des Ordensvorstehers und der Ordensräte muß von dem Vorsteher unter Beifügung einer Abschrift der Urkunde über die Änderung oder die erneute Bestellung beim Amtsgericht Nürnberg angemeldet werden. [Also nicht unter Beifügung des Hauptversammlungsberichtes und des Nachweises über die satzungsgemäße Ladung, persönlich oder beglaubigt]

§ 29. Der Vorstand hat dem Amtsgericht Nürnberg auf dessen Verlangen jederzeit ein Verzeichnis der Vereinsmitglieder einzureichen. [Also nicht mehr alljährlich.]


IV. Tätigkeit des Ordens.

§ 30. [Präambel von § 26. alt entfällt. Absatz 2 wird in die §§ 30., 31. und 32. neu aufgeteilt, § 27. alt textlich gestrafft. Es entfällt die Bestimmung, daß alle zwei Jahre Veröffentlichungen erscheinen sollen.]

§ 32 [enthält die Erweiterung:] Im Beanstandungsfalle entscheidet zunächst der Ordensvorsteher, allenfalls die Vorstandschaft, über die Frage, ob der betreffende Vortrag stattfinden soll oder nicht.

[§ 33. neu ist gleich § 29. alt.]

§ 34. [enthält gegenüber § 30. alt geändert an der Stelle:] Zur Abänderung der Gesetze des Ordens ist die Zustimmung von drei Vierteilen [statt bisher zwei Dritteilen] der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder erforderlich.

§ 36. [spricht wegen Bekanntgabe der Hauptversammlungstermine nur von:] zwei Tagesblättern der Stadt Nürnberg [statt die Zeitungen namentlich zu nennen]


V. Ordensvermögen und Schatzamt.

[§ 31. alt spricht davon daß die Dillherr’sche und die Förster’sche Stiftung unangreifbar seien. Dagegen:]

§ 37. […] Die sogenannte Dilherrsche Stiftung im Betrage von 900 Mark ist unangreifbar; die Robert Förstersche Stiftung von 1894 im Betrage von 500 Mark ist gesondert zu verwalten. Die Ordenskleinodien, insonderheit die Ordenshumpen, [Erweiterung:] das Ordensbuch, die Ordensbücherei, das Ordensarchiv, die im Irrhain aufgestellten Denkmale sowie die dort befindlichen Gedächtnistafeln sind unveräußerlich.

[alles weitere gleich]


VI. Besondere und Schlußbestimmungen.

[gestrichen wurde § 39. alt 1. Satz, daß gewisse §§ unabänderlich seien. Der Rest ist gleich.]


In der Ordentlichen Hauptversammlung am 2. Februar 1912 wurde dieser Entwurf seinem „ganzen Inhalt nach in der vorgeschlagenen Form genehmigt“. — „Schmidt möchte bei §17 (alt) das Amt eines II. Ordensvorstandes aufgehoben wissen, dessen Geschichte sein rein zufälliges Bestehen erweise.

Steller erinnert dagegen daran, daß es so ziemlich in allen Vereinen einen II., als stellvertretenden Vorstand gebe. Die von Steller im Verfolg dieser Frage beanstandete bevorrechtete Stellung der Ordensräte (gegenüber den Schriftführern) möchte Beckh als historische Einrichtung im Orden nicht beseitigt wissen. Steller meint aber, daß «die ‚Präsidialfunktionen’ von den ‚Accidenzfunktionen’ (die auch sehr wichtig seien) getrennt werden müßten.» Über die ganze Frage der Stellung der Ordensräte gibt es noch ein kürzeres Hin und Wider […] mit dem Schlußergebnis, daß hieran nichts geändert und insonderheit der Antrag Schmidt einstimmig abgelehnt wird.“




Solche und solche Mitglieder



Anscheinend konnte die von mehreren Schriftführern angelegte und immer wieder ergänzte Mitgliederliste noch einmal Bestätigung bzw. Verbesserung brauchen.


9t W.V. Freitag den 2 Maerz 1894

[…]  Knapp übergibt aus dem Nachlaße seines Vaters, des † Oberst Gemming „Nachtrag zur Geschichte des P.B.O.[”] die Namen der Mitglieder v. 1644-1744 enthaltend.


Friedrich Knapp selbst hatte zwar seine wöchentliche Reimchronik eingestellt, war aber weiterhin als Ordensrat für die Bibliothek und regelmäßiger Besucher der Wochenversammlungen (der „Freitagsrunde“) aktiv und wurde besonders geehrt:


34t W.V. 26 October 1894

[…] Knapp dankt für seine, ihn so sehr überraschende und erfreuende Ernennung zum Ehrenmitgliede; die Versammlung bringt ihm ein dreifaches „Hoch!“ […]


Da er als Sohn des Kommandanten der Festung Rothenberg bei Schnaittach geboren war, gab er sich viel Mühe, die Verhältnisse in dieser Festung und überhaupt deren Umgebung und Geschichte in einem Buch zu schildern, aus dessen Vorstudien er auch im Orden vorlas:


Knapp liest den 11. Wandergang „Festungs-Idylle“ [mit Bleistift darübergeschrieben: „Rothenberg“], in welcher er auch eine topographische Schilderung dieser nun aufgelassenen Festung gibt, mit vielen persönlichen Erinnerungen durchwebt. […]


Auch einen Ausflug dorthin bot er an: „20. W.V. Freitag den 22. Mai 1896 […] Knapp theilt mit, daß er nächsten Samstag über 8 Tage die Partie nach Rothenberg mache; allenfalls daran Theilnehmende sollen bis Donnerstag sich melden wg. Bestellung des Essens. […]

24. Wochenversammlung 24. Juni 1898

[…] Beckh begrüßt Knapp herzlich und bringt ein Hoch auf denselben aus, anläßlich seiner 70jährigen Geburtstagsfeier und verliest einen Dankbrief Knapps, mit welchem er uns für unsere Büchersammlung sein Werkchen „Die Bergfeste Rothenberg“ mit gedruckter Widmung übergibt.

Beckh legt ferner das Schriftchen Knapps „Erinnerungen an das 250jährige Jubelfest des P.B.“ vor. Dasselbe wird bei der nächsten Beitragserhebung an die Mitglieder geschenkweise hinausgegeben. […]


„Beitragserhebung“ heißt in diesem Fall: Die Ordensdienerin Fräulein Appolonia Braun, die jahrzehntelang „treppauf u. treppab mit redlichem Eifer u. frohem Gemüt ihres Amtes“ waltete, zog die Beträge in bar ein und konnte dabei auch Rundschreiben und andere Schriften verteilen. Sie starb übrigens 1910 im Alter von 78 Jahren, ohne so etwas wie einen Ruhestand genossen zu haben.66 Wie aus den Jahresberichten in den Archivschachteln 95 und 101 hervorgeht, bekam sie 1896 noch jährlich 100 Mark, 1900 noch 90, 1903 noch 80 und 1905 nur mehr 70 Mark. Es kann sein, daß sie bei abnehmender Leistungskraft je nach der Zahl der Botengänge bezahlt wurde.


Knapp hatte in seiner Eigenschaft als Verwalter der Bibliothek auch den Schlüssel zu dem Schrank mit dem Handapparat, der im Versammlungslokal aufgestellt worden war.


[…] Knapp berichtet, daß er den Schrank neu geordnet habe und bittet sich, wenn daraus etwas gewünscht werde, sich [sic] an ihn zu wenden, er werde jeden Freitag anwesend sein. […]


Er hatte sich allerdings auch im Archiv umgetan und war immer schnell bereit, Auskünfte zu erteilen:


34. W.V. Freitag 29. Novbr. 1895

[…] Schmidt legt ein Monatsheft der Comenius-Gesellschaft vor über die Studenten-Orden des 18. Jahrhunderts, welche auch Berührungen mit dem Blumenorden hatten. Knapp sagt, daß alte Akten im Archiv des P.B.O. seien, die darauf Bezug hätten und will solche mitbringen. […]


4. W. Versammlung Freitag 24. Jan. 1896

Schmidt erwähnt eine Zuschrift v. Dr. Burkhard in Weimar welcher um Briefe Gg. Neumark’s bittet, welche sich in dem Briefwechsel Birken’s befinden sollen; Knapp wird danach suchen; allenfallsige Funde sollen Dr. B. unter Vorbehalt gesandt werden. Dr. Beckh wünscht, daß auch die Briefe fürstlicher Personen, welche als Glieder der Fruchtbr. Gesellschaft mit Birken correspondirten ausgesucht werden. […]


Als Stellvertreter bei Abwesenheit des 1. Vorsitzenden Beckh hielt Knapp auf Mores:


9. Wochenversammlung am 4. Maerz 1898

Um 9 Uhr eröffnet 2. Ordensrath Knapp in Gegenwart von 4 Herren die Sitzung und nach Verlesung und Genehmigung der vorwöchentlichen Berichterstattung drückt der Vorsitzende sein Bedauern aus, daß die Herren so spät kommen und wünscht daß die Versammlungen um ½ 9 Uhr beginnen, wie dies stets auf den Vortragsordnungen gedruckt steht.


Aus den akribisch geführten Listen, wer in den Wochenversammlungen etwas zum Vorlesen mitgebracht hatte, geht hervor, daß Knapp zu den eifrigsten zählte. 1895 kamen von ihm 18 Beiträge, 1903 noch 10. Dabei konnte es sich um das Referat über ein Buch handeln, wie „«Fritz Reuter und die Juden» von Beber, im antisemitischen Geist die v. R[euter] geschilderten Juden besprechend“. Über seine eigene Stellungnahme dazu ist nichts überliefert. Meist aber lieferte er eigene Texte.

Seit 1899 nahm allerdings seine Gesundheit ab. In der Hauptversammlung am 27. Januar „theilt Lambrecht in Verhinderung Knapps mit, daß die Ausleihung der Bücher sich in den gewohnten Grenzen bewegte […]“ Man erfährt auch bald, am 10. Februar, warum: „Lambrecht erbittet sich nun das Wort und spricht unserem Ehrenmitgl. Knapp, der sich für mehrere Wochen wegen einer Augenoperation nach Erlangen begeben muß die Hoffnung aus, daß dieser Eingriff gut gelingen möge und daß er vollständig hergestellt in unseren Orden zurückkehren und seine dichterische Thätigkeit wieder aufnehmen möge. Der Orden schließt sich diesen Wünschen lebhaft an und stößt mit Knapp auf die Erfüllung derselben an.“ Zwar heißt es ein Jahr später: „Vor Eintritt in die Hauptversammlung begrüßte Beckh freudigen Herzens unser wiedergenesenes Ehrenmitglied Knapp, der mit herzlichen Worten dankte. […]“, doch auch gleich: „Professor Geißler wird endgültig zum Bücherwart gewählt, nachdem Knapp diesen Posten nicht mehr annehmen kann; derselbe verspricht aber, Geißler in jeder Beziehung hilfreich zur Seite zu stehen, was zur wohlgefälligen Kenntniß dient. […]“


Nun ordnet er seinen Nachlaß und schenkt vieles davon dem Orden. Zum Beispiel: „Frühlingslied 1902“, „Gedanken in einer Augenheilanstalt“, „Naturhistorischer Ausflug (Am 10. Juni 1881)“, und: „Liebe, Freundschaft“, eine fadengeheftete Sammlung kurzer Gedichte, auf deren erster Seite mit Bleistift geschrieben steht „Fritz Knapp“ — anscheinend Juvenilia. Dies war der Anfang einer bisher nicht zu überblickenden Fülle von Hervorbringungen, die Knapp zu einem der fruchtbarsten Textproduzenten des Blumenordens überhaupt machten.


Freitag 21. Oktober 1904, 32. Wochenversammlung

[…] Knapp sendet zu einem schon früher geschenkten Band „Schiller’scher Gedichte“ das den eigenhändigen Namenszug von Schillers Sohn, Ernst von Schiller trägt u. von diesem seinerzeit Knapp’s Vater verehrt wurde ein erklärendes Begleitkärtchen, das Näheres über diese Schenkung enthält. Geschrieben ist das Kärtchen von Oberst von Gemming, dem Vater Knapps. Das Kärtchen wird dem Buch beigelegt. […]


Freitag, den 24. Februar 1905, 7. Wochenversammlung

[…] Der  Ordenspräses verliest das Dankschreiben des Herrn Reichsarchivassessors Dr. Knapp in München für die seinem Vater bei dessen Bestattung erwiesenen Ehren; ferner wird darin die Absicht ausgesprochen im Irrhain eine Gedächtnistafel für den Verstorbenen anzubringen; die von ihm erbaute Hütte wird seinem Amtsgenossen Konsul Lambrecht vermacht und endlich erhielt jedes Mitglied der heutigen Tafelrunde eine Sammlung früher veröffentlichter Schriften aus dem literarischen Nachlaß.


Die vorherrschende Gestalt im damaligen Blumenorden war aber der Präses Dr. Wilhelm Beckh.

Seine Beiträge zu den Wochenversammlungen waren über lange Jahre hinweg die häufigsten. 1895 brachte er es auf 3079, 1902 noch auf 22 (es war das erste Mal, daß er nicht an der Spitze stand!). Bei Familienabenden brachte er manchmal Selbstverfaßtes, bei öffentlichen Versammlungen las er Texte anderer:


1. Familien-Abend 27. Jan. 1896

Derselbe war sehr gut besucht und wurde würdig eingeleitet durch Dr. Beckhs Gedicht „Im neuen Jahre“ .


D. 23. Januar 1899 1. Oeffentliche Sitzung

[…] Statt des angekündigten Knapp’schen Gedichtes, das etwas zu lange [sic] ausgefallen war, las Beckh einige Gedichte von zweien unserer Ehrenmitglieder […]


In der Hauptsache aber kümmerte er sich um die Organisation solcher Abende und hatte unermüdlich zu werben und anzuspornen.


37te W.V. Freitag 16 Novbr. 1894

Dr. Beckh fordert zu Beiträgen zu den öffentlichen Versammlungen auf […] wobei des Dichters Wlm Müller gedacht werden soll (Anregung von Dr. Fuhse) dann des Verfassers von Struwwelpeter (Dr. Hoffmann Fft [Frankfurt]) […]


Bei den ersten Neuwahlen nach dem Jubiläum ergab sich 1896 folgende Leitungsgruppe:


1. Ordensvorsteher Dr. Wlm Beckh mit allen gegen 1 Stimme [offensichtlich seiner eigenen Enthaltung; das zieht sich bei den meisten übrigen Gewählten durch]

2. Ordensvorsteher Postm. Schmidt


Eine Änderung war auch in diesem Amt nicht geschehen; August Schmidt war der beliebte, humorvolle, durch erfolgreiche Komödien und Irrhainspiele hervorgetretene Freund Knapps und Mitarbeiter Beckhs.

1. Ordensrat Prof. Rud. Geißler

2. Ordensrat Consul Knapp

3. Ordensrat Hofr. Dr. Heller

1. Schriftführer Aug. Müller

2. Schriftführer Oscar Beringer

Ordens-Schatzmeister Herm.[ann] Lambrecht

Ausschuß: Justizrat Frhr. von Kreß

Archivar Mummenhoff

O.A. Richter [Albert] Schrodt

Prof. Th. Bischoff

Hofbuchhändler Schrag


[…] Es wird nun zur gew.[öhnlichen] Versammlung geschritten, die 5te

Frhr Carl Ebner von Eschenbach legt durch Dr. Beckh 3 Pläne der Festung Rothenberg vor aus dem 16-17 Jahrhundert


Dies ging offenbar auf Knapps Bemühungen zurück, geschichtliches Material über die Festung aufzufinden. Ebenso hatte Schmidts nächste Eröffnung mit dem Suchauftrag zu tun, den Knapp übernommen hatte:


Schmidt berichtet, daß in den Briefsamml. Birkens sich 24 Briefe von Georg Neumark befinden, die er unter übl. Vorbehalt an Archivdirektor Dr. Burkhard im Weimar gesandt habe.

Dr. Beckh betont, daß es jetzt Aufgabe sein müsse, an die Herstellung des 3. Bandes v. Altem und Neuem zu denken und wird selbst einige Anknüpfungen suchen. […]


Der III. Band der Sammlung ist dann 1897 bei Johann Leonhard Schrag in Nürnberg erschienen.


1. Wochenversammlung am 7. 1. 98

[…] „Altes u. Neues“ liegt nunmehr fertig vor. Url bemängelt den gar zu schlichten Einband. Lambrecht erklärt sich, da Beringer verreist ist, [vom I. Schriftführer Müller war zuletzt überhaupt nichts mehr zu sehen] bereit den Versand von „Altes u. Neues“ an die Ehren- und korrespondirenden Mitglieder zu übernehmen, was dankend angenommen wird. Herr Lambrecht konstatiert gleichzeitig, daß die diesmalige Publikation unter den bisher erschienenen die kostspieligste ist u. trägt die entspr. Zahlen vor. […]


Wer waren aber nun die anderen „solchen“ Mitglieder?


37. Wochenversammlung am 26. Novembr. 1897

[…] Der Vorsitzende geht sodann auf die Wünsche über die Frau v. Forster im Verlauf des [öffentlichen] Abends an den Orden stellte u. die darin gipfelten, daß in ähnlicher Weise wie die Freitagsabende den männlichen Mitgliedern des Ordens Gelegenheit zu literarischem Meinungs- und Gedankenaustausch bieten, auch den Damen des Ordens solche Gelegenheit geboten werden möchte. Dr. Beckh sagt möglichste Berücksichtigung dieser Wünsche zu u. wird sich mit der Ordensleitung über diesen Punkt des Näheren berathen. Dr. Gebhardt wünscht daß diejenigen Damen, die sich an diesen Diskutierabenden beteiligen [gestrichen: „wollen“] selbstständige Mitglieder des Ordens werden sollen.

Sodann geht Dr. Beckh auf die Anregungen über, die Herr Dr. von Forster gegeben hat. Herr v. Forster wünscht daß der Blumenorden literarische Volksabende in größerem Rahmen veranstaltet, damit das Volk unseren Dichtern u. Schriftstellern näher gebracht werde.

Von allen Seiten wird diesen Forster’schen Anregungen in den Kernpunkten zwar zugestimmt, jedoch die Frage, ob es Aufgabe des Ordens sei die Ausführung dieser Volksabende in die Hand zu nehmen und die voraussichtlich hohen Kosten zu tragen, verneint.

Schmidt wünscht, daß die Ausführung u. Leitung solcher Abende andere Corporationen, beispielsweise der Verein „Frauenwohl“ übernehmen sollen. Der Blumenorden u. seine Mitglieder werden freudig bereit sein daran mitzuwirken u. diese Abende nach jeder Seite hin zu unterstützen. Auch über diesen Punkt wird der Vorsitzende mit der Ordensleitung gemeinsam eine Berathung pflegen. […]


Erste Erfolge bestanden in der aktiven Beteiligung von Frauen am Programm der Familienabende, z.B.:


27. Maerz 1899 Familienabend

[…] Eine Perle des Abends brachte Frau Lambrecht, welche in Begleitung des Herrn Kapellmeisters Prill ein Melodrama „Mozart“ v. Mosenthal in hoher Vollendung vortrug und zur eindrucksvollen Geltung brachte.

Mit diesem Vortrag war der Uebergang zur Musik gefunden und gab uns Frl. Gombrich in ihrer liebenswürdigen Bereithwilligkeit zwei Klavierstücke

1. Nachtstück von Schuhmann [sic]

2. Ein Hochzeitstag auf [Lücke; soll wohl „Trolthaugen“ heißen] von Grieg. […]

Fräulein Johanna Heller sang, von ihrer Schwester Emma aufs vortrefflichste begleitet

„Die Uhr“ von Loewe

„Der Neugierige“ v. Schubert

„Parla“ Walzer von Arditi.

Der Berichterstatter hörte diese Stücke zum ersten Mal, er muß gestehen, daß er davon sowohl, wie von dem ganz vorzüglichen Vortrag hoch befriedigt war. […]

Kapellmeister Prill und Concertmeister Gärtner vom hiesigen Stadttheater trugen auf Klavier und Violine [Lücke] Suite von Goldmark vor und ernteten reichen Beifall. […]

Die Versammlung ging um ¾ 1 Uhr unter dankbaren Empfindungen für die Vortragenden auseinander […]


Einige Jahre danach muß man jedoch erst wieder an solche Gemeinsamkeit erinnern:


Freitag, den 3. Februar 1905 4. Wochenversammlung

[…] Wießner regt an, ob nicht doch noch ein Familienabend sowie häufigere Zusammenkünfte der Tafelrunde mit Damen stattfinden könnten. […]


Bis zum Jahre 1908 war wieder etwas Schwung in die Sache gekommen:


[…] Eine Neuerung in diesem Jahre waren die Familienabende in der „Blume“, die eine erweiterte Freitagstafelrunde mit Damen darstellten u. sich großer Beliebtheit erfreuten. Beim ersten Familienabend sprachen die Herren Direktor v. Bezold über Heinrich Puchta u. Direktor Brügel über Lafcadio Hearn. Das Thema des zweiten Familienabends am 13. März „Im Lande Walter Scotts“ wurde durch Stich behandelt, während am 10. April Beringer über „Das geheimnisvolle Grab in Hildburghausen“ sprach. Der 4. Familienabend war mit einer größeren Anzahl einzelner Programmnummern ausgestattet.


Diese Teilhabe erstreckte sich mit der Zeit auf die Freitagsrunde, die ein Reservat alter Herren gewesen war:


Freitag den 1. März 1912     7. Wochenversammlung

[…] Dr. Behringer griff den alten Beschluß auf, welcher besagt, daß von Zeit zu Zeit Unterhaltungs- oder Rezitationsabende mit Damen in dem ständigen Ordenslokale stattfinden sollen und schlug vor möglichst bald einen solchen Abend anzuberaumen, wobei sich Dr. Behringer erbot gerne einen Teil der Unterhaltungskosten tragen zu wollen.

Lambrecht machte Bedenken wegen des Lokales geltend.

Da die Lokalverhältnisse jedoch nicht für so schlimm anerkannt wurden und für ganz persönliche Bedürfniße [das war also das Hemmnis!] auch anderswo sehr häufig nicht einwandfreier gesorgt ist, wurde beschloßen in ca. 4-5 Wochen einen Versuch zu wagen. […]


Freitag, den 3. Mai 1912 15. Wochensitzung

Beginn 830 Uhr

Anwesend von Damen: Frau Dr. Behringer, Frau Beringer, Frau Dr. Eßlinger, Frau von Forster, Frau Dr. Heerwagen, Frau Krauß, Fr. Leidig, Frl. von Praun, Frau Dr. Reck, Frl. Runge, Frau Postdir. Schmidt, Frl. Schmidt, Frl. Schwarz I, Frl. Schwarz II, Frl. Stöcker I, Frl. Stöcker II, Frau Wießner.

Anw. von Herren: Beckh (Vorsitz), Dr. Behringer, O. Beringer, Börner, Eßlinger, v. Forster, Heerwagen, Leidig, Mertz, Ortsmann [sic] mit Neffen, von Praun, Reck, von Scheuerl [sic], Schmidt, Steller, Stöcker, Wießner.

[…] Frau Krauß brachte, mit Klavierbegleitung des Herrn Mertz, zwei Lieder „Der Freund“ von Hugo Wolf und „Nibelungen“ von Schilling. […]

Frau von Forster wurde seiner Zeit anläßlich des in Duisburg gefeierten 400jährigen Geburtstages des Geographen Merkator [sic] zur Fertigung eines Festspieles aufgefordert. […] Zwei in das Festspiel eingelagerte Lieder „Das Seemannslied“ u. „Studentenlied“ sind von hervorragendem poetischem Wert. […]

Frau Dr. Heerwagen erntete einen großen Heiterkeitserfolg durch die in ihrer heimatlichen Pfälzermundart unverfälscht wiedergegebene Erzählung Baraks „Warum Seiler auf keinen Studentenkommers mehr geht“.

Frau von Forster trug uns aus dem Gedächtnis ein Gedicht in sächsischer Mundart „Weiches D und hartes D“ u. eine Erzählung in schwäbischer Mundart „Die Feuerspritze“ vor. […]

[…] Die Abende mit Damen haben sich gleichfalls bewährt und dürften, wenn die dafür ausersehenen letzten Freitage im Monat strikt eingehalten werden, höchst wahrscheinlich einen noch regeren Besuch zeitigen. Auch persönlich haben sich die Damen durch Vorträge & Rezitationen beteiligt, u. z. Frau v. Forster 4x, Frau Consul Lambrecht, Fräul. v. Praun je 2x, Frau Dr. Heerwagen, Fräul. Schmidt je 1x, ferner Frau Krauß, durch einige Lesungsvorträge. […]




Außerordentliche Projekte


Zwei Arten von nicht alltäglichen Tätigkeiten des Blumenordens zielten auf die Öffentlichkeit: Veröffentlichungen von Vereins wegen und Gedenkfeiern. Eine der ersteren war der erwähnte III. Band von „Altes und Neues aus dem Pegnesischen Blumenorden“, 1897. Er hatte, einschließlich chronologischem Anhang, 320 Textseiten, und brachte im Kapitel „Prosa“ die Festrede Beckhs zum Jubiläum 1894, vier populärwissenschaftliche Aufsätze und drei eher poetische Texte; im Kapitel „Dichtungen“ 35 Titel von 22 Autoren, darunter Paul Heyse, Marie von Ebner-Eschenbach, Conrad Ferdinand Meyer, Peter Rosegger und Friedrich Spielhagen. Zum Zustandekommen ein paar Zitate aus Sitzungen:


20. W.V. Freitag den 7. Juni 1895

[…] Karte von Prof. Bischoff, worin er über seine Besprechung mit Dr. Burckhardt Weimar mittheilt, daß letzterer im nächsten Bande des „Alten u. Neuen“ 30 Briefe Harsdorfers [sic] an Herzog Fr. von Weimar, Präses der Fruchtbringenden Gesellschaft, veröffentlichen wird. […]


39. W.V. Freitag den 4. Dec. 1896

[…] Dr. Wilckens schreibt, daß er von einem Beitrag zu „Altem u. Neuen“ absehen müsse, ebenso auch Fontane für dießmal ablehne. […]


4. Wochenversammlung

[…] Es liefen verschiedene Dankschreiben über die jüngst an die Ehrenmitglieder versandten Exemplare von Altes u. Neues ein […] 8. Th. Fontane in Berlin


6. October 1899 31. Wochenversammlung

[…] Es wird beschloßen mit dem Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt/aM in Verbindung und Tauschverkehr zu treten & und ihm zu diesem Behufe unsere 3 Veröffentlichungen, sowie die Festschrift v. 1894 zu senden. […]


Ein weiterer Band dieser Reihe war offenbar angedacht gewesen; am 2. Februar 1906 stellt Beckh „den Antrag: Es möge in besonderen Fällen gestattet sein das Förster’sche Legat anzugreifen u. es dann wieder zurückzuzahlen. Es handelt sich im diesmaligen Falle um die Herstellung von ,Altes u. Neues’ welche größere Ausgaben verursacht.“ Stattdessen beanspruchten erst einmal andere Veröffentlichungen Vorrang: „Der Katalog der Ordensbücherei wird in diesem Jahre aller Voraussicht nach erscheinen können. Im Mskr. liegt er seit längerem vor.“ — „[…] Beckh gibt weiterhin bekannt, daß Hofbuchhändler Ackermann in München ein Verzeichnis der Mitglieder des P. Bl. O. erbeten hat. […] im Oktober soll er dann das inzwischen richtigzustellende und neuzudruckende erhalten. Zugrunde gelegt wird Lambrechts auf dem laufenden Stand erhaltenes Verzeichnis. Auflage 250.“ — „14. Wochenversammlung am 15. April 1898 […] Schmidt berichtet anschließend an das Protokoll über seine Arbeiten wegen des Mitgliederbuches und wird sowohl ihm, als auch Lambrecht der eine Privatarbeit gemacht hat, die zum Nachtrag des Mitgliedbuches sehr dienlich ist, und Frl. Schmidt, die ihren Vater in seinen Arbeiten unterstützt der Dank der Versammlung ausgesprochen. […]“ —  „[…] Die Mitgliederverzeichniße u. Satzungen des Ordens sind neu erschienen und zeichnen sich durch eine recht gefällige Ausstattung aus. Sie sollen, zugleich mit dem zweiten Teil des Winterprogramms, durch den Ordensdiener, den Mitgliedern zugestellt werden. […]“ Der Gedanke an ein richtiges Buch wurde aber noch nicht fallengelassen:


Montag, den 8. Dez. 1913

Gesamt-Vorstandssitzung bei Herrn Dr Chr. Behringer, Josefspl. 3. Beginn 5 ½ Uhr96

Einen ziemlich umfangreichen Meinungsaustausch zeitigte der Vorschlag des Vorsitzenden, den verstorbenen, hervorragenden Mitgliedern des Ordens ein literarisches Ehrendenkmal zu errichten, das in erster Linie dem Gedächtniße Schmidts und dem, weiter zurückgreifend, auch dem Geislers [sic], Knapps & Priems geweiht sein soll. […] Bezgl. des Umfangs und der Art der Buchausgabe wäre die Form von dem früher herausgegebenen „Altes und Neues“ die wünschenswertere, da darin, neben dem Andenken der zu Ehrenden auch noch manche sonstige, interessante Arbeit der Ordensmitglieder Platz finden könne. Sollten jedoch für eine solche Ausgabe nicht genügend Mittel verfügbar sein, so müße man sich eben mit einer kurzen Würdigung der literarisch zu ehrenden [sic], womöglich unter Beigabe einiger kurzen [sic] Dichtungen derselben begnügen. — Reicke vertrat die Ansicht, daß es kaum von weiterem Interesse für irgend Wen sein dürfte, langvergessene Personen, wie z.B. Priem literarisch auszugraben, um mit ihnen Propaganda für den Orden zu machen. […] Dr. Behringer macht darauf aufmerksam, daß durch eine Hervorhebung des Vergangenen man leicht zu einer Schädigung der Gegenwart komme […] Reicke gibt die Werbekraft von Veröffentlichungen in einer der Zeit angepaßten Ausarbeitung zu und glaubt in dieser Form eine Buchausgabe des Ordens empfehlen zu sollen.

Zusendungen gingen ein vom:

Alsabund Straßburg.

Deutsche Dichter Gedächtniß Stiftung, Hamburg, Großborstel.

Goethegesellschaft.

Deutsche Shakespearegesellschaft.

Verband der Deutschen Studenten in Prag.

Schwäbischer Schillerverein.

Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg.

Germanisches Museum p.p.

denen leider keine Gegengabe in Gestalt einer neuerlichen Veröffentlichung des Peg. Bl. Ord. gegenüber steht. […]


Damit war die Angelegenheit vor Ausbruch des Weltkriegs abgeschlossen.


Gedenktage bedeutender Dichter boten Gelegenheit, mit Feiern an die Öffentlichkeit zu treten.


37. Wochenversammlung am 26. Novembr. 1897

[…] Der Vorsitzende kommt dann kurz auf den Scheffelabend zu sprechen, den der Männergesang-Verein in Verbindung mit dem Blumenorden veranstaltete. Er berichtet daß in der dem Concert folgenden Zusammenkunft des Männergesangvereins von ihm, die im Jahre 1858 erfolgte Ernennung Scheffels zum Ehrenmitgliede des Ordens zur Sprache kam u. daß er den diesbezüglichen Dankbrief Scheffels sowie das von ihm verfaßte Sonett auf den Tod Scheffels verlas. […]


15. September 1899 28. Wochenversammlung

[…] Es wird beschloßen unsere nächste öffentliche Versammlung am 13. November abzuhalten und zu einer Goethefeier zu gestalten. Es soll dazu der große Adlersaal genommen werden. […]


Nürnberg, den 23. Januar 1900.

[…] der Schatzmeister hat einen Vorschuß von 376.65 d leisten müssen, um die Verbindlichkeiten des Ordens erfüllen zu können. Den Anlaß dazu gab die Veranstaltung einer Göthefeier durch den Orden, welcher im Voranschlag für das Jahr 1899 nicht vorgesehen war. […]


Ordentliche Hauptversammlung Freitag den 25. Januar 1901

Zur Feier des Geburtstages der Marie v. Ebner-Eschenbach sollte eine dramatische Arbeit derselben zur Aufführung kommen, als der Tod die Hauptdarstellerin Hedwig Meyer plötzlich und unerwartet abrief; die Feier unterblieb dann in dieser Form.


Nürnberg am 2. Februar 1905.

Bericht des Ausschusses des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg über die Rechnung im Jahre 1904.

[…] Er [Lambrecht] ist dabei von dem Bestreben ausgegangen, durch möglichste Beschränkung der Ausgaben für die übrigen Aufgaben des Ordens die Mittel für Veranstaltung einer würdigen Feier des Todestages von Friedrich von Schiller dem Orden zu sichern. Er bemerkt dabei in seinem Bericht, daß ihm bei Aufstellung des Voranschlags noch nicht bekannt gewesen sei, ob der Stadtmagistrat der von ihm ergangenen Anregung gemäß beabsichtige, von Seiten der Stadt eine größere Feier zu veranstalten. Diese Frage ist inzwischen in bejahendem Sinn entschieden worden; wenigstens hat Bürgermeister von Jaeger dem Obmann des Ausschusses [Kress] mündlich mitgeteilt, daß die Bildung eines Komités für diesen Zweck Seitens des Stadtmagistrats beschlossen sei. Es wird sich also fragen, ob der  Orden veranlaßt ist, trotzdem eine besondere Feier zu veranstalten oder etwa einen größeren Beitrag zu den Kosten der allgemeinen Feier zu leisten. […]


Freitag, den 24. Februar 1905    7. Wochenversammlung

[…] Beckh berichtet über die am 23. d. Mts. vom städtischen Schillerkomitee gepflogenen Verhandlungen. Man sehe von einer großen gemeinsamen Abendfeier ab, dafür sollen in etwa 4-6 verschiedenen Lokalen, die einzelnen Vereinigungen besondere Feiern veranstalten. So werde also der Orden im Goldenen Adler tagen. Die Festrede wird, wie längst verabredet, Keller halten, und die gesamte Ordensleitung erhält auf Steller’s Vorschlag den Auftrag bis Freitag, den 10. März — also in 14 Tagen — das weitere Programm auszuarbeiten und der Versammlung vorzulegen. Offen bleibt noch die Frage, ob die Feier in Form eines Sesselkonzerts oder eines Bankettes gehalten werden soll; darüber, wie über sonstige Fragen bezüglich der Anordnung des Festabends wird Beckh noch weitere Rücksprache mit dem Schillerkomitee pflegen. […]


Freitag den 10. März 05    9. Wochenversammlung

[…] Dr. Oertel verliest das Protokoll der letzten Ausschußsitzung, die sich mit der Schillerfeier beschäftigt u. das Programm für die Feier im Adlersaal festsetzte. Steller, der als Dichter des Prologs und vielleicht auch des Epilogs in Aussicht genommen ist, schüttelt gedankenschwer das Haupt und äußert allerhand Bedenken, sowohl über den Prolog, als auch über die Dauer der Festrede, die ihn zu lang bedünkt u. über die lebenden Bilder, die für ihn ein unkünstlerisches Unternehmen bedeuten. Eine lange Debatte, die sich nun entspinnt, führt zu dem Schluß, daß alles so bleiben soll wie es verabredet wurde u. daß Steller gebeten wird, nochmals über den Prolog nachzudenken u. am nächsten Freitag seine Erklärung abzugeben. Beckh teilt noch mit, daß dem Orden für das Fest eine Schillerbüste von der Stadt zur Verfügung gestellt wird. […]


Freitag, den 17. März 1905    10. Wochenversammlung

[…] Steller hatte zur Bekräftigung u. zur Erweiterung seiner letzten Meinungsäußerungen über das Unkünstlerische des lebenden Bildes, an den Vorsitzenden ein längeres Schreiben gelangen lassen, in welchem er durch Schiller selbst u. durch Auszüge aus seinen ästhetischen Briefen über das Wesen der Kunst, sowie durch Äußerungen des Philosophen Eduard von Hartmann, den Nachweis liefert daß seine letzten Behauptungen berechtigt waren u. daß er es als seine Pflicht als Ordensmitglied betrachte, die Idee der lebenden Bilder bei der Schillerfeier zu bekämpfen.

Nach seiner Meinung soll Schiller selbst an diesem Abende mehr „zu Worte kommen“; der gute Vortrag der letzten Scene aus Demetrius lasse ihm beispielsweise gerne 12 lebende Bilder entbehrlich erscheinen.

Geißler’s und Beringer’s Begeisterung für die lebenden Bilder hat sich auch mittlerweile um verschiedene Grade abgekühlt, wenn sie auch mit den schroffen Urteil Steller’s nicht einig gehen. Beringer ist der Meinung, daß ein glücklich gruppiertes lebendes Bild, das durch verständnisvolle Darsteller u. schöne Costümierung unterstützt wird, eben doch auch vielen Besuchern einen hohen Genuß bereiten würde u. nicht so ohne weiteres zu verwerfen sei. […]

Am Schlusse der langen Beratung […] einigte man sich dahin, besonders auch wegen der hohen Kosten, die lebenden Bilder sterben zu lassen. Eine dramatisch bewegte Apotheose wird den Schluß der Feier bilden. […]


Freitag den 24. März 1905    11. Wochenversammlung

 […] Nach Prof. Schwabe’s Vorschlag soll außer den huldigenden Frauengestalten auch ein alter Harfner u. ein Schäferpaar, letzteres den Orden verkörpernd mit in die Darstellung aufgenommen werden. Das Proscenium soll in der Art eines antiken Tempelbaues gehalten sein.

Die Tafelrunde ist einstimmig der Ansicht, daß das Schäferpaar besser wegbleibt, da die Schillerfeier nicht eine direkte Feier des Ordens ist u. daß der alte Harfner, wegen der leichten Verwechslung mit dem Göthe’schen Harfner, in einen jungen umgewandelt werden müsse. […]


Freitag den 31. März 1905    12. Wochenversammlung

[…] Für die Schillerfeier meldet sich Börner, der die Anregung bringt bei der Apotheose die neun Musen um Schiller zu gruppieren. Diesem Vorschlag stellen sich jedoch schwerwiegende Hindernisse entgegen. Sehr gut gefallen Börner’s eigene Verse, die er sich nach Art der Dithyrambe, am Schlusse der Apotheose gesungen, gedacht hat.

[…] Dr. Beckh teilt mit, daß das Quintett nun endgiltig gesichert ist; es wird zwei kurze Sätze aus einem Mozart’schen Quintett zum Vortrag bringen.


Freitag den 5. Mai 1905    16. Wochenversammlung

[…] Beckh teilt mit, daß die Vorstandschaft des Ordens zur Grundsteinlegung des Schillerdenkmals im Stadtpark u. zu dem sich anschließenden Festfrühschoppen eingeladen ist und bittet die Herren, sich recht zahlreich einzufinden. […]


Freitag den 26. Mai 1905    19. Wochenversammlung

[…] Vom Stadtmagistrat ist ein Dankschreiben eingelaufen, in welchem er sich für die gelungene Durchführung der Schillerfeier im „Adler“ bedankt. […]


Freitag, den 9. Juni 1905    21. Wochenversammlung

[…] die photographische Aufnahme der Schiller-Apotheose ist wenig gelungen, da sich — was die Sprecherin des Epilogs, Frln. Hering, betrifft — die Gruppierung als fehlerhaft erwies. Geißler erhält den Auftrag, der Büste Schillers, deren Züge zu unklar sind, durch Retouche nachzuhelfen.


Freitag, den 16. Juni 1905    22. Wochenversammlung

[…] Geißler berichtet, der Photograph Mattkes habe die Retouche der Schillerbüste in der photographischen Aufnahme der Apotheose selbst übernommen.

Den Blumenorden ging ein weiterer Gedenktag unmittelbar an:


Freitag 1. November 1907    32. Wochenversammlung

[…] Zur bevorstehenden Harsdörferfeier ist bereits eine Reihe von Zuschriften eingelaufen, so von Günter Saalfeld, Seminardirektor Reber, Detlev von Liliencron, Regierungspräsident von Welser, Bürgermeister von Schuh, u.a. […]

Am 1. November dieses Jahres waren es 300 Jahre, daß der Gründer und I. Präses unseres Blumenordens Gg. Ph. Harsdörfer geboren war u. der Blumenorden wollte es nicht versäumen die Erinnerung an diesen Tag festlich zu begehen. In den Räumen [darüber geschrieben: „einem“] des germanischen Museums fand in der Zeit vom 1. – 20. November eine kleine, aber hochinteressante Ausstellung statt, welche Schriften, Bilder, Bücher u. Münzen die auf Harsdörfer u. die Ordensgründung Bezug haben, enthielt, welche dem Ordensarchiv, der Stadtbibliothek, dem germ. Museum u. anderen Instituten u. Besitzen [sic] entnommen waren. — Herrn Direktor Dr. v. Bezold u. seinen Beamten sei auch an dieser Stelle nochmals der ergebenste Dank für ihre Mühewaltung ausgesprochen.


Aus  einem wegen seiner Komplexität ausgesetzten Irrhainspiel wurde eine gesonderte Theateraufführung:


Freitag den 19. April 1907    14. Wochenversammlung

[…] Beckh teilt sodann mit, daß das Schneider’sche Irrhainfestspiel [„Irrungen im Irrhain“] nach weiteren Prüfungen im Ordenskreise dieselbe Beurteilung gefunden hat, wie sie schon in der Tafelrunde laut wurde. Auch hier  wird die vorzüglich gelungene Arbeit gerühmt, aber auch auf die Schwierigkeiten hingewiesen die die Aufführung verursachen würde.


Freitag 15. November 1907    33. Wochensitzung

[…] Der Vorsitzende gibt sodann bekannt, daß […] man daran denken dürfte in diesem Winter das hübsche, ursprünglich für das Irrhainfest bestimmte Schauspiel Max Schneiders aufzuführen.


Freitag, den 9. Oktober 1908    30. Wochenversammlung

[…] Der Präses teilt mit, daß ihm von einem kunstsinnigen Herrn des Ordens die Summe von 100 M. für die Aufführung des Stückes von Max Schneider zur Verfügung gestellt worden sei. Es wird die Hoffnung ausgesprochen, daß die für den neuen vom Verfasser hinzugedichteten Schlußchor nötigen Sängerinnen sowie die Kostüme für diese vom hiesigen Stadttheater erhältlich seien. Es besteht große Stimmung und Lust die Aufführung des graziösen Werkchens zu ermöglichen; freilich erregt der Kostenvoranschlag (500 M.) wieder sorgenvolles Bedenken und soll die Rückkehr des Schatzmeisters abgewartet werden. […]


Freitag, den 27. November 1908    37. Wochenversammlung

[…] Der Vorsitzende macht sodann die erfreuliche Mitteilung, daß die Aufführung des Schneider-Kroder’schen Schäferspieles am 16. Dezemb. im Adlersaal gesichert ist, da sich noch eine edle Stifterin gefunden hat, deren Name aber nicht genannt werden soll. […]


Freitag, den 8. Januar 1909    1. Wochenversammlung

[…] der Vorsitzende eröffnet die erste Wochenversammlung  […] u. bezeichnet die erste „Tat“ des Ordens in diesem Jahre, das am letzten Montag aufgeführte Schneider-Kroder’sche Schäferspiel als eine in allen Teilen wohlgelungene Veranstaltung, über die nur eine Stimme des Lobes herrscht. […] Der Vorsitzende bringt sodann verschiedene Zuschriften, die zum Schäferspielabend eingelaufen waren zur Verlesung, so von Dr. Kroder, Oberbürgermeister v. Schuh, Bürgermeister v. Jäger, Dr. Bartsch u. Andern. […] Die beifällige Aufnahme die das Schäferspiel am letzten Montag gefunden hat veranlaßt Beringer zu der Anregung jedes Jahr im Winter vor einem größeren Publikum eine ähnliche Aufführung zu inscenieren, sei das nun ein Sing- oder Märchenspiel, ein Lust- oder Schauspiel. Die im „Adler“ stattfindenden Vortragsabende wären vielleicht mit wenigen Ausnahmen in die „Blume“ zu verlegen. Beringer erhofft durch diese Programmänderung eine Hebung des Mitgliederstandes, sowie ein gesteigertes Interesse des Einzelnen. […]


Einen weiteren Anlaß bot Johann Konrad Grübel, doch dabei trat man etwas kürzer:


Freitag den 19. März 1909    Öffentliche Versammlung im „Adler“

[…] Der nun folgende Teil des Abends war dem Andenken Grübel’s gewidmet, dessen Todestag sich vor wenigen Tagen, am 8. März dieses Jahres, zum hundertsten Male gejährt hatte. Auch die Beziehungen Grübels zum Blumenorden, dem er freilich nur 4 Monate angehört hatte, wurden kurz gestreift. Diesen Worten des Ordensvorsitzenden schlossen sich die Vorträge Grübel’scher Gedichte durch Fräulein Maria Lorsch u. Herrn Karl Preis an. Fräulein Lorsch brachte die Gedichte „Doktor u. Bauer“ und „Der Käfer“ zum Vortrag. Herr Preis erfreute durch den meisterhaften Vortrag dreier Gedichte „Der Peter in der Fremde“ — „Der Bauer und sei Bou“ und „Der Gasbuck u. die Toutenbah“ von denen besonders das letztere schallende Heiterkeit „im ganzen Hause“ auslöste. […]


Und noch einmal Schiller! Allmählich wird es dem Orden zu kostspielig:


Freitag den 8. Oktober 1909    26. Wochenversammlung

[…] Lambrecht befürwortet mit einem Hinweis auf die, an einem chronischen Markleiden darniederliegende Ordenskasse ein gemeinschaftliches Abendessen nach der Feier [zu Schillers 150jährigem Geburtstag], da dadurch die Saalmiete eingespart werden könnte. Teils dieserhalb, teils außerdem wird dieses Essen auch beschlossen. […]


Freitag den 19. November 1909    32. Wochenversammlung

[…] Herr Commerzienrat Grasser hat dem Ordensvorsitzenden eine silberne Schiller-Gedenkmünze überschickt, die dieser gegen die von Lambrecht gestiftete broncene Münze zu Gunsten des Ordens austauscht. […] Von Steller sind zwei Schreiben an den Orden eingelaufen. In dem einen Schreiben drückt er sein Bedauern darüber aus, daß der Orden bei der Enthüllung des Schiller-Denkmals nicht offiziell vertreten war u. keinen Kranz am Denkmal niederlegte. Zu gleicher Zeit stellt er den Antrag den Stifter des Schillerdenkmals Herrn Commerzienrat Grasser zum Ehrenmitglied des Blumenordens zu ernennen.

Glanz und Elend des Mitgliederbestandes


Derartige Auftritte des Ordens in der Öffentlichkeit führten zwar im günstigsten Fall zu einem Prestigezuwachs, nicht aber zu einem Mitgliederzuwachs, und den hätte man zur Finanzierung besonderer Projekte je später desto dringender nötig gehabt. Bemerkenswert sind einerseits die Versuche, dem abzuhelfen, andererseits sind es die internen Jubelfeiern und besonderen Gratulationen, wenn ein verdientes Mitglied zu einer Ehrung anstand. Es konnte dabei leicht vergessen werden, daß seit dem gewaltigen Anstieg der Mitgliederzahl aufgrund der Vereinigung mit dem Literarischen Verein (1874) die Tendenz abwärts zeigte.

Nach dem glanzvollen Auftritt des Blumenordens beim Jubiläum lag es nahe, daß man sich weitere Mitglieder sorgfältiger heraussuchen könne: „Dr. Beckh betont, daß bei Neu-Aufnahmen jetzt mehr Gewicht auf liter. Thätigkeit und Befähigung Rücksicht genommen werden solle.“ Seine eigene Erhöhung paßte gut in dieses angestrebte Niveau: „[…] Schmidt bringt den zu Hofräten ernannten Dr. Beckh u. Dr. Heller seine und des Ordens Glückwünsche dar, beide Herren danken in bewegten Worten. […]“ Sofort aber werden Neuaufnahmen vorgenommen, die den guten Vorsätzen nicht so recht entsprechen:


[…] Vorgeschlagen werden:

durch Beckh: Herr Schauspieler Fambach, der schon als im Vorjahr angemeldet betrachtet sein soll, […]

durch Herrn Justizrat v. Kreß: Rechtsanwalt Goldmann

durch Herrn Postm. Schmidt: Reallehrer Langbein

durch Herrn Konsul Knapp: Ziegeleibes.[itzer] Phil. Hauck in Vach,

über welche nächsten Freitag abgestimmt werden wird.


Es muß schnell klar geworden sein, daß man sich nicht auf Prominente beschränken konnte; und bei durchschnittlichen Neumitgliedern konnte man ja nicht gut eine Prüfung über literarische Kenntnisse und Fähigkeiten abhalten. Der Mitgliederbestand war 1895/96 jedenfalls imponierend: 30 Ehrenmitglieder, 19 Mitglieder im Schriftverkehr, 171 ordentliche Mitglieder.


Vergessen war die Suche nach literarisch tätigen Mitgliedern allerdings nicht:


Außerordentliche Haupt-Versammlung Freitag 19. Februar 1897

[13 Teilnehmer, Tagesordnung: „Ernennung von Ehrenmitgliedern“]

Der Vorsitzende gibt nun bekannt, daß von Seiten des Ausschusses Hofrat Maxm. Schmidt in München wegen seiner Verdienste um bayr. Volksliteratur vorgeschlagen sei und fügt bei, daß er beantrage auch den Nestor der schwäbischen Dichterschule Prof. J. G. Fischer in Stuttgart, diesen vortrefflichen Menschen und Dichter, der mit prophetischem Geiste in seinem Gedichte „Nur Einen Mann aus Millionen“ den Einheitsgedanken des deutschen Reichs & dessen Erfüllung besang, in die Zahl der Ehrenmitglieder aufzunehmen.

Es wird freudig zugestimmt und sind die Obigen als Ehrenmitglieder des Ordens aufgenommen. […]


Man muß jedoch zugestehen, daß damit der neueren Entwicklung der Literatur nicht Rechnung getragen war.


Austritte gab es auch, zum Teil wegen Wegzugs, zum Teil von Alters wegen; was unangenehm berührte, war ein oder anderer Austritt im Unfrieden. Die im vorigen Buch schon geschilderte ehrpusselige Affäre um eine Bemerkung, die Fuhse bei der Aufnahme eines Dr. Goetze über Genée gemacht hatte (dieser nahm es nicht schwer und wollte besänftigen, aber Mummenhoff nahm es um so krummer), hatte zur Drohung Mummenhoffs geführt, auszutreten; dies war scheinbar beigelegt worden, aber:


1. W.V. Freitag 8. Januar 1897115

[…] Abgemeldet haben sich Dr. Franz Fuhse und Archivar Mummenhoff was lebhaftes Bedauern hervorruft; […] derselbe [Bernhold] legt ferner die Frage vor, ob der Austritt des Hr. Archivars Mummenhoff keine Schwierigkeiten wegen der Bibliothek u. des Archivs zur Folge hat, was Knapp entschieden verneint.


Mit dem bedeutenden Herrn Mummenhoff war offenbar nicht gut Kirschen essen.


Freitag den 7. Oktober 1904    30. Wochenversammlung

[…] Sodann verliest Dr. Beckh einen sehr umfangreichen Brief Mummenhoffs, der sich in ziemlich deutlicher Sprache mit der, in letzter Sitzung schon besprochenen Archivangelegenheit befaßt. Auf Grund des Vertrages zwischen dem städt. Archiv u. dem Orden, dürfen nämlich die pegnesischen Archivalien von Niemandem dem Archiv entnommen werden; die Durchsicht derselben hat stets an Ort u. Stelle zu erfolgen. Gegen diesen Paragraphen, an den sich freilich keiner der Herren der Tafelrunde mehr erinnert hatte, hat der II. Vorsitzende, natürlich ohne jede schlimme Absicht, insoferne verstoßen, als er sich die Akten für seinen Aufsatz über den Prozeß der Birken’schen Leopoldskette von Dr. Reicke aushändigen ließ, die er auch unverzüglich, sogar ohne Leihschein, ausgehändigt erhielt. Archivrat Mummenhoff verweist nun mit eisernem Zeigefinger auf diesen Paragraphen u. verlangt „Respekt vor den Gesetzen“. […]


Freitag den 15. November 1912    33. Wochenversammlung

[…] Brügel gibt einen, schon in der letzten Versammlung vertraulich besprochenen, Zusammenstoß mit Herrn Archivrat Mummenhoff auf Grund seiner schriftlichen Niederlegung des Vorfalls bekannt, & erklärt die von ihm bis jetzt betätigte Ordnung des Archives & die Durchsicht der Correkturbogen des Cataloges so lange unterlassen zu müssen, bis ihm von Seiten des Herrn Archivrates Mummenhoff Genugtuung geworden sei.

An die von Brügel in seinem am 6. Nov. gehaltenen Vortrag [über Zierlichkeit der Sprache bei Birken et. al.] scherzweise gebrauchte Äußerung, da ihm der Transport der Urkunden, Bilder p.p. in den Adler zu schwer geworden sei und er sich deshalb eines, ihm zuvor unbekannten, aber Vertrauen erweckenden jungen Mannes, als Hilfskraft, bedient habe, anknüpfend, warf Mummenhoff, Brügel, laut dessen Bericht, in Anwesenheit des Archivpersonals ein bedachtloses Umgehen mit den, seinem Archiv anvertrauten u. ohne seine spezielle Erlaubnis herausgeholten Urkunden p.p. in einer Weise u. einem Tone, ohne jeden Schein irgend einer Berechtigung vor, die Brügel, selbst bei der nachsichtigsten Beurteilung dieses Vorgehens als Beleidigung empfand; umsomehr, als er sich bei jeder Herausnahme einer Urkunde erst der Zustimmung Mummenhoffs versichert hatte. […]


Und, im Vorgriff auf die Zeit nach dem 1. Weltkrieg, die letzte Erwähnung Mummenhoffs im Zusammenhang mit der Ausleihe von Büchern aus der Ordensbibliothek, die in der Stadtbibliothek eingestellt worden war:


Der Ansicht Stellers, daß viele Mitglieder durch die Persönlichkeit des Herrn Archivrats Mummenhoff abgehalten würden die Stadtbibliothek aufzusuchen hielt Reicke entgegen, daß Mummenhoff sich um den Verkehr mit der Bibliothek in keiner Weise kümmere […]


Emil Reicke war kein minder bedeutender Amtsträger und Gelehrter. Seine „Geschichte der Reichsstadt Nürnberg von dem ersten urkundlichen Nachweis ihres Bestehens bis zu ihrem Uebergang an das Königreich Bayern“   (Nürnberg bei J. P. Raw, 1896 — 1078 Seiten) kann als Standardwerk betrachtet werden und wurde noch 1983 von dem Mitglied des Blumenordens Gerhard Hirschmann erneut herausgebracht. Im Jahre 1907 wurde er in das Kontrollgremium, den „Ausschuß“, einstimmig gewählt. An den Debatten, die sich mit dem Problem mangelnder Beteiligung innerhalb des Ordens und mangelnder Außenwirkung befaßten, nahm er regen Anteil.


Freitag 15. November 1907    33. Wochensitzung

[…] Beckh kommt sodann auf die Ausgestaltung unserer Wochensitzungen und Monatsversammlungen im Allgemeinen zu sprechen. Er gibt zu, daß dem Orden etwas mehr Leben u. Frische nichts schaden dürfte und wünscht vor allem eine regere Betätigung des Einzelnen. […] Dr. Reicke erhofft sich von sogenannten Serienvorträgen über ein literarisches oder allgemein interessierendes Thema gute Erfolge. v. Kreß glaubt, daß diese Serienvorträge nicht die erhoffte Unterstützung finden werden. v. Bezold verlangt eine Kräftigung des Ordens von Innen heraus; er glaubt, daß der Orden im Kreise seiner Mitglieder, seiner correspondierenden u. Ehrenmitglieder genügende Kräfte besitzt, die nur geweckt werden dürfen. […]


Selber ging er mit gutem Beispiel voran:


Freitag den 8. Dezember 1911    38. Wochenversammlung

[…] Unser Ausschußmitglied Dr. Reicke hat seinen vor Jahresfrist im Blumenorden gehaltenen Vortrag über Malwida von Meysenbug noch weiter ausgearbeitet u. im Druck erscheinen lassen. Er macht der Bücherei des Ordens ein Exemplar zum Geschenk, für das ihm schriftlich gedankt werden soll. Das Buch enthält eine Anzahl Bildnisse der interessanten Frau in verschiedenen Lebensstufen, sowie Bilder von Zeitgenossen, die ihren vielgestaltigen Lebensweg gekreuzt haben. […darunter Nietzsche…]


Als es darum ging, durch eine Erhöhung des Mitgliedsbeitrags den Niedergang der Finanzen umzukehren, kam Reicke in der Aussprache über die somit notwendig gewordene Satzungsänderung mehrfach mit Vorschlägen zu Wort:


Außerordentliche Hauptversammlung am 7. März 1913.

[13 Anwesende]

Die laut nachstehenden Protokolls beschlossene Satzungsänderung (Mitgliederbeitrag betr.) wurde heute ins Vereinsregister eingetragen.

Nürnberg, 10. Januar 1914. K. Amtsgericht. [unleserliche Unterschrift, Stempel]

[…] Von Wießner liegen folgende Anträge vor:

I. Erhöhung der Mitgliederbeiträge.

II. Aufhebung der Öffentlichkeit der Ordensveranstaltungen im Adlersaal p.p.

III. Den Vorsitzenden zu ermächtigen das für die Freitagstafelrunde einlaufende Geschäftliche in eigener Machtvollkommenheit zu erledigen p.p.

[…] Lambrecht erklärt sich für Erhöhung der Mitgliederbeiträge von M 8.00 auf M 10.00, ab 1. Jan. 1914. Er erklärt es für unmöglich, den vielseitigen Anforderungen des Ordens mit dem geringen Budget, welches so und so oft überschritten werde, zurechtkommen zu können und führt als Beispiel den Gerh. Hauptmann-Abend an, der zwar als kostenloser Abend gedacht gewesen sei, in Wirklichkeit aber M 90.00 Extraausgaben verursacht habe.

Reicke ist gegen die Erhöhung mit der Begründung, daß dadurch der Beitritt von neuen Mitgliedern hintangehalten werde. […]

Oettinger spricht für Erhöhung. Er führt an, daß viele Familien jährlich wesentlich mehr für Bücher und Leihbibliotheken ausgeben, als M 10.00 und, mit dem einmal fertiggestellten Katalog an der Hand, dieses, durch Entnahme ihres Lesebedarfs aus der Ordensbibliothek einsparen könnten. Reicke meint, […] die Bücher der Stadtbibliothek seien alle unentgeldlich [sic] zu haben […] Falls eine Beitragserhöhung eintreten solle, rege er, als Aequivalent dafür, die Wiedereinführung der Lesemappe an.

[Lambrecht weist nach, daß der Lesezirkel den Orden mehr kosten würde als durch die Beitragserhöhung hereinkommt, worauf Reicke eine Erhöhung auf 12 Mark vorschlägt. v. Bezold bezeichnet einen Lesezirkel als geeignet für eine kleinere Stadt; in einer Großstadt sei er etwas Altväterisches.]

[Lösch:] Sein Endvorschlag ist, der Orden möge sich nach der Decke strecken u. event. die öffentlichen Vorträge eingehen laßen.

[Mit 10 gegen 3 Stimmen angenommen:] Der Beitrag für das ordentliche Mitglied des Peg. Blo. beträgt ab 1. Januar 1914 M. 10.00 pro Jahr.

[Wießners schriftlicher Antrag II:]

„Der letzte öffentliche Abend hat wiederum gezeigt, daß der Peg. Blord. nicht im stande ist, eine größere Zahl Außenstehender zu seinen Vorträgen heranzuziehen. Wenn es uns nicht einmal gelingt, durch  den allerorts so gern gehörten Redner Prof. Dr. Rée einen gefüllten Saal zu erzielen, dann wird dies bei weniger bekannten Rednern erst recht unmöglich sein. Der so helle klingende Name des Peg. Blo. verliert an Klang, wenn ein Außenstehender, der sich in solche eine öffentliche Versammlung verirrt, solch gähnende Leere vorfindet. Dem müßen wir unbedingt ausweichen. Darum mein Antrag, unsere Abende nicht mehr als öffentliche bekannt zu geben. Um eine größere Hörerzahl heran zu ziehen wäre es vielleicht angebracht, zu jedem Abend besondere Einladungen ergehen zu laßen und jeder Einladung eine Anzahl Karten beizufügen. Es ist mir wiederholt gesagt worden, daß man, mit einem Ausweiß versehen, diesen oder jenen Vortrag gern besucht hätte.“

[…] Schmidt meint, wenn man die öffentlichen Abende aufhören und zugleich eine Erhöhung der Beiträge eintreten laße, dieses ein doppeltes Armuthszeugniß für den Orden bedeute. Das Irrhainfest allein als Darbietung für die Mitglieder sei entschieden zu wenig. […]

Reicke möchte den Besuch des Prof. Dr. Rée’schen Vortrages schon aus dem Grunde nicht als Maßstab angewendet wissen, weil Rée den gleichen Vortrag erst vierzehn Tage vorher, vor einem sehr großen Publikum, ebenfalls unentgeldlich gehalten […] Reicke macht den Vorschlag es event. einmal mit Vorträgen bei Bier zu probieren. [Das kann ja nur ironisch gemeint gewesen sein; obwohl: Auch zu unseren Zeiten sind diejenigen Vernissagen, Vorträge und Lesungen besser besucht, bei denen es ein Buffet oder wenigstens einen Getränkestand gibt.…]

Antrag III lautet: „Die Hauptversammlung wolle dem jeweiligen Vorsitzenden das Recht einräumen, die geschäftlichen Sachen aus eigener Machtvollkommenheit zu erledigen, sodaß es ermöglicht wird unsere Abende ganz der Litteratur zu widmen.“

Beckh lehnt diese Aufgabe als zu weitführend und zu verantwortungsvoll ab.

Lambrecht macht den Vorschlag, pünktlicher, event. um 8 Uhr die Sitzungen zu beginnen, dann bliebe Zeit genug für den litterarischen Teil übrig.

Wießner erweitert seinen Antrag dahin, es dem Vorsitzenden anheimzustellen sich die nötigen Hilfskräfte zur Erledigung des Geschäftlichen aus den Herren der weiteren Vorstandschaft oder des Ausschußes beizuziehen.

[…] Heerwagen macht darauf aufmerksam, daß die Tafelrunde gewöhnlich, mit ganz vereinzelten Ausnahmen, nur aus Vorstandsmitgliedern zusammengesetzt ist, und sich dadurch an der jetzigen Handhabung wenig wird ändern laßen. […]

Dr. Behringer machte, von Beckh und Lambrecht sekundiert, alsdann noch den Vorschlag, durch Referate sowohl über angekaufte, wie auch über extra zu diesem Zweck von Zeiser verlangte Bücher die Abende etwas mehr zu beleben, womit sich die Versammlung gerne einverstanden erklärte.

Schluß 10 ¼


Schriftführer war an diesem Abend Otto Börner, der im Unterschied zu Oskar Beringer und Dr. Heinrich Heerwagen (einem Konservator des Germanischen Nationalmuseums) wieder in deutscher Kurrentschrift und mit etwas älterer Orthographie schrieb.

Nun war es ja nicht so, daß bis dahin keine Referate über interessante Neuerscheinungen stattgefunden hätten! So referierte z.B. am 8. Februar 1895 Victor Scharrer über „Das blaue Buch“ von Leo Tolstoi sowie „Meister Olaf“ von Strindberg. Die Zahl derjenigen Mitglieder, die solche Beiträge lieferten, war keineswegs auf die Vorstands- und Ausschußmitglieder und Ordensräte beschränkt.


Haupt-Versammlung Freitag den 31. Jan. 1896

An den wöchentlichen Versammlungen betheiligten sich theils durch eigene, theils durch Vorträge fremder Arbeiten

Dr. Beckh 30. Schmidt 8. Geißler 3. Schrodt 11. Knapp 18. Tafel 1. Dr. Heller 3. Bernhold 6. Dittmar 12. Wiemer 5. Hering 3. Geck 18. Brügel 4. Lambrecht 2. Dr. Fuhse 2. Reusch 2. Beringer 5. Graf 6. Seyfried 3. Greiner 1. Fambach 2. Stepp 1. Lehmann 1. Müller 1.

Außerdem wurden zahlreiche Referate über durch die Raw’sche Buchhandlung gütigst zur Ansicht und Besprechung gesandte Neuigkeiten des Büchermarktes geliefert. […]


In der Hauptversammlung vom 28. Januar 1898 wurde sogar die „Abhaltung von Diskussionsabenden“ ins Auge gefaßt, anscheinend wurde der Gedanke aber nicht weiter verfolgt, weil man in der Freitagsrunde ohnehin genug zu diskutieren hatte. Öffentliche Abende dieser Art traute man sich und den Zufallsteilnehmern wohl nicht zu, und die Podiumsdiskussion war noch nicht recht ins öffentliche Leben eingeführt. Dorthin den Weg gewiesen zu haben, hätte dem Blumenorden jedoch gutgetan. Diese Chance wurde verpaßt.


Das Hin und Her zwischen vorurteilsfreier Neugier auf das Neueste und historischer Rückbesinnung, Modernität und Klassizismus, zeigen einige ausgewählte Veranstaltungsnotizen:


10. Wochenversammlung 11. Maerz 1898

[…] Bernhold liest, nachdem sich die Zuhörer nun wesentlich vermehrt haben, noch weitere Gedichte Bierbaums vor, die gut gefielen. Beringer theilt mit, daß Irmtraud Possart am 28. Maerz c. hierher komme, um zu Gunsten des katholischen Kirchenbauvereins einen VortragsAbend zu veranstalten, zu dem ausschließlich Schiller’sche Gedichte ausgewählt sind. […] Um 10.20 übernimmt Beckh den Vorsitz und legt ein Buch vor, das sämmtliche Mitglieder des Ordens von seinem Anbeginn enthält. Da dasselbe aber nur bis 1874 nachgetragen, so erklärt sich Schmidt bereit, soweit dies möglich, dasselbe bis in die neueste Zeit zu ergänzen.


Zur 11. Wochenversammlung am 18. Maerz 1898

[…] Der Vorsitzende erwähnt zum Schluß aus dem neuesten Hefte der „Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg“ einen Aufsatz von Dr. Hampe über die Geschichte des Theaterwesens um 1649, der namentlich auch für die Geschichte des Ordens von großem Intereße ist.


16. Wochenversammlung am 29. April 1898

[…] Beringer zeigt eine an ihn gerichtete Karte mit Gruß an unseren Orden von W. Graf z. Zt. in Konstanz. Diese Karte trägt außerdem die Unterschriften bekannter „Moderner“ darunter Carl Henckell aus Zürich & Panizza. [Man konnte kaum einen Skandalautor benennen, der mehr Furore wegen Majestätsbeleidigung und Blasphemie gemacht hätte als Oskar Panizza. …]


4. November 1898 35. Wochenversammlung

[…] Es ist Stimmung vorhanden, daß eine Reihe der jetzt circulirenden Zeitschriften durch neue ersetzt werden sollen. […]


20. April 1900 13. Wochenversammlung

[…] Wingenroth der mehrere Jahre nach Freiburg c/B geht ist heute das letzte Mal anwesend und spricht Beckh einige Abschiedsworte. Wingenroth hat stets viel Anregung gebracht und wird sehr in den Freitagsrunden vermißt werden. […] Wingenroth bespricht Houston Steward Chamberlain Die Grundlage des XIX Jahrhunderts ein außerordentlich interessantes Buch und liest daraus einen Theil vor. […]


Trotz der „bunten Mischung“ — irgendwann lief sich der Betrieb tot, man wußte aber nicht, wieso und glaubte, gutes Zureden werde schon helfen:


Bericht des Schriftführers zur ordentlichen Hauptversammlung am 31. Jan. 1902

Das Jahr 1901, das 257. seit dem Bestehen des Ordens verlief in ruhigen Bahnen, ohne Ereignisse größerer Bedeutung, jedoch in emsiger Arbeit. [Es hat kein Familienabend stattgefunden, auch keine Gedenkfeier. …] Ein Wunsch sei zum Schlusse an dieser Stelle nicht unterdrückt, der Wunsch nach regerem Besuch der Freitagssitzungen. Es macht sicherlich Niemanden [sic] Freude, vor leeren Bänken Dinge zu behandeln, deren Studium und Vorarbeit oftmals viel Zeit und Mühe gekostet haben.


8. Januar 1904

[…] Unter dem Einlauf befanden sich zwei Austrittserklärungen und zwar von Prof. Blaufuß & Ferd. Wendriner. […] Beckh teilt mit, daß sich Profeßor Ree bereiterklärt hat, am nächsten Familienabend unter Vorführung von Lichtbildern über Ludwig Richter zu sprechen. […]


Man möchte ja, unter der Annahme, daß „Wendriner“, wie in Tucholskys Geschichten, der Name eines jüdischen Mitbürgers ist, beinahe hoffen, daß er bloß aus Langeweile aus dem Orden austrat und kein antisemitischer Hintergrund zu argwöhnen sei. Dagegen spricht auch die Anfrage an Paul Rée, dessen jüdische Herkunft kein Geheimnis war, ob er nicht einen Vortrag halten wolle.

„Unter Vorführung von Lichtbildern“! (Damals selbstverständlich noch schwarz-weiße Dias.) Den Mitgliedern wurde schon etwas geboten. An jenem 8. Januar 1904 war übrigens der Raum weihnachtlich geschmückt mit einem kleinen Christbaum auf dem Tisch, und Wieser (der Mann von der  Raabe-Gesellschaft!) hatte kleine Geschenke vorbereitet, die gegen Ende der Versammlung verlost wurden. Dies war der Beginn der später zu feststehenden Programmhöhepunkten des Pegnesenjahres gewordenen Adventsfeiern.


Freitag den 6. Januar 1905    I. Wochenversammlung

[…] Die fröhliche u. stimmungsvolle Weihnachtsfeier des vergangenen Jahres ließ auch heuer wieder den Wunsch erstehen eine solche im Kreise der Tafelrunde abzuhalten u. ein Rundschreiben hatte die Tafelgenossen aufgefordert für den heutigen Freitag außer den gewohnten geistigen Geschenken, noch ein weiteres originell verpacktes Geschenk zur geplanten Verloosung mitzubringen. […]


Zur Mitgliederwerbung hatte sich Fabrikbesitzer Hans Wießner etwas Unternehmerisches einfallen lassen: „Wießner stellt den Antrag in den neuen Jahresvoranschlag auch die Summe von M 100,- einzusetzen, die zur Werbung von Freunden und Mitgliedern für den Orden zu verwenden wären. Der Antrag wird mit allen Stimmen gegen die Stimme des Herrn Wießner abgelehnt.“ Von seinen zahlreichen, immer recht originellen Vorschlägen im Lauf der Jahre wurden die meisten abgeschmettert. Sein Sohn, Georg Gustav Wieszner, wurde zu einer noch stärker antreibenden und demnach stärker ausgebremsten Kraft im Orden, wie noch zu sehen sein wird, allerdings wurde er kein Mitglied.

Es war wesentlich leichter, geachtetes Mitglied des Ordens zu werden, wenn man ein Verwandter eines bisherigen Mitglieds war — und sich ansonsten anpassungsfähig verhielt. Der Blumenorden hatte zu allen Zeiten eine familiäre Komponente; man denke nur an die Dynastie Lochner. Wilhelm Beckh schlug 1899 innerhalb des Januar seinen zweiten Sohn, Leutnant Albert Beckh, und dann seinen ältesten Sohn, Dr. August Beckh vor, die beide einstimmig aufgenommen wurden. August Schmidt führte am 23. September 1910 seinen Sohn Wilhelm Schmidt als Gast in den Orden ein, der später als Schriftführer und Verfasser der Festschrift von 1944 eine große Rolle spielte. (An jenem 23. September war übrigens auch der später als Arbeiterdichter bekannt gewordene Karl Bröger zum ersten Male anwesend.)


Einige der alten Spitzenkräfte des Ordens sterben, oder verblassen allmählich in den Hintergrund; außer Heyse etwa Duplessis und Euler-Chelpin:


4. Mai 1900     15. Wochenversammlung

[…] Beckh theilt den Tod Euler Chelpins mit, der durch einen Unfall ums Leben kam [er wurde von einer Straßenbahn überfahren]; er fordert die Anwesenden auf  durch Erheben von den Sitzen das Andenken an den Verstorbenen zu ehren. Es soll ein Schreiben, das die Theilnahme des Ordens ausdrückt an den Sohn des Verblichenen Excellenz Rigas von Euler-Chelpin Präsident des Generalauditoriats gerichtet werden.


Freitag den 15. Juni 1906 22. Wochenvers.

[…] Des weiteren verliest der Vorsitzende einen Brief unseres correspond. Mitgliedes Dupleßis, worin derselbe mitteilt, daß er sich demnächst von seinem Berufe zurückziehen & nach Paris übersiedeln wird. Er erwähnt dabei, daß er vom Prinzregenten mit dem Michaelorden III. Klasse ausgezeichnet worden sei & legt seinem Schreiben eine Nummer des Figaro bei, der sich in einem Artikel überschrieben: Consul et poète mit seiner Person befaßt. […]


Bericht des I. Schriftführers über das Geschäftsjahr 1911.

[…] Seit der letzten ordentlichen Hauptversammlung hat der Pegn.BlO. durch den Tod verloren die Ehrenmitglieder Felix Dahn, Martin Greif, Wilhelm Jensen, Friedrich Spielhagen, sein Ehren- und langjähriges Ausschußmitglied, K. Justizrat Dr. Gg. Frhrn. Kreß v. Kressenstein, sein korr. M. Oberlehrer Dr. Günter Saalfeld, die ordentl. Mitglieder Frln. Tina Eckert und K. Landgerichtsdirektor a. D. Frdr. Frhrn. v. Harsdorf. […] Ordentliche Mitglieder 129 gegenüber 135 [?] im Vorjahr, sodaß leider trotz der zahlreichen Neueintritte eine Verminderung der Mitgliederzahl um 6 zu verzeichnen ist. […]


Vieles wäre noch aus den Akten zu belegen über den beinahe unmerklichen Schwund an Bedeutung des Ordens, der sich im Mitgliederbestand abbildete. Nun soll aber zum Schluß des Mitglieder-Abschnittes noch einmal vom Glanz die Rede sein, und zwar von den Feiern für Jubiläen maßgebender Mitglieder.


Bericht des Ordensschriftführers zur Hauptversammlung am 1. Februar 1907

Das zweite größere Fest des Ordensjahres war der Festabend im „Adler“, der dem Ordenspräses anläßlich seines 70. Geburtstages gewidmet war.

An diesem Festabend, der bei zahlreicher Beteiligung stattfand, zeigt der Orden so recht deutlich mit welcher Verehrung er seinem Ordenspräses zugetan ist und das reiche, abwechslungsvolle Programm, das Musik u. Gesang, Festspiel u. Recitation in bunter Folge enthielt, fand eine, nach allen Seiten befriedigende Durchführung. […] Dr. Oertel hatte alle vorbereitenden Arbeiten dazu übernommen u. entledigte sich seiner schweren Aufgabe in trefflicher Weise. Unser Mitglied Stich hatte das Buch sehr gefällig ausgestattet. […]

Das Irrhainportal, eingefaßt von Jugendstil-Kolonnaden: so modern entwarf Oskar Beringer den nicht so tierisch ernst gemeinten Festbeitrag. Ein wenig neobarocker eingefaßt, geriet sein Porträt:

Am Freitag, den 23. Juni 1911, wurden Beckh und August Schmidt anläßlich des 25. Jubiläums ihres Amtsantritts gebührend und ausgiebig gefeiert.134 Julius Ostermayr, Mitglied seit 15. 1. 1909 und Namengeber der noch heute bestehenden Passage, hatte dazu ein Geschenk parat:


[…] Das erste Stück des Nürnberger Trichterleuchters „Pegnitzschäferin“, dessen Motive dem Pegnesischen Irrhain entnommen sind, gestatte ich mir als ehrendes Andenken zum heutigen feierlichen Gedenktag zu widmen. Das Modell gewinnt umsomehr an Bedeutung, als es durch die Mitwirkung von zwei Pegnesischen Mitgliedern entstanden ist: dem Herrn Schneider & Herrn Beringer — sowie des Nürnberger Bildhauers Herrn Oppel. […]

Herzig. Ob sich ein Exemplar erhalten hat?




Was sich im Irrhain tat


Auch zwischen 1894 und 1914 unterstützte der Irrhain den Zusammenhalt der Ordensmitglieder, bildete die Bühne für einen Großteil der Sichtbarkeit des Ordens nach außen hin, erwies sich freilich auch, wie immer, in finanzieller Hinsicht als kräftezehrend.

Bemerkenswert ist schon einmal, wie besorgt man seine Rechte wahren wollte, und aus welcher Richtung Störungen zu befürchten waren.


7t W.V. Freitag 1 Maerz 1895

[…] Schmidt theilt mit, daß an dem Zaun im Irrgarten auf Anordnung des Oberförsters behufs Ernährung des Wildes eine Öffnung gemacht worden sei; er habe sofort unter Wahrung der Rechte des Ordens Hofer zur sofortigen Beseitigung dieses Eingriffes angewiesen. […]


11t. W.V. Freitag 29 Maerz 1895

[…] Schmidt berichtet über den Befund des am letzten Sonntag von ihm besuchten Irrhains, der in gutem Zustande sei und nur vereinzelte Spuren des Winters aufzeige; dabei wird erwähnt, daß der Herr Cantor v. Krafftshof durch seine Einwirkung auf die Jugend sich große Verdienste um die Schonung des Irrhains erwirbt. […]


Alsbald wird den Herren zu wohl, und sie fassen einen in Hinsicht auf das Gelände verwegenen Plan:


17. W.V. Freitag den 17. Mai 1895

[…] ein von Schmidt angeregter und gestellter prosaischer Antrag „die Errichtung eines Kellers im Irrhain“ den er damit begründet daß die stets größere Zahl der Besucher nicht auf das Wirtshaus in Krafftshof angewiesen sein solle sondern sich den Bedarf an Getränken an Ort u. Stelle entnehmen könne.

Der Gedanke ist praktisch u. nachdem Hering einen Plan des unter dem Geräte-Häuschens anzulegenden Kellers vorlegt, dessen Kosten auf 250-300 m veranschlagt und die Bauzeit auf 8-14 Tage berechnet, wird dem Plane zugestimmt.

Dessen Ausführung (die Kosten berühren den Orden nicht) wird dadurch ermöglicht, daß ein hochherziges Mitglied m 200 unverzinslich vorstreckt und ein anderes Mitglied 100 Fl. Wein für den Keller bestimmt. […]


Ohne ins einzelne zu gehen, ist zu berichten, daß wegen des eindringenden Grundwassers der Bau erschwert wurde und der Architekt Paul, der sich zur Einhaltung des Kostenvoranschlages verpflichtet hatte, diesen doch nicht halten konnte. Es wurde ein Verein im Verein gebildet, der Kellerverein im Pegnesischen Blumenorden, und der Kellervereinsausschuß schickte einen Rundbrief, in dem um Beitritt und Spenden für den Keller geworben wurde:


[…] Zwar sind dessen Kosten infolge Entnahme von Gutscheinen durch vermögliche Mitglieder schon zum größten Teile abgetragen, obschon die Instandsetzung des Kellers sich auf 800 Mark, also bedeutend höher berechnete, als veranschlagt war; es fehlen aber noch etwa 300 Mark, welche durch Gutscheine zu decken wären. Gestatten Sie daher, Sie ergebenst einzuladen, dem Kellervereine auch beizutreten und durch Abnahme von einem oder mehreren Gutscheinen, welche auf je 10 Mark lauten, zur Abzahlung der Kellerbauschuld beizutragen. […]


Die Satzungen des Kellervereins wurden gleich mitgeschickt; davon sind bemerkenswert:


2. Die Gutscheine sollen mit der Zeit durch freiwillige Spenden und den Mehrerlös für dem Keller entnommene Getränke etc. über den Selbstkostenpreis zurückbezahlt werden, so oft ein Einnahme-Ueberschuß über die Ausgaben von fünfzig Mark ein Auslosen von fünf Gutscheinen gestattet. […]

8. Die Mitglieder des Kellerunternehmens haben eine Mark Eintrittsgeld zu zahlen und dafür das Recht, zu verlangen, daß ihr Irrhainschlüssel derart zugerichtet wird, daß er sowohl die Thüre des Irrhains als die Geräthehalle, die obere Fallthüre des Kellers und den inneren Keller selbst öffnet. […]

11. Der Preis für ein Fläschchen Bier wird auf zwanzig Pfennig, für ein Gläschen Spirituosen (Feuerwasser) auf zehn Pfennig festgesetzt. Für entnommenen Wein ist der auf der Flasche vorgemerkte Betrag zu entrichten.

12. Für den Betrag der dem Keller entnommenen Getränke ist ein Haftschein in den bereit gestellten Briefkasten zu werfen, der Tag, Name des Empfängers und Angabe des Entnommenen enthält.

13. Die gebrauchten Trinkgläser sind (ausgespült) im inneren Keller zu verwahren, leere Flaschen unter die Bank in der Geräthehalle zu stellen. […]

18. Auf das Einlösen der Haftscheine beim Schatzmeister innerhalb vierzehn Tagen nach Vorzeigen derselben ist Bedacht zu nehmen. […]


Ab 1. Juni 1895 lag eine Genehmigung zum Kellerbau vom Forstamt Herrnhütte vor. Die Auseinandersetzung mit dem Architekten zog sich aber noch bis in den April 1896, und man wollte schon einen Rechtsanwalt einschalten. Doch der erfahrene Landgerichtsdirektor Theodor Brügel, Mitglied im Kellervereins-Ausschuß, riet zum Vergleich, da er „aus amtlicher Erfahrung die Dauer u. großen Kosten der Bau-Processe“ kannte, und so verglich man sich mit Paul, der sich mit 760 statt 833 Mark begnügte. Verräterisch ist die Bemerkung „das Wasser lasse auch im Keller nach und Schmidt hofft, durch Auflegung einer Cementschicht das Übel vollständig zu beseitigen“ — als ob nicht schon 40 Säcke Dyckerhoff-Zement verbaut worden wären.

Die Hütte über dem Keller sollte bald vergrößert werden, und zur Finanzierung sollten Erträge des Kellervereins herangezogen werden. Der Schreinermeister Seyschab in Kraftshof erstellte eine Planskizze und einen Voranschlag von insgesamt 350 Mark.

Das ausgeführte Bauwerk hätte eine größte Breite von etwas über 8 Metern und eine Firsthöhe von 7 Metern gehabt. Zunächst wurde der Bau wegen der hohen Kosten zurückgestellt; erst am „Sonntag den 21. Mai [1911] vereinigte die Einweihungsfeier der aus der alten Gerätehalle des Irrhains hervorgegangenen «Irrhainhütte» eine Reihe von Mitgliedern an Ort und Stelle.“ Es ist nicht klar ersichtlich, ob die Erweiterung wirklich in der geplanten Form vorgenommen wurde, ober ob es schrittweise Änderungen waren, welche die Einweihung schließlich angebracht erscheinen ließen.  Zunächst wurden Verbesserungen der Anordnung im Inneren der Hütte vorgenommen, später in Eigenarbeit eine Kellertreppe angelegt:


Freitag den 1. Juli 04        25. Wochenversammlung


[…] Wießner berichtet auch über die geheimnisvolle steinerne Treppe im Irrhainkeller u. deren Entstehung. Nach seiner Schilderung ist Scheuplein der Stifter des Steinmaterials, Hering der Stifter des Fuhrwerks zur Baustelle. Die Maurerarbeiten wurden durch die Herren Wießner u. Scheuplein zur vollsten Zufriedenheit eigenhändig ausgeführt, wobei die beiden fast für Irrhaineinbrecher angesehen u. verhaftet worden wären. […]


Immerhin hatte man am 10. Februar 1911 „den alten Plan einer Erweiterung der Gerätehalle weiter besprochen“, doch am 24. März des Jahres war wieder nur von der Inneneinrichtung die Rede.


12. Wochenversammlung

[…] Wießner legt die Pläne Beringers über die Instandsetzung des Inneren der sog. Gerätehalle im Irrhain vor. Am Sonntag vorher hatten Schmidt, Wießner u. Beringer eine Fahrt in den Irrhain gemacht um die geplanten Änderungen an Ort u. Stelle zu beraten. Die vorgelegten Zeichnungen werden gutgeheißen u. deren Ausführung genehmigt. […] Die obere Kellertüre ist bedenklich angefault, die untere Kellertüre ist wegen übergroßer Lidschäftigkeit ganz beseitigt. Mit den Arbeiten soll baldigst begonnen werden. […] Nachdem Lambrecht noch die erfreuliche Mitteilung macht, daß er seine Hütte im Irrhain dem Orden zum Geschenk anbietet, schließt die Sitzung um ½ 12 Uhr.


Wie es nun auch gewesen sein mag — durch die Arbeiten sprach sich der Inhalt des Kellers herum, und das konnte nicht nur gut sein.


20. April 1900 13. Wochenversammlung

[…] Schmidt theilt mit, daß im Irrhain eingebrochen worden ist und gibt eine Schilderung der dadurch verursachten Zerstörungen. Es fehlen außer M 4,- in Briefmarken noch ungefähr 15/2 Fl. Rothwein im Werth von M. 15.- Der Schaden an den Thüren und Schlößern wird mit M 20,- geschätzt. Schmidt veranlaßte die Wiederherstellung der Schäden in sachgemäßer Weise und wird ihm, unter Genehmigung seiner bisherigen Anordnungen für seine umsichtige Handlungsweise der Dank der Versammlung ausgesprochen. Die Gensdarmerie [sic] in Fürth hat eine verdächtige Persönlichkeit bereits in Haft. — Auf Antrag Schmidts wird beschloßen, die Geräthehalle verschalen zu lassen, damit nicht Jedermann Einblick in deren Inneres hat.


August Schmidt nützte den Vorfall auf seine Weise und schrieb für das Irrhainfest 1900 einen Schwank mit dem Titel „Der Einbruch im Irrhain“, dessen Aufführung in der 17. Wochenversammlung beschlossen wurde.


8. Januar 1904

[…] Beckh bringt ein Schreiben des Waldrottmeisters Hofer zur Kenntnis, demnach am 23. Dez. zwei Bürschlein versuchten, den Irrhainkeller auszurauben. Sie wurden jedoch durch ihn (Hofer) sowie durch seinen Begleiter Steudinger daran gehindert, verfolgt, festgenommen & an die Gendarmerie abgeliefert. Nachdem Schmidt I & II die näheren Details hierzu erzählten, wird beschlossen, Hofer & Steudinger je ein Stammkrügel als Belohnung zu überreichen. […]


Weitere Einbrüche geschahen im Oktober 1904, wobei auch Weinflaschen abhanden kamen, sowie im Mai 1912, obwohl seitdem Sicherheitsschlösser angebracht worden waren. Das war ein besonders kurioser Fall. Die Türen waren unbeschädigt, ein Fenster im unteren Bereich eingeschlagen, aber Spuren eines Ein- oder Aussteigens fanden sich keine. Dafür war der Kredenzschrank in der Hütte mit Meißeln aufgebrochen. Entnommen war nichts. „Außerdem fand sich auf dem Tische ein Haftschein vor mit einer Anweisung auf Mk 100,00 an ein nicht existierendes Bankhaus in Fürth i./B.“. Er lautete auf den Namen eines Postsekretärs Winter. Eine zerrissene Postkarte mit dem Namen eines Fürther Geschäftsreisenden Burger fand sich vor der Tür. Zur Rede gestellt, leugneten beide ab, irgend etwas damit zu tun zu haben. Schließlich erstattete Beringer Bericht über seine Ermittlungen:


Danach hat am 7. Mai 1912 der Gymnasialprof. Blochmann aus Fürth in Begleitung von 26 Gymnasiasten den Irrhain besucht. Den Schlüssel erhielt er von Rektor Zwanziger behändigt; bei dieser Gelegenheit hat der Gymnasiast Winter den Haftschein mit scherzhaftem Inhalt versehen unter der richtigen Adresse seines Vaters, des Postsekretärs Winter in Fürth, in den Kasten geworfen. Der Übeltäter hat sich bei Beringer in Begleitung seiner Mutter eingefunden und eine entsprechende Entschuldigung ausgesprochen. Wobei er gleichzeitig glaubhaft versicherte, an der Beschädigung des Büffets in keiner Weise beteiligt zu sein; doch sei ihm das zerbrochene Fenster aufgefallen. […]


Man schob es dann auf die Waldarbeiter — zurecht? — und ließ die Sache auf sich beruhen, um nicht noch mehr Leute auf den Gedanken eines Einbruchs zu bringen.


Eine weitere Ausschmückung erfuhr der Irrhain durch die heute noch stehende Schiller-Stele. Sie ist ein Nebenprodukt der Schillerfeier von 1905.


Freitag den 12. Mai 1905    17. Wochenversammlung

[…] Über die Zukunft der Schwabe’schen Schillerbüste, die bei der Apotheose von so schöner Wirkung war, entspinnt  sich eine lebhafte Aussprache. Ein Teil der Tafelrunde ist für Aufstellung im Irrhain, ein Teil für Verbringung in unser Vereinslokal. Die Frage wird nach der praktischen, schönheitlichen, künstlerischen, sogar chemischen Seite hin behandelt, führt aber zu keinem eigentlichen Endergebnis. […]


Freitag, den 2. Juni 1905    20. Wochenversammlung

[…] Schmidt berichtet über die von ihm mit den Herren Schlenk und Egersdörfer gepflogenen Verhandlungen bezüglich der für die Schillerfeier aufgeschlagenen Podien und Gerüste. Die Schillerbüste soll in Cement gegossen und im Irrhain aufgestellt werden. Beringer teilt mit, daß das Ordensmitglied Scheuplein sich in dankenswerter Weise bereit erklärt hat, den Guß auf eigene Kosten herzustellen; die galvanoplastische Herstellung der dem Gedächtnis des ehemaligen 1. Schriftführers Bernhold und des Ehrenordensrates Knapp gewidmeten Tafeln soll dem Mitgliede Harl übertragen werden; die Modelle, von Beringer entworfen und vorgelegt, finden großen Beifall bei der Tafelrunde.


Freitag, den 9. Juni 1905    21. Wochenversammlung

[…] Der Präses spricht sodann dem heute anwesenden Ordensmitgliede Scheuplein den Dank aus für die kostenlose Übernahme des Gusses der für die Apotheose Schillers von Schwabe und seinen Schülern modellierten Büste; da trotzdem die weiteren Kosten der Aufstellung der Büste im Irrhain sich hoch belaufen werden (etwa 150 M), so schlägt der Schatzmeister vor alle Bedenken fallen zu lassen und die Aufstellung der Büste im Irrhain um jeden Preis zum Entschluß zu erheben, was geschieht. […] mit noch freudigerem Danke begrüßt die Tafelrunde Scheuplein’s zweites Anerbieten, den Guß des sehr hohen Sockels der Schillerbüste zum Selbstkostenpreis übernehmen zu wollen. Die Inschrift des Sockels soll lauten: „9. Mai 1905.“

Auch die Zahl der Gedächtnistafeln an den Bäumen war um zwei vermehrt worden. Dieser Brauch wurde weiter geübt: „Für unseren l. Ordensrat Geißler wurde eine bronzene Ehrentafel für den Irrhain hergestellt. In die Deckung der Kosten teilten sich der Blumenorden, der Künstlerverein, die Kaulbachstiftung sowie die Schwester des Heimgegangenen Fräulein Luise Geißler. […]“ Noch am 14. 7. 1914 schrieb der „Fränkische Kurier“ im Rahmen seiner Berichterstattung über das Irrhainfest: „Dr. [Christian] Behringer […] wies nochmals auf die […] 5 neuen, durch Architekt [Oskar] Beringer  entworfenen Ehrentafeln hin, die an den alten Eichen des sogenannten Irrhainfriedhofes aufgehängt wurden […] den Herren Postdirektor August Schmidt, Justizrat Frhrn. von Kreß, Oberlandesgerichtsrat Alexander v. Praun, Oberlandesgerichtsrat Albert Schrodt und Hofrat Dr. Heller gewidmet und tragen neben dem Text auf geätztem Grund die Wappen und Insignien der zu Ehrenden. […]“


Freilich hatte die Natur den entscheidenden Einfluß auf das Bild, das der Irrhain jeweils bot. „[…] eine natürliche Folge des ziemlich dicht gedrängten Standes der Bäume im Irrhain ist, wenn kein Gras aufkommt, und die Wege nicht austrocknen. Diesen vom Pegnesischen Blumenorden vorgefundenen Mißständen kann durch lichtere Stellung, durch Entfernung einiger Bäume, namentlich der morschen Eichen abgeholfen werden, und dürfte eine lichtere Stellung vielleicht auch zur Verminderung der Belästigung durch Schnacken beitragen. […Jedoch] ist der Pegnesische Blumenorden zur Abgabe der Laubstreu nicht berechtigt. […] Eine alljährlich wiederkehrende Entfernung der gesamten Laubstreu könnte nicht gebilligt werden, da hierdurch erfahrungsgemäß eine Bodenverschlechterung und Rückgang im Wachsthum der Bäume eintritt [… Unterschrieben hat:] der k. Oberförster J.W. End“ Zweieinhalb Jahre später, am 4. März 1898, bat Forstamtsassessor Kundmüller seine vorgesetzte Behörde, für das Fällen einiger Bäume, das vorherige Niederlegen einiger Tische und eines Teils des Zaunes, um sie vor Beschädigung zu schützen, einige Arbeitsleute abzustellen oder ihn zu ermächtigen, die Arbeiten von sich aus auf Kosten des Ordens vornehmen zu lassen. Das ging nicht gar so leicht. Zwar freute sich der Irrhainpfleger August Schmidt in der 11. Wochenversammlung am 18. März 1898: „Einige der alten, vielhundertjährigen Waldriesen mußten wegen dauernder Invalidität gefällt werden. Der Berichterstatter spricht dem Forstpersonal wegen der geschickt durchgeführten Arbeiten besonderes Lob aus. Das dürre Laub im Hain wird ebenfalls gründlich entfernt. […]“ Doch bahnte sich alsbald ein Konflikt an:


Kraftshof, den 6. Mai 1898159

Der k. Forstamtsassessor in Kraftshof

Betreff: Fällung im Irrhain

Bei Wegnehmen der faulen Bäume im Irrhain haben die Holzhauer, trotzdem bei Berechnung ihres Verdienstes der höchste mir gestattete Hauer- und Rückerlohn in Ansatz gebracht wurde, nicht einmal einen Tagelohn von 2 M. verdient. Da die parkartige Behandlung dieses Walderbes, das Belassen nützungsreifer Hölzer über das richtige Hiebsalter, Ausrücken des Holzes, sorgfältigste Schonung der Jungwüchse gewiß nur im Interesse des verehrl. Ordens geschieht und hierdurch das Fällungsgeschäft verlangsamt und erschwert wird, so wird es nur als billig anerkannt werden, daß der Orden den Betrag von 10 M 20 Pf. übernimmt, um den Tagelohn der Holzhauer auf 2 M. zu ergänzen […]

Die Entschädigung der angrenzenden Privatgrundstücksbesitzer habe ich übernommen, trotzdem dieselbe aus oben angegebenen Gründen nur, weil ja auch die Wegnahme des nichtärialischen Zaunes das Betreten der Grundstücke notwendig machte, auch vom verehrl. Orden wenn auch nur teilweise hätte übernommen werden sollen.

Kundmüller


Das klingt sehr nach sozialer Verantwortung gegenüber den armen Waldarbeitern — zumal Kundmüller auf Rottmeister Hofer den Älteren bei dessen Beisetzung ein rührendes Gedicht schrieb —, doch kann eine gewisse Verbitterung über die „parkartige Behandlung“ ebenfalls herausgehört werden. Jedenfalls zahlte der Orden.

Am 27. Januar 1899 Ordentliche Hauptversammlung

[…] Unter den Rechnungen v. vorigen Jahr fiel auf, daß der Orden für Wegschaffung der Bäume M 24,- bezahlen mußte. Es entspann sich darüber eine längere Auseinandersetzung und wurde schließlich durch Schmidt festgestellt, daß die besonderen Vorsichtsmaßregeln die beim Fällen der Bäume im Interesse des Ordens getroffen werden mußten diese Ausgabe verursachten, was zur Kenntniß dient.


Das Verhältnis verschlimmerte sich im Laufe der naiven Bitten des Ordens um Vorzugsbehandlung beim Holzeinkauf. Am Ende der Debatte steht ein aufgebrachtes Verteidigungsschreiben der Ordensleitung an die Herrn Kundmüller vorgesetzte Behörde. Entzündet hatte sich die Kontroverse nach einer Erklärung des Forstassessors, die im vorigen September bei einem Windbruch gefallenen Bäume, welche die Benützung der Tische und Bänke behinderten, seien von ihm absichtlich belassen worden. Der Orden hatte angefragt, ob die Forstbehörde, oder, falls das nicht möglich sei, der Orden selbst für die Entfernung Sorge tragen könne. Im Februar 1901 war ein Teil des Zaunes umgefallen, und der Orden hatte angefragt, ob dem Zimmermeister Seyschab 12 „Säulen“ zur Wiederherstellung angewiesen werden könnten. Daraufhin hatte Forstassessor Kundmüller in Kraftshof dem Orden das Recht auf alleinige Benützung des Irrhains bestritten und das Entgegenkommen seiner Amtsvorgänger mit dem Gewissen eines Beamten nicht vereinbar bezeichnet. Besser ließ es sich schon mit seinem Amtsnachfolger an:


Freitag den 1. Juli 04        25. Wochenversammlung

[…] Nunmehr schildert Schmidt in beredten Worten die hohen Verdienste des Herrn kgl. Forstamtassessor’s Heyder um die Decoration zum Irrhainfeste, die neuangelegten Wege u. die geplante Anlage von Irrgängen im Haine. […] Schmidt macht die Mitteilung, daß er dieses Jahr das Freibier an die Forstleute u. Gendarmen gegen Karten hat abgeben lassen. Es sind 15 Liter zur Verteilung gekommen. […]


Man revanchierte sich auch durch Abwehr einer schlechten Presse (übereifrige Naturschützer und ihren publizistischen Hebel gab’s schon damals):


Freitag den 10. November 1905    35. Wochenversammlung

[…] Eine kurze Notiz im Fränkischen Kurier, die sich mit dem Fällen der alten Bäume im Irrhain beschäftigt u. die Sache so darstellt, als ob das Forstamt aus reiner Gewinnsucht das Fällen der Bäume vornimmt, soll richtig gestellt werden. Schmidt erklärt sich bereit an Ort u. Stelle Einsicht zu nehmen u. zugleich den Stumpf der großen gefällten Fichte zu beschauen, dessen weiteres Schicksal in unsere Hand gelegt ist. Wießner hat durch Herrn Forstamtsassessor Heider Mitteilung davon erhalten. […]

Im Hinblick auf die Frage „Waldstück oder Park“ ist ein Briefwechsel interessant, den Präses Dr. Beckh 1910 mit dem Forstamt Herrnhütte führte.164 Er ersuchte um nichts geringeres als eine Ausnahme von dem neu verkündeten allgemeinen Rauchverbot in Wäldern (und dazu muß man sich vorstellen, daß er Arzt war):


Der Irrhain-Park ist vollständig mit Pallisaden umfriedigt, hat mehrere Plätze, Küche, Schenke, mehrere Hütten und einen Theaterplatz innerhalb dieser Umfriedigung und kann nicht wohl als Wald angesehen werden und es ist auch nie bei den seit Jahrhunderten gefeierten Festen des Pegnesischen Blumenordens irgend ein Schadenfeuer entstanden.


Das königliche Forstamt Herrnhütte hat daraufhin nichts einzuwenden, unter der Bedingung, daß der Orden für allen Schaden, der dem Staatswald durch das Rauchen entstehen sollte, die Haftung übernimmt.


Mit Rottmeister Hofer dem Jüngeren stellte man sich nach dessen anfänglichem Widerstreben ebenfalls gut:


Freitag 27. Januar 1911    4. Wochenversammlung

[…] Lambrecht läßt einen Brief des Waldrottmeisters Hofer von Kraftshof zirculieren, aus dem zu ersehen ist, daß er seine Weihnachtscigarren unter verbindlichem Dank freudigst empfangen und das Kriegsbeil unter den rauschenden Tannen u. Eichen des Irrhains begraben habe. […]


Konfliktstoff gab es wegen des Irrhains aber auch innerhalb des Ordens. August Schmidt erklärte, sich nicht mehr in der bisherigen Weise um den Irrhain kümmern zu können, und schlug Hans Wießner vor.  Dieser hatte sich schon mehrmals beim Irrhainfest nützlich gemacht, indem er Blumen, Ansichtskarten und Lampions zugunsten der Kasse verkauft hatte.


Freitag den 29. Mai 1908    21. Wochenversammlung

[…] Wießner, dem nunmehr die Fürsorge für den Irrhain obliegt, spricht in anerkennenden Worten dem bisherigen „Irrhainvater“ Schmidt den herzlichsten Dank für all die Arbeit u. Mühe aus, die er in den langen Jahren dem Irrhain hat angedeihen lassen. Die Tafelrunde schließt sich diesem Lobe gerne an. Der neue Irrhainpfleger ist erfreulicher Weise gleich mit „vollen Segeln“ in sein neues [sic] Bereich eingefahren; er berichtet über einen Besuch bei Forstassessor Heider in Kraftshof, über eine beabsichtigte Waldrodung zwischen Ziegelstein u. dem Irrhain, über einen, hübschen, schattigen Weg, der von Ziegelstein zum Irrhain angelegt werden soll [den heute so benannten „Kundmüllersteig“], über einen allenfallsigen Beitrag von 20 Reichsmark aus der Ordenskasse zur teilweisen Kostendeckung dieser Wegherstellung u. anderes mehr. Auch der wichtigen Bierfrage hat er bereits seine Aufmerksamkeit zugewendet u. mit „Hofpeter“ ein Abkommen getroffen, daß die älteren Bierfläschchen alle Samstage gegen frische umgetauscht werden. […]


Daß der Nachfolger gleich nach dem Motto „neue Besen kehren gut“ ans Werk ging, konnte dem Vorgänger, auch wenn er ein so humorvoller Mann wie Schmidt war, schon etwas zurücksetzend vorkommen. Am 7. Mai 1909 kam Wießner mit der Beobachtung an, daß die Pfosten der Zaunes für 1000 Mark ausgetauscht werden müßten, als hätte Schmidt nicht schon am 1. Februar 1907 erklärt: „Die starken Stützpfähle des Zaunes stehen jetzt 13 Jahre in der Erde u. beginnen zu faulen. Die neuen Stützen sollen aus Eisen hergestellt u. in Cementsockel eingelassen werden, so daß sie dadurch eine hohe Haltbarkeit bekommen.“ Geschehen war freilich nichts. Und am 25. Juni 1909 entspann sich „über die Bänke mit Lehnen und die Bänke ohne Lehnen eine längere Debatte zwischen dem ehemaligen und dem jetzigen Irrhainvater die Zeugnis von dem beiderseitigen Eifer für den Irrhain ablegt[e. …]


Noch zogen beide an einem Strang:


Freitag den 18. März 1910    10. Wochenversammlung

[…] Schmidt teilt mit, daß sich dem Orden ein sehr günstiger Kauf von Tischen u. Stühlen aus dem Besitzstand der Naturhist. Gesellschaft bieten würde. […] Wießner bietet sich an, diese Tische u. Stühle in den Irrhain schaffen zu lassen, was mit Dank angenommen wird. […]


Aber schon wenige Wochen später schien er Schmidt zu kritisieren:


Freitag, den 6. Mai 1910.    16. Wochenversammlung

[…] 3.) Wießner weist darauf hin, daß es, vor allem was die Gerätschaften angeht, „ziemlich ruinös im Irrhain aussieht“, und ein größerer Betrag für Wiederherstellungen benötigt sei. Mit dem jüngst erfolgten Ankauf der 38 Stühle, die zusammen 16 M gekostet haben, hätte der Orden gerade kein besonders günstiges Geschäft gemacht. […]


Das Wort „ruinös“ scheint es gewesen zu sein, was Schmidt nicht auf sich sitzen lassen wollte. Gelegenheit ergab sich im nächsten Frühjahr:


Freitag, den 28. April 1911    16. Wochenversammlung

[…] Schmidt bedauert mitteilen zu müssen, daß sich bereits mehrere Mitglieder des P.Bl.O., die den Irrhain aufgesucht hatten, — wohl mit vollem Recht — über den skandalösen Zustand dort sich beklagt hätten. Tische u. Bänke seien ruinös. Wie es scheine, sei aus der Gerätehalle alles herausgeschafft und in eine unverschließbare Hütte getan worden. U.a. die „Privatkisten“ von einigen Mitgliedern, diese Sachen seien somit  verurteilt, freie Beute für unredliche Irrhainbesucher abzugeben. [… Wießner verteidigt sich:] Das Ausräumen der Gerätehalle war Notwendigkeit. Zur Unterbringung der hinausgeschafften Sachen diente die Hütte, die Hr. Consul Lambrecht dem Orden zur Verfügung gestellt hat. Die Leute hatten Auftrag diese Gegenstände einzusperren. Nun ist es aber offenbar versäumt worden, ein Schloß anzubringen. […] Beckh [immer auf Begütigung aus] stellt fest, daß ihm bei seinem jüngsten Besuch des Irrhains angenehm aufgefallen sei, daß dies Jahr lange nicht so viel Laub umherliege wie früher. […]

Schmidt erwidert, Wießner könne nicht behaupten, daß der von ihm gerügte Zustand, der tatsächlich ein sehr schlechter sei, nicht existiere. Wießner gibt zu, daß Tische und Bänke umgefallen sind und ein umgefallener verfaulter Baumstumpf des Wegräumens bedarf, aber man dürfe nicht vergessen, daß nun schon an die 12 Jahre verflossen seien, seitdem Schmidt die Sachen als damaliger Irrhainvater neu bekommen, die nun naturgemäß morsch u. brüchig werden müssen. […]

 

Freitag den 5. Mai 1911    17. Wochenversammlung

[…] Wießner teilt unter Bezugnahme auf die gegenseitigen Aussprachen über den Zustand des Irrhains vom vergangenen Freitag mit, daß er an einem der letzten Tage dem Irrhain einen Besuch abgestattet hat u. einen besonders lidschäftigen Eindruck nicht bemerken konnte. Durch die notwendigen Vorarbeiten zur Umgestaltung der Hütte sei mancherlei Unordnung hervorgerufen. Dieser Zustand sei aber durch die Verhältnisse bedingt u. sei nur ein vorübergehender. Nach einer kurzen Übergangszeit werden aber bessere Verhältnisse geschaffen werden wie zuvor und er bitte noch um kurze Geduld. […] Längere Besprechungen rufen die Anregungen Wießners über bessere Musikanten u. gewissenhaftere Lohndiener beim Irrhainfest hervor. Die ersteren blasen zu schlecht, die anderen trinken zu viel. […]


Ein weiterer Vorschlag Wießners erwies sich als undurchführbar: Keine von fünf befragten Versicherungsgesellschaften wollte einen Vertrag über die Irrhainhütte abschließen. Man half sich damit, den Forstamtassessor zu bitten, in der schlechten Jahreszeit das Mobiliar und Gerät bei ihm unterbringen zu dürfen. Schließlich nahm der Zimmermeister Seyschab die Sachen bei sich auf.

Auch der Keller machte wieder Ärger. Er stand „fast regelmäßig unter Wasser“. Wieszner machte sich den Rat seines Bruders zu eigen, „man möge jetzt bis zum Niveau des Grundwassers (15 cm) den Keller auffüllen, und dann im nächsten Frühjahr lediglich die Schuttschicht mit Zement überdecken.“ Diese Notmaßnahme konnte auf die Dauer die Einsicht nicht verhindern, daß der Keller eine Fehlinvestition gewesen war.

Wegen der Erneuerung des Zaunes, jedenfalls der durchgefaulten Pfosten, wurde hin- und herüberlegt. Verschiedene Angebote von Eisenbetonpfosten wurden eingeholt, die zwischen 12 Mark und 4 Mark je Stück lagen, und mit Seyschabs Angebot konnte man 500 Mark an den Gesamtkosten sparen. Diese waren dennoch zu hoch für den Etat. Man dachte schon wiederholt an das Ausgeben des Förster’schen Legats. Da erklärte sich das Ehrenmitglied Johannes Grasser, Kommerzienrat, Mitinhaber der Lyra-Bleistiftfabrik, Stifter des Schiller-Denkmals im Stadtpark, bereit, zeit seines Lebens 200 Mark jährlich zugunsten des Irrhains zu spenden. Für alle nötigen oder wünschbaren Ausgaben reichte das allerdings nicht hin. Lampion- und Postkartenverkauf gingen weiter:


Freitag den 17. Mai 1912, 17. Wochenversammlung

[…] Wießner läßt 3 sehr hübsche, photogr. Eigenaufnahmen vom Irrhain circulieren, von welchen eine, zur Vervielfältigung als Irrhain-Postkarte ausgewählt werden soll. Auf Vorschlag Brügels & Osk. Beringers wird diejenige mit der Küche im Vordergrunde gewählt.

All die Ausgaben und Mühen geschahen letztlich, um das jährliche Irrhainfest abhalten zu können. Eine kurze Übersicht möge das bis 1994 nicht mehr erreichte Niveau dieser Feste verdeutlichen.


1895: „Das Irrhainfest fand am 3. Juli programmgemäß statt. […] Das von Landgerichtsdirektor Brügel verfaßte Festspiel „Ein Sommerfestspiel im Irrhain“ fand, unterstützt durch eine treffliche Darstellung, den wärmsten Beifall. […] Der Festrede ging die Absingung des Festliedes voran, welches vom II. Präses Schmidt für das Jubelfest gedichtet war und mit kleinen Abänderungen heuer zur Aufführung kam. […]“ Einen Bruch der Tradition gab es im folgenden Jahr:


22. W.V. Freitag 5. Juni 1896

[…] Es übernimmt nun den Vorsitz Dr. Beckh, welcher ein Schreiben Postmstr. Schmidts mittheilt, dessen ältester Sohn in Java durch einen Sturz vom Pferd tödlich verletzt u. gestorben ist; Schmidt legt in Folge dieses Trauerfalles sämmtliche Arbeiten für das Irrhainfest in Dr. Beckhs Hände.


24. W.V. Freitag den 19. Juni 1896

[…] Der I. Praeses Dr. Beckh theilt brieflich mit, daß er durch Trauerfall in der Familie seines Bruders sowohl am Erscheinen heute Abend als auch am Irrhainfest verhindert sei und keine Vorarbeiten für letzteres übernehmen könne; da fast sämmtliche Vorstände & Ordensräte Trauer haben, am 1. Juli auch Collegfest sei [Gesellschaft „Colleg“] & die Ausstellung [im Germanischen Nationalmuseum] auch viel abziehe, glaube er als Bestes, das Fest heuer ausfallen zu lassen. […]


Nürnberg, den 24. Januar 1897.

[…] sind die Jubiläumsschulden erfreulicher Weise vollständig gedeckt. Der Mehraufwand für diesen Zweck ist vollständig ausgeglichen durch die Einsparung an den Unterhaltungskosten des Irrhains […] und infolge des Wegfalls des Irrhainfestes […]


Im Jahre 1897 wurde das Irrhainfest um eine Woche verschoben, damit die Studenten, die sich von einem Philister-Kommers wahrscheinlich erst erholen mußten, auch daran teilnehmen konnten.

Als Festspiel für das Irrhainfest 1898 schlug Beckh ausnahmsweise ein nicht eigens neu gedichtetes vor, sondern Goethes Jugendwerk „Die Laune des Verliebten“.


Irrhainfest am 6. Juli 1898

[…] Während die Musik um ½ 4 Uhr einige Weisen anstimmte, bemühte sich Lohndiener Birkmann eine von Beringer sehr nett gezeichnete Postkarte (Harsdörfers Standbild von dem Gnomen des Irrhains umtanzt) zu verkaufen und man hörte, daß die ganze Auflage von 300 Stück an den Mann gebracht worden sei. […] Zu allgemeiner Überraschung wurden aber Zettel vertheilt, wonach das Stück „vorgesehener Hinderniße halber“ nicht gegeben werden könne und daß nun nur „Die erste Probe zur Laune des Verliebten“ vorgeführt werden sollte. Die eingetretenen Hinderniße waren die, daß unser verehrter Herr Hofrath Beckh für die Rolle der Armina keine geeignete Darstellerin gefunden hat. Schnell entschlossen, arbeitete er nun selbst ein Stück aus, mit obigem Titel, in welchem er die Personen auftreten läßt, wie sie ihre Rollen studiren. Als Armina noch immer nicht zur Probe kommt, tritt er schließlich selber auf und muß auf die stürmischen Fragen der Darsteller nach Armina zugestehen, daß er keine gefunden habe und daß deßhalb das Stück auch nicht aufgeführt werden könne, er hoffe aber, daß die Nymphen und Elfen des Irrhains ihn aus der Verlegenheit ziehen werden. In der That, unter Schalmeiengetön trat nun eine Dryade aus dem Buschgewirr und brachte die geforderte Hilfe durch ein formvollendetes Gedicht Beckhs. […]

Irrhainfest am 28. Juni 1899

[…] Nachdem die Festgesellschaft den üblichen Rundgang gemacht und sich vor der Bühne gesammelt hatte, wurde in mustergültiger Weise das Festspiel „Dr. Ritter“ von Marie Ebner v. Eschenbach aufgeführt und fand dasselbe einstimmigen und wohlverdienten Beifall. Das Stück das eine Jugendepisode aus Schillers Leben schilderte, war vorzüglich besetzt, und hätte von Berufsschauspielern auch nicht besser dargestellt werden können. Frau Ingenieur Hering als Henriette von Wolzogen, Hedwig Meyer als ihre Tochter waren vorzüglich, der Schiller (Dr. Ritter) Kügemann eine Kunstleistung. Seyfried als Gärtner, Leutnant Beckh als Vogt, Zeiser als Reinwald fügten sich dem Rahmen der Bilder trefflich ein und wurde namentlich Zeiser in seinen warmen Herzenstönen sehr gelobt. Kügemann hatte die Regie und ist es hauptsächlich ihm zu danken, daß die Aufführung eine so treffliche war. Besonderen Dank ist der Orden aber Frau Aug. Hering schuldig, die in selbstloser Weise alle Proben in ihrer Wohnung abhalten ließ und all die damit verbundenen Störungen willig auf sich nahm. Auch deren Gemahl war an dem Gelingen des Festes betheiligt, denn er besorgte uns eine sehr gute Beleuchtung, die sich sehr bewährte. […“von der Maschinenbau Actien Gesellschaft 8-10 Gasolinlampen leihweise“]


Eine Besonderheit war auch das Irrhainspiel von 1906: „[…] Geißler hatte mit jugendlicher Frische das Festspiel geschrieben […] Als Spielende seien genannt: Die Damen Valerie Schrodt [offenbar die Enkelin der Schriftstellerin] u. Luise v. Praun, u. die Herren Gg. Förster, Meixner u. Reinhold, sowie der Waldrottmeister Hofer von Kraftshof. […]“

Bericht des Ordensschriftführers zur ordentlichen Mitgliederversammlung am 31. Januar 1908

[…] Das schönste Fest des Ordensjahres das Irrhainfest, zu dem Schmidt ein Festspiel geschrieben hatte [sein elftes] u. zu dem bereits alle Vorbereitungen getroffen waren, mußte leider in diesem Jahre vollständig ausfallen. Widerwärtige Wetterverhältnisse u. verschiedene andere Dinge waren Schuld daran. Auch eine Verschiebung auf den Herbst führte zu keinem Resultat.


Auch 1909 fiel das Irrhainfest „wegen der andauernd kühlen und nassen Witterung“ aus.


Mittwoch den 13. Juli 1910

17 Tage nach dem zuerst angesetzten Termin fand, von herrlichstem Wetter begünstigt das Irrhainfest statt. — Der angefügte Zeitungsausschnitt, der eine Beschreibung des Festes durch Redakteur Brödersdorf enthält, ist der Nordbayrischen Zeitung entnommen. […]

Bericht des I. Schriftführers über das Geschäftsjahr 1911.

Das Irrhainfest konnte am Tage nach Johanni bei sehr zahlreicher Beteiligung durchgeführt werden. Das Festspiel „Eine Ordenssitzung im Irrhain“, verf. v. Beckh u. Schmidt und schon vor 21 Jahren einmal dargestellt, wurde trotz einfallenden strömenden Regens flott gespielt […] Bemerkenswert ist, daß in diesem Jahre zuerst der Versuch gewagt wurde, den bisher regelmäßigen Festtag, den Mittwoch, durch einen Sonntag zu ersetzen. […]


Der Orden hatte auf Anfrage aus Erlangen durch Anschlag am schwarzen Brett der Universität zum ersten Mal auch solche Studenten eingeladen, die keiner Verbindung angehörten. Man mag darin eine Lockerung der gesellschaftlichen Verhältnisse erblicken. Gewiß bahnte sich auch eine jugendbewegte und gleichzeitig hurrapatriotische Stimmung an, als Wießners Sohn das Irrhainspiel für 1913 verfaßte, das angenommen und nach dreimaliger wetterbedingter Verschiebung des Festes tatsächlich aufgeführt wurde:


Das von Gg. Gust. Wießner jun. verfaßte Festspiel: „Im Kampf der Zeit“, welches sich seinem Inhalt nach an die Jahrhundertfeier 1813-1913 anschloß, fand allgemeinen Beifall […]


Wie eine unbewußte Abschiedsfeier an die lange Friedenszeit fand 1914 eine Ehrung im Irrhain statt, und das Irrhainfest lief noch einmal ab wie gewohnt:


[…] Uebergabe der im Irrhain unserem sehr verehrten I. Vorsitzenden nebst Frau Gemahlin, zum Andenken an ihre am 4. April gleichen Jahres stattgehabte goldene Hochzeitsfeier, vom Pegn. Blumen Ord. gestifteten Erinnerungsbank nebst 2, sie flankierenden Linden am 24. Mai 1914. […] Das von Dr. Max Schneider verfaßte [Irrhain-]Festspiel: „Frau Rat irren!“ wurde von den Mitspielenden in prächtigster Weise durchgeführt.


Max Schneider, „Techniker“, später als Patentanwalt bezeichnet, 1906 in den Orden auf eigene Bitte aufgenommen, 1912 zum Schriftführer gewählt, wurde nach dem 2. Weltkrieg der Präses.


Einschneidende Neuerungen ergaben sich durch den technischen Fortschritt der Verkehrsmittel. Ein Plan, die elektrische Bahnlinie Nürnberg-Erlangen dicht am Irrhain vorbeizuführen, wurde zwar fallengelassen. Als jedoch eine „Motorpostverbindung“ zwischen Nürnberg und Erlangen eingerichtet werden sollte, stand zu befürchten, daß die Post nicht mehr nach Kraftshof hinein gehen werde. Dann hätte man von einer Haltestelle an der Erlanger Straße eine halbe Stunde Fußweg zum Irrhain gehabt. In Abstimmung mit dem Kraftshofer Gemeinderat wurden Beckh und Lambrecht beim Oberpostdirektor vorstellig und erhielten die Zusicherung, daß vor- und nachmittags noch eine Linie nach Kraftshof fahren werde, dazu bei besonderen Gelegenheiten. Dann hieß es wieder, das Verkehrsministerium habe die Motorverbindung Nürnberg-Erlangen nicht genehmigt, befürworte aber täglich fünfmaligen Postautoverkehr nach Kraftshof. Im Juni 1912 wurden die beiden Vorstände des Blumenordens zu einer Probefahrt mit dem neuen Verkehrsmittel eingeladen. Wießner erreichte, daß zum Irrhainfest um 15:30 Uhr ein außerplanmäßiger Postmotorwagen eingeteilt wurde, der „den Teilnehmern zu wesentlich billigeren Preisen Gelegenheit zu bequemer Hin- und Rückfahrt bot.“

 

Freitag den 26. Juni 1914.    24. Wochenversammlung

[…] Die Hinunterfahrt zum Fest wurde durch das Entgegenkommen der Postbehörde derart geregelt, daß der Kartenvertrieb zur Hin- und Rückfahrt nur durch den Orden betätigt werden darf, und Personen, die nicht mit solchen Karten versehen sind, kein Anrecht auf eine Beförderung in diesen Omnibusen [sic] haben. Um dies auch äußerlich zu kennzeichnen, wurde als Standplatz für diese Autos die Einfahrt von der Straße zum Kolleg gewählt, entgegen der postalischen Haltestelle auf der anderen Seite, […] Als Fahrpreis wurden je 50 d. für Hin- und Rückfahrt festgesetzt. Die Abfahrt soll um zwei Uhr mit der Ablaßung des sog. Banden- und Musikwagens, der als solcher gekennzeichnet wird, beginnen und solange andauern, bis alle Kartenbesitzer befördert sind. Das Amt der Beaufsichtigung und Regelung der Abfahrten und Unterbringung der Passagiere, sowohl für die Hin-, wie Rückfahrt, hat Wießner übernommen. […]


Außer den Irrhainfesten wurden im Irrhain gelegentlich Veranstaltungen abgehalten, die teils vom Orden organisiert waren, teils von anderen Vereinen. Es herrschte zwar, besonders bei der Forstverwaltung, die Auffassung, daß die Nutzung des Irrhains auf den Orden beschränkt sein müsse, doch gab es Ausnahmen, je nach Antragsteller. Eine Sedan-Feier am 1. September 1895, für die sich sogar Pfarrer und Oberförster eingesetzt hatten, wurde schon einmal genehmigt, „angesichts der patriotischen Veranlassung sowie des guten Einvernehmens mit der Bevölkerung“.


5. W.V. Freitag den 5. Febr. 1897

[…] Dr. Beckh erwähnt der am letzten Sonntag stattgehabten Schlittenpartie in den Irrhain, die sehr hübsch gewesen und zahlreich besucht worden sei. […]


Darüber gibt es ein Gedicht von Knapp.


Im Mai 1897 wurde der Harmonia-Gesellschaft Erlangen die Erlaubnis zu einem Ausflug in den Irrhain nicht erteilt. Als jedoch Herr von Eyb, Vorstand des Landwirtschaftlichen Vereins Fürth-Cadolzburg, darum bat, das Jahresfest dieses Vereins im Irrhain abhalten zu dürfen, wurde dem Ersuchen „stattgegeben am 20. Mai 1905“. Der Vorteil war, „daß das Fest des landwirtschaftlichen Vereins im Irrhain diesem und der Ordenskasse gute Früchte getragen habe, da eine Reihe von schadhaften Bänken und Tischen auf Kosten der Gäste ersetzt worden“ waren. Eher nachteilig war, daß man sich dadurch einen schriftlichen Rüffel des Forstamtes Herrnhütte einhandelte.


Eine Festfeier, die zwar den Orden nicht direkt berührte, die aber deshalb von Interesse für den Orden war, weil sie im Irrhain stattfand, sei in diesem Berichte ebenfalls aufgeführt. Es war die patriotische Veteranenfeier, die die Gemeinde Kraftshof u. die benachbarten Dörfer zur Erinnerung an die 40jährige Wiederkehr der Kriegsjahre 1870/71 veranstaltet hatten. Die Teilnehmer aus dem Blumenorden, die damals unter den frohen Klängen der Musik mit festem Schritt u. Tritt zum Irrhain marschierten werden gerne dieser schönen Stunden gedenken.


Es sieht fast so aus, als sei Militaristisches immer bevorzugt worden. Dagegen spricht, daß 1913 dem Wehrkraftverein nicht gestattet wurde, und zwar einmütig, einen Nachmittag im Frühjahr oder Sommer im Irrhain zuzubringen. Auch der Turnverein Schniegling — und die Turner waren doch im 19. Jahrhundert Patrioten gewesen! — holte sich eine Absage.


An der Ausstattung des Irrhains gab es, wie bekannt, immer etwas zu reparieren oder zu verbessern, sei es am Zaun, an der Fläche, auf welcher getanzt wurde, an der Kegelbahn oder an den Hütten. Zwei Dinge sollen zum Abschluß der Betrachtung dieser Periode hervorgehoben werden:

Der Schlußstein des Steinportals war als Schäferinnenköpfchen gebildet worden, dieses war aber schon 1906 verwittert und wurde glatt abgetragen. Es handelt sich also nicht um Vandalismus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg.

Des weiteren ließ der Orden auf Vorschlag Wießners den Zuschauerraum beim Naturtheater aufböschen, um bessere Sicht zu gewähren. Dies geschah 1913, und nicht, wie früher vermutet (und mit einem terrassenähnlichen Aufbau verwechselt), schon 1894.



Das Vereinslokal


Da der Blumenorden, von Hütten im Irrhain abgesehen, nie ein Haus sein eigen nannte, keine feste Postanschrift hatte, nicht einmal einen Sitz wie eine Firma, verwundert es nicht, daß immer wieder die Suche nach einem Vereinslokal zum Zweck regelmäßiger Treffen angetreten werden mußte. Im hier auftretenden Fall wurde sie von außen ausgelöst.


3. W.V. Freitag den 22. Januar 1897

[…] Vorsitzender bittet, am nächsten Montag [Familienabend] pünktlich zu erscheinen; ferner theilt er mit, von Administrator Gallinger des naturhist. Vereins einen Brief erhalten zu haben, womit die Miethe des Lokals von 70 auf 120,- m erhöht. Diese Mittheilung berührt sehr unangenehm und wird in der nächsten Versammlung näher besprochen werden. […]


Es handelt sich um das Lokal „Zur Blume“ im Hause Schildgasse 12, das der Naturhistorischen Gesellschaft gehörte. Dort fanden alle Freitagsversammlungen und die Familienabende statt (größere Veranstaltungen legte man in den „Adler“). Man einigte sich auf einen jährlichen Mietpreis von 100 Mark, „knüpft jedoch den Wunsch bzw. die Bedingung daran, daß dem Blumenorden etwas mehr Raum zur Wanddecoration gelassen werde u. daß bis zum Frühjahr für eine ausgiebige Ventilationsanlage Sorge getragen werden möchte.“ Nun war über 13 Jahre lang Ruhe in dieser Sache, bis die aufstörende Meldung kam:


Freitag, den 30. September 1910    28. Wochenversammlung

[…] Schmidt (zugleich Administrator der Naturhist. Gesellsch.) gibt bekannt, daß unser Mietsverhältnis zur Naturh. G., die uns hiermit offiziell kündigen muß, mit dem Wegzuge derselben aus dem Hause zur Blume zuende geht. Wolle der Orden neuerdings eine Heimstätte im künftigen Gebäude der Ges. beziehen, so stellt diese einen großen gemeinschaftlichen Raum, weiter einen kleineren u. speziell für unsere Zwecke geeigneten, endlich sogar einen sehr umfänglichen Saal zur Wahl. Der Einzug ins neue Haus werde z. T. wenigstens schon Anfang Januar 1911 ermöglicht sein. Nähere Bedingungen würden sich unschwer festlegen lassen, im großen u. ganzen könne wohl alles beim alten bleiben. Er möchte die Frage zur Diskussion stellen u. einen diesbezüglichen Beschluß der Gesellschaft übermitteln.


Mit dem I. Direktor der Naturhistorischen Gesellschaft, Dr. Bernett, wurde eine Begehung des im Ausbau befindlichen Gebäudes vereinbart. Danach war man sich im Orden einig, „daß ein Beziehen des einen oder anderen Raumes gegenüber unseren derzeitigen Verhältnissen keinen Fortschritt bedeuten würde, ja daß man sich im einzelnen nur notdürftig werde behelfen müssen. Die Aufnahme unsrer Sachen (Schrank, unsere Bilder) erscheint nicht gesichert, die Versorgung mit Bier etc. umständlich. — Beckh möchte daher das „Künstlerzimmer“ im „Krokodil“ als künftigen Versammlungsraum in Vorschlag bringen. Derselbe würde einen vierteljährlichen Mietsbetrag von zwanzig Mark erfordern und dem Orden vom März d.J. an zur Verfügung stehen. […]“


Damit vergab man die einmalige Gelegenheit, einen seriös wirkenden Anlaufpunkt im geradezu protzigen Gebäude einer vielbesuchten anderen Kulturinstitution und in der Nähe anderer Kulturschwerpunkte der Stadt zu bekommen, wo viele Besucher auf den Orden erst aufmerksam geworden wären und wo man auch größere Feiern hätte abhalten können. Die Einwände waren unerheblich, in Bezug auf das Bier geradezu dümpfelig. An diesem Punkt begann der Rückzug des Ordens in eine verborgene Existenz, in eine verhältnismäßig obskure Kneipe, in der man auf die Dauer auch mehr Ärger hatte als vorausgesehen. 


Freitag, den 7. April 1911    14. Wochenversammlung

[…] Wießner gibt zu bedenken, daß der Französische Klub, dessen Lokal (das Künstlerzimmer des Krokodil) wir übernehmen sollen, bis vorgestern noch keine Kündigung seitens des Wirts erhalten hat. Zudem sei das gen. Zimmer diesem Verein zu wiederholten Malen nicht offen gestanden, so daß oft eine Wanderung notwendig war. Wießner ersucht, darum gegebenen Falls sehr energisch aufzutreten. […]


Freitag, den 21. April 1911    15. Wochenversammlung

[…] Es ist, fährt der Vorsitzende fort, nicht möglich gewesen, alle unsere Sachen im Künstlerzimmer selbst unterzubringen, indes haben wir immerhin einige Plätze uns sichern können. […]


Nun mußte man eben doch die Wertgegenstände aus der Ordenstruhe verlagern, und zwar ins Städtische Archiv und das Germanische Nationalmuseum. Die Truhe wurde zur Unterbringung der einlaufenden Zeitschriften behalten.

„Als Sommerlokal war, der Gepflogenheit der letzten Jahre treu bleibend, während der Ferien das Evangelische Vereinshaus, Bucherstraße, als Trefflokal vorgesehen und erfreute sich an versch. Abenden eines äußerst zahlreichen Besuchs.“




Erwünschte Verknüpfungen


Zu einer Zeit, in der jeder Bürger, der etwas auf sich hielt, in mehreren Vereinen Mitglied war — schon um zu zeigen, daß er sich von seinem Beruf nicht auffressen lasse —, gab es entsprechende Überschneidungen personeller Art, aber auch Fühlungnahmen von Vereinsvorständen untereinander. Von kultureller Erweiterung und Fortschrittlichkeit, an welcher der Blumenorden je länger je mehr teilhaben wollte, waren jene Honoratiorenkontakte noch ein gutes Stück entfernt, aber so bahnte sich doch etwas an, was über den reinen Literaturbesprechungsbetrieb und die hausgemachte Dichtung hinausführte.


28. W.V. Freitag 11. October 1895

Einläufe: von der hies. Section des D. Alpenvereins eine Einladung zum Besuch des Vortrages des berühmten Polarreisenden J. von Payer […]


Eine kolonialistische Einstellung vertrug sich anscheinend mit uneigennütziger Neugier und dem Stolz auf länderüberschreitenden Austausch:


31. W. V. Freitag 9. Oct. 1896

[…] Dr. Beckh legt vor „Geologie der deutschen Reichsgebiete in Africa“  [Dissertation des Freiherrn von Stromer (des Bürgermeistersohnes)].


39. W.V. Freitag den 4. Dec. 1896

[…] Schmidt II bringt den schriftlichen Dank des Gouverneurs von Alexandrien, Emir Firky, für der Bibliothek v. Alexandrien überlassene Festschrift des Ordens.


Freitag, den 14. Dezember 1906    38. Wochenversammlung

[…] Schmidt hat eine Nummer der deutschen Colonialzeitung mitgebracht aus der v. Praun einen Aufsatz „Auf unbekannten Pfaden“ verliest, der in seiner märchenhaften Art zwar sehr an die Reiseromane des Karl May erinnert, aber doch in recht wirkungsvoller u. spannender Sprache geschrieben ist. — Dem Inhalt der Erzählung nach zu schließen, wäre im deutschen Südwestafrika noch ein unentdecktes u. unbekanntes Stück Land, dessen Vorhandensein von seinen wilden Bewohnern als unantastbares Geheimnis streng verschwiegen wird. Reiche Schätze aller Art sind in ihm verborgen u. besonders Diamanten scheinen auf der Straße zu liegen, wie bei uns die Kieselsteine. — Wenn alles wahr ist, was der Aufsatz erzählt, ist unseres Colonialdirektors schneidiges Auftreten im Reichstag noch mehr zu verstehen.


Zu verstehen ist höchstens die durch Karl May angeregte naive Abenteuerlust, schon weniger die Gier, und Kopfschütteln muß hervorrufen, wie die deutsche Öffentlichkeit durch derartige Veröffentlichungen im Sinne einer skrupellosen Kolonialpolitik manipuliert werden konnte. Daß damit rassistische Hetze einherging, zeigte sich immer deutlicher: Am 22. April 1910 brachte August Schmidt eine Nummer der „Vierteljahresschrift des Deutschtums im Auslande“ mit, aus der Alexander von Praun den Aufsatz „Abkömmlinge des Deutschtums als Hörige der Neger“ verlas. Reaktionen der Zuhörer sind nicht überliefert, wenn man nicht das Wörtchen „nachdenklich“ dafür nimmt, das als Prädikat aber dem Aufsatz zugeschrieben wurde.


Exklusive Fernreisen als Bildungserlebnisse scheinen den Geschmack schon eher getroffen zu haben.


Freitag, den 2. Dezember 1910    36. Wochenversammlung

[…] Einen großen Teil des Abends füllte der Vortrag des Ordensmitglieds, Herrn kgl. Bezirksamtsassessor dahier Eberhard Freiherrn v. Scheurl, aus, der die von ihm gelegentlich einer mit Gattin im Anschluß an eine Schenker’sche Reisegesellschaft — insgesamt nur 5 Teilnehmer — dieses Jahr unternommenen Orientreise gesammelten persönlichen Eindrücke zu einer begeisterten Schilderung des zu Wasser und Land Geschauten verwob. Die Hörer begleiteten die Orientfahrer im Geist über Triest, Korfu, Patras, […], den Piräus, Phaleron, Salamis, nach Athen, auf der Meerfahrt nach und in Konstantinopel, durch den Bosporus, nach Smyrna, wieder zurück nach Athen, endlich auf der Heimreise durch den Isthmus von Korinth, nach Neapel und Genua. Der inhaltsreiche und ungemein anregende Vortrag wurde mit großem Interesse verfolgt und erntete der Redner verdienten Beifall. […]


Durch solche Weltoffenheit empfahl sich anfangs der soeben erst am 12. Juni 1908 aufgenommene spätere Präses.


Ein bedeutender Kulturfaktor und Mittelpunkt der Freizeitgestaltung war das Theater, wobei die städtische Bühne bereits mit etlichen Kleinbühnen von zweifelhaftem Ruf in Wettbewerb stand. Im gutbürgerlichen Blumenorden wollte man natürlich die Bühne als moralische Anstalt und als Ort der Selbstvergewisserung wertbewußter Damen und Herren unterstützen, kam damit jedoch nicht immer gut an.


37. Wochenversammlung am 26. Novembr. 1897

[…] Nun berichtet Beckh in ausführlicher Weise über einen lebhaften Briefwechsel, den er mit Herrn Stadttheaterdirektor Reck in der vergangenen Woche gepflogen u. der insofern für den Orden von großem Interesse ist, als die Ordensberichterstattung in der Fränkischen Morgenzeitung vom 12. Novembr. a.c. den Anlaß dazu gegeben hat.

In dieser Berichterstattung war nämlich die Thatsache constatirt worden, daß in dieser Ordenssitzung gelegentlich der Erwähnung über eine Meistersingeraufführung in Paris, von verschiedenen Seiten dem Unmuthe über das lange Fehlen der Meistersinger auf dem Repertoir [sic] unserer Bühne [eingeklammert: „seit (einem Jahre) langer Zeit“] Raum gegeben wurde u. daß auch in dieser Sitzung der Wunsch nach öfterem Erscheinen unsrer Klassiker auf der Bühne zum Ausdrucke kam. […]

Herr Director Reck bat nach Kenntnisnahme dieser Berichterstattung um seinen Austritt aus dem Orden u. motivirte in einem Briefe an den Ordensvorsitzenden diesen Entschluß.

Dr. Beckh erklärte nun Herrn Director Reck dieses Austrittsgesuch um so weniger annehmen zu können, als dem Orden u. seiner Leitung nichts ferner gelegen ist als dem Theater u. Herrn Director Reck mit d. Berichterstattung zu schaden. Im Gegentheil sei stets für die Nürnberger Theatersache eingetreten worden u. seien namentlich in jüngster Zeit wieder in den Kreisen des Ordens abfällige Urtheile über die Überhandnahme der Varieté-Theater u. Tingel-Tangel’s gefällt u. bedauert worden, daß der Besuch des Stadt-Theaters darunter zu leiden habe.

In seinen diesem Briefe folgenden Erwiederung [sic] legt nun Herr Director Reck die Gründe dar, warum die Meistersingeraufführung in so langer Pause nicht mehr auf unserer Bühne erschien u. warum auch die Klassiker in seltenerem Maß an die Reihe kommen. Die Beilagen von Kassenrapporten geben eine wirkungsvolle Illustration zu den Reck’schen Ausführungen.


Die Kunst geht nach Geld; das ist in Zeiten ohne reichliche Subventionen durch eine nicht immer unterscheidungsbefähigte Kulturbehörde eine Überlebensfrage. Das hätte man schon aus E.T.A. Hoffmanns Ausführungen mit dem sprechenden Hunde Berganza abnehmen können. (Diesen Autor kannte und schätzte man.) Hans Reck ließ sich jedenfalls beschwichtigen, und nachdem er sich Jahr um Jahr Verdienste um die Inszenierung der Irrhainspiele erworben hatte, wurde er am 29. Januar 1909 zum Ehrenmitglied ernannt.


Zu einer weiteren Institution, dem Germanischen Nationalmuseum, hatte der Orden zwar schon gute Beziehungen mit personellen Überschneidungen, war aber dessen Förderverein noch nicht beigetreten. Am 14. Mai 1897 wurde darüber debattiert, und das Ergebnis war, daß man im Jahr 10 Mark Mitgliederbeitrag und 10 Mark entrichten wollte, die aus der Sammelkasse, dem „Hansl“, darlehensweise entnommen werden konnten. Der Obmann des Kontrollgremiums, des Ausschusses, Herr von Kress, hatte dagegen einen milden, nicht mehr wirksamen Einwand: „Es ist nur löblich, wenn der Orden die Zwecke des germanischen Museums und der Stiftung zur Erhaltung Nürnberger Kunstwerke zu fördern bedacht ist. Aber es muß bei solchen Beschlüssen doch stets die Frage aufgeworfen werden, sind auch die Mittel dafür im Voranschlag vorgesehen.“


Wenn sich etwas auf dem Gebiete der Volksbildung tat, wollte der Orden auch nicht beiseitestehen, nur kosten durfte es nicht viel:


8. Wochenversammlung am 25. Februar 1898

[…] Schmidt berichtet über die für Nürnberg in Aussicht genommene Öffentliche Lesehalle, daß die Eröffnung zwischen 15. u. 20. Maerz c. stattfinden soll und daß bereits ein Vermögensstock v. M 4200,- beisammen ist. 240 Zeitschriften sind bereits gesichert. Der Orden beschließt, dem zu begrüßenden Unternehmen unsere Veröffentlichungen, nämlich Altes u. Neues 1. 2. & 3 ferner die Festschrift zum 250jährigen Jubelfeste und von den literarischen Albums 1864-71 je 3 Exemplare für seine Bücherei zu überlaßen. […]


Etwas derartiges gab es bereits in Prag, doch diente es der Selbstbehauptung der deutschsprechenden Minderheit, die desto schriller wurde, je mehr sie sich in die Enge gedrängt fühlte.


Freitag den 5. Mai 1905    16. Wochenversammlung

Die Rede- u. Lesehalle der deutschen Studenten in Prag, die fast keine Veranstaltung vorübergehen läßt, ohne den Orden davon in Kenntnis zu setzen, schickt auch diesmal wieder die Einladung zu ihrer Schillerfeier. Der Orden wird Gegeneinladung ergehen lassen.


Freitag den 9. Juli 1909    21. Wochenversammlung

[…] Beckh legt den 60. Bericht der Lese- und Redehalle der deutschen Studenten in Prag vor und gibt einen kurzen Überblick über den reichen interessanten Inhalt des Berichtes. Die Abschnitte die von den mannhaften Kämpfen der Studenten gegen die Übergriffe des Czechentums handeln erregen besonderes Interesse. […]


Verhältnismäßig rasch entflammten die Herren der Tafelrunde für Verknüpfungen, auch auf der Basis von Beitragszahlungen, wenn auswärtige Gesellschaften dem Blumenorden die Ehre angetan hatten, von ihm Kenntnis zu nehmen.


Freitag den 15. Februar 1907    7. Wochenversammlung

[…] Dr. Oertel verliest die, auf Grund seines Schreibens eingelaufene Antwort der Dichter-Gedächtnis-Stiftung in Hamburg. Der Jahresbeitrag mit dem der freie Bezug der Hausbücherei verbunden ist, beträgt M 25,-. Der Beitritt wird einstimmig beschlossen. […] Der Verband deutscher Schriftsteller in Amerika mit dem Sitz in Newyork sendet seine Satzungen, die ein erfreuliches „Sichrühren“ unserer Landsleute erkennen lassen. […]


Als Terroristen werden sie schon nicht aufgetreten sein, und wer sich in den USA als Ethnie behaupten wollte, mußte sich wohl bemerkbar machen.


Konrad Gustav Steller, ein Feuerkopf, durch seine Position als Geschäftsführer des Bayr. Kanalvereins gut vernetzt, wegen irgendeines Beleidigt-Seins am 2. Juni 1906 ausgetreten, machte kurz nach seiner einstimmigen Wiederaufnahme einen bemerkenswerten Vernetzungsvorschlag:


Freitag den 19. November 1909    32. Wochenversammlung

In dem zweiten Schreiben spricht Steller den Wunsch nach jungem Nachwuchs für den Orden aus, mit dem besonders auch die Freitagsabende belebt werden könnten. Er nennt eine Reihe von Namen […] sollen sowohl zu den Veranstaltungen des Ordens als auch zu den Sitzungen der Freitagstafelrunde eingeladen werden. Des weiteren schlägt Steller vor mit dem Künstlerverein, der Künstlerklause u. der Kunstgenossenschaft ein ständiges, gesellschaftliches Gegenseitigkeitsverhältnis aufzubauen, so daß im Laufe des Jahres gemeinschaftlich in’s Werk gesetzte Unterhaltungs-Abende stattfinden könnten. Auch mit dem einen oder anderen Münchener Verein könnte ein solches Gegenseitigkeitsverhältnis hergestellt werden. […]


Andere Mitglieder, die in der freien Wirtschaft ihr Geld verdienten und den Wert der Kontakte mit Jüngeren oder sozial Tieferstehenden erkannt hatten, hieben in die gleiche Kerbe:


Freitag, den 14. Oktober 1910    30. Wochenversammlung

[…] 2) schlägt Wießner, einem dementsprechenden Gedanken u. Wunsche seines Sohnes Rechnung tragend, die Einrichtung einer dem Pegn.Bl.O. anzugliedernden Jugendabteilung vor. Es wird beschlossen die Sache weiterhin zu überlegen u. dann wieder darauf zurück zu kommen. […]


Freitag den 18. November 1910    34. Wochenversammlung

von Praun meldet als Vorschlag unseres Mitgliedes Commerzienrat Sachs den Bürgermeister von Buch Herrn Georg Sippel als Mitglied an. […]


Freitag, den 23. Dezember 1910    39. Wochenversammlung

[…] Eine Anfrage Schneiders […] wie man sich zu der kürzlich ins Leben gerufenen „Neuen Vereinigung“ […] zu stellen gedenke, in der Schn. bis zu einem gewissen Grad eine Art Konkurrenz-Unternehmen zum Blumenorden zu erblicken scheint, gibt Veranlassung zu einer längeren Diskussion über die Frage, ob es nicht angezeigt sei, durch ähnlich öffentliche Darbietungen das Nürnberger Publikum, insonderheit die „junge Welt“ für unsere Bestrebungen in erhöhtem Maße zu interessieren. Schneider und Steller glauben ein Mittel in einer häufigeren Veranstaltung der zu seltenen öffentlichen Abende zu finden. Schneider befürwortet namentlich einen Versuch, den Anschluß an die Erlanger Universitätsdozenten zu gewinnen. Der Vorsitzende erklärt, sehr dankbar für die gegebenen Anregungen zu sein und ist derselbe bereit diese gewünschten Erlanger Beziehungen anzuknüpfen.


Freitag den 6. Januar 1911    1. Wochenversammlung

[…] Beckh hat ein Verzeichnis derjenigen Erlanger Hochschulprofessoren aufgestellt, die bei Vorträgen im Ordenskreise in Betracht kämen u. schlägt vor, an diese Herren ein Schreiben zu richten, in welchem sie um ihre Mitarbeit für die Ordenssache gebeten werden. Verschiedene der Herren sollen direkt um Vorträge ersucht werden. Schneider nennt als Vortragenden auch Herrn Pfarrer Dr. Rittelmeyer. [Den Anthroposophen und Mitbegründer der „Christengemeinschaft“! …] Ein gedruckter Jahresbericht soll am Ende des Jahres die Mitglieder von dem Ordensleben unterrichten. […]


Selbstverständlich gehörte zu einer intensivierten Öffentlichkeitsarbeit auch die Instrumentalisierung der Presse.


Freitag, den 17. Februar 1911    7. Wochenversammlung

[…] Der vom bisherigen I. Schriftführer [Oskar Beringer] ausgearbeitete erste Monatsbericht (Januar 1911), der eine löbliche Sitte aus früheren Jahren wieder aufleben läßt, liegt in einem Ausschnitt aus der Nordbayerischen Zeitung vor. Die Niederschrift war in Vervielfältigungen, für die Lambrecht freundlichst gesorgt hatte, an alle Nürnberger Tageszeitungen ohne Ausnahme hinausgegangen. Aber nur die Nordbayerische Zeitung und die Fränkische Tagespost brachten den unverkürzten Bericht. Die Stadtzeitung brachte nur die paar Zeilen über den Lesezirkel, also die grausamste Verstümmelung unseres Eingesandt. [sic] Der Fränkische Kurier u. die anderen Blätter schweigen sich vollständig aus. Schmidt möchte dieses nicht erwartete Ergebnis damit erklären, daß dieser Monatsbericht einigermaßen zu weitläufig geraten war und empfiehlt für die Zukunft gedrängtere Übersichten zu liefern. […]


Als anläßlich des erwähnten Vortrages über Rosegger das Honorar zu hoch erschien, erhob sich eine Auseinandersetzung, ob man überhaupt fremde Referenten heranziehen solle und wer darüber zu bestimmen habe. Gleichzeitig war es eine Debatte um die Außenwirkung des Ordens. Eine gewisse Rolle spielte dabei auch die Frage, ob man Eintrittsgelder erheben sollte.


Freitag, den 22. September 1911     27. Wochenversammlung

[…] 3) störe ihn [August Schmidt] das Verlangen von Eintrittsgeld. Das bedeute ein Geschäftemachen und setze die Meinung vom Pegnesischen Bl.O. bei Außenstehenden herunter […] Lambrecht erwidert, daß man bei den Veranstaltungen des Ordens bisher doch eben immer nur dieselben sicheren Leute, niemals weitere Interessenten, habe entdecken können. Ein frischerer Zug täte doch not, wir könnten nicht alles selbst besorgen. […] Kraus erinnert daran, […] Heute gäbe es nur 2 Wege: entweder der Bl.O. bleibe auf seinem konservativen, ausschließenden Standpunkt stehen und wolle nach wie vor mit anderen Leuten nichts zu tun haben, oder aber er nehme Rücksicht auf die billigen Forderungen einer modernen Zeit: Bekenne man sich zu Letzterem, dann müsse man auch auf das Beischaffen von Persönlichkeiten bedacht sein, die wirklich etwas bieten können. Beckh bekennt, daß er sich selbst zu jenen Konservativen des Ordens rechne, daß er aber doch zur Erkenntnis gelangt sei, wie not uns Leute wären, die imstande sind die Draußenstehenden anzuziehen. Die Zeit sei leider vorbei, da die Vorträge sämtlich von Mitgliedern gehalten werden konnten. Die wenigsten Leute verfügten mehr über die zur Ausarbeitung größerer Vorträge erforderliche Mußezeit. […] Nicht jedem passe es immer wieder eingeladen und eingeführt zu sein. Manchem möge es lieber sein durch Zahlung des kleinen Betrags Eintritt zu erhalten. […]


Freitag den 24. November 1911    36. Wochenversammlung

[…] Steller […] stellt die Frage, ob es überhaupt Sache der Vorstandschaft u. des Ausschusses sei, ein endgültiges Programm für die öffentlichen Abende aufzustellen — ob diese Festsetzung nicht der Freitagstafelrunde zukomme. Von verschiedenen Seiten wird dieses Recht der Tafelrunde verneint u. besonders auch auf das finanzielle Risiko, daß [sic] doch auch die Ordensleitung bei allen Veranstaltungen zu tragen hat, hingewiesen. […]

Möge es dem Protokollführer [Oskar Beringer] in Gnaden erlassen werden einen genauen stenographischen Bericht davon in das Protokollbuch einzutragen, trotzdem keine Frage der letzten Zeit, außer der Maroccoaffaire solchen Staub aufgewirbelt hat, wie die hier erörterte. […] Die nunmehr durch Wießner verlesene Einladung des Kraftshofer Adlerwirtes Hofpeter, der den Blumenorden zu seiner am nächsten Sonntag stattfindenden Fisch- u. Ganspartie ergebenst einladet, wirkt beruhigend auf die Tafelrunde wie „Oel auf den wogenden Fluten“. […]


Freitag den 1. Dezember 1911    37. Wochenversammlung

[…] Lambrecht berichtet über das von der neuen Vereinigung  veranstaltete Konzert […] Erkundigungen ergaben, daß es der Vereinigung in allererster Linie um Gewinnung von möglichst viel Mitgliedern — die einen Jahresbeitrag von M 8.- leisten — zu tun ist. Rund 100 Mitglieder sind bereits da, immer neue Mitglieder suche man herbeizuschaffen. Die mehr und mehr durch Steigerung der Einkünfte aus diesen Beiträgen sich bessernden Finanzen ermöglichen es, beliebig Leute zu besonderen Veranstaltungen kommen zu lassen und diese Abende völlig umsonst zu bieten. Der Orden, auf dem besondere Lasten wegen des Irrhains lasten, könne sich derartige Anstrengungen freilich nicht leisten und müsse es aufgeben hier zu konkurrieren. […]


Freitag 26. Januar 1912    4. Wochenversammlung

Aus einer Zuschrift der Neuen Vereinigung für Kunst u. Heimatschutz ist zu ersehen, daß es von Seite der Vereinsleitung sehr freudig begrüßt wird, wenn der Blumenorden u. die „Neue Vereinigung“ in gegebenen Fällen gegenseitige Fühlung miteinander nehmen. Unser Mitglied Schneider hat die Anregung dazu gegeben. […]


Freitag den 22. Nov. 1912.    34. Wochenversammlung

[…] Reicke entledigt sich eines von Dr. Uhlemeyer, im Auftrag eines neu zu gründenden Vereins, an ihn gestellten Ersuchens, dem Orden die anzustrebenden Ziele […] zu unterbreiten […] Der neue Verein will den Zweck verfolgen dem etwas dickflüßigen litterarischen Leben Nürnbergs frisches Blut zuzuführen, u, erhofft das durch öffentliche Matinées […] Eine Rücksprache mit Theaterdirektor Balder ergab, daß dazu mindestens ein Stamm von 200 Mitgliedern mit einem Jahresbeitrag von M. 10.00 nötig wäre. Bei Abführung dieser M. 2000.00 an seine Kasse verpflichte er sich vor der Hand jährlich 4 Gratisvorstellungen für die Mitglieder zu geben […] In der sich daran anschließenden Debatte, an welcher sich die Herren Beckh, Dr. Behringer, Reicke, Schmidt, Schneider, Lambrecht & Wießner […] beteiligten, wurde der Gedanke selbst als gut u. wünschenswert anerkannt. […] die Aufbringung von M. 2000.00 lediglich für Aufführungen, also ohne die sonst noch nötigen Vereinsausgaben […] begegnete berechtigten Bedenken. […] wem die Auswahl der, zur Aufführung zu bestimmenden Werke zustehen soll; ob Hofrat Balder allein, oder mit welchem Stimmenverhältniß zu den Mitgliedern, oder dem Verein allein. Es ist dieses, nach der Geldfrage, wohl der wichtigste Punkt.


Vier Abgesandte des Ordens sollten der nächsten Versammlung des Gründungskommittees beiwohnen. Es war allen klar, daß ein neues Geschäftsmodell sich ankündigte, gegen welches die Abspaltung des „Literarischen Vereins“ im 19. Jahrhundert harmlos erschien. Nun konnte der Blumenorden aus finanziellen Gründen, zu denen gewiß der Irrhain gehörte, aber nicht nur, leicht ins Hintertreffen geraten. Es gab eben jetzt einen kapitalistisch funktionierenden Markt der Kulturvermittlung.


Freitag den 29. Nov. 1912.    35. Wochenversammlung

[…Es wurde bekanntgegeben] daß sich der neue Verein bereits am 19ten Nov., also 3 Tage früher als dem Orden […] Mitteilung darüber geworden sei, […] konstituiert habe. […] Die einzige Möglichkeit um event. ein Stimmrecht in dem neuen Verein zu erhalten, sei die, daß der Orden sich mit einem Jahresbeitrag von M. 50.00, oder mehr […] beitrete […] Diese post festum Erklärung, aus der hervorgeht, daß es dem neuen Verein überhaupt nicht darum zu tun war, den Orden bei der Gründung beteiligt zu sehen, schlöße ja eigentlich […] jedes weitere Eingehen in die Sache von selbst aus […] Als erste Leistung des neuen litterarischen Vereins ist für den kommenden Februar eine Matinée vorgesehen, in welcher 2 Einakter von Maurice Maeterlink zur Vorstellung gelangen sollen. [… Es wird freigestellt] daß diejenigen, welche Interesse für die Sache haben, einfach dem neuen Verein als Mitglieder mit beitreten sollen [… Das war das Vorgehen im 19. Jahrhundert gewesen. Nun aber verquickte sich das ganze auch noch mit der Frauenemanzipation:] Die Damen, namentlich Frau v. Scheuerl [sic; statt „Scheurl“] & Frau & Fräulein Schmidt traten warm für das neue Unternehmen ein u. befürworteten eine Beteiligung, die es auch ihnen möglich mache, im Rahmen ihrer Ordensmitgliedschaft, den Leistungen des Unternehmens persönlich beiwohnen zu können. […]


Wenn man sich vor Augen hält, daß es dem Orden zu dieser Zeit finanziell besser ging als lange Zeit davor oder danach, hätte man lieber gesehen, daß er sich, unter Hintanstellung etlicher kostenzehrender Routine, unternehmerisch wagemutiger gezeigt und sich dadurch an die Entwicklung der Kulturszene enger angeschlossen hätte. Andererseits: Hätte er auf diesem Weg die Turbulenzen der kommenden Jahrzehnte auch überstanden? Seine eigenständige Verfassung stand auf dem Spiel. Überzeugt davon, ohnehin nicht mithalten zu können und wegen der Kommerzialisierung des Geschmacks auch nicht zu wollen, besann man sich auf Versuche, die den gebahnten Wegen folgten und bisherige Verknüpfungen aufleben ließen.


Freitag den 3. Oktober 1913        29. Wochenversammlung

[…] Daran schloß sich eine von Beckh eröffnete, wiederholte Besprechung, wie dem schlechten Besuch des Ordens aufzuhelfen sei, an. Als geeignetes Mittel dazu beizutragen wird die neuerliche, periodische Veröffentlichung der Ordenstätigkeit im Fränk. Kurier empfohlen. Dr. Behringer machte die erfreuliche Mitteilung, daß sich, bei einer gelegentlichen Rücksprache mit dem Chefredakteur desselben, dieser gerne bereit erklärt habe dem Orden für diese Veröffentlichungen den benötigten Raum unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. […]


30. Wochenversammlung am 10. Oktober 1913

[…] Jedes Mitglied stelle ein Verzeichnis seiner unter Umständen zur Aufnahme in den Orden in Betracht kommenden Bekannten auf. Aus diesen Verzeichnissen schaffe man eine einheitliche Adressenliste. Die darauf Verzeichneten seien einzuladen. Eine geeignete Fassung der Einladung sei vorzuschlagen. […]


Freitag den 14. November 1913.    35. Wochenversammlung

[…] Wießner bespricht die Liste der für den öffentlichen Abend einzuladenden Personen, wie er sie sich aus den, von den Mitgliedern eingelaufenen Vorschlägen zusammengestellt hat. Es handelt sich um rund 140 Einladungen.

 

Lambrecht war das Porto für die Einladungsschreiben zu hoch. Und dazu wurde man plötzlich steuerpflichtig, ohne Eintrittsgelder erhoben zu haben.


[…] Beckh gab bekannt, daß für den letzten Vortragsabend zum erstenmal nachträglich eine Lustbarkeitssteuer in Höhe M. 1.00 erhoben worden sei, jedenfalls infolge Anzeige eines Polizeiorgans, welches die Veranstaltung kontrolliert habe.


Irgendwie hatte man die „schlafenden Hunde“ geweckt; dabei hatte man alles auf den Bekanntenkreis beschränken und schön privat sein wollen. So ging es nicht mehr weiter.





Sprachpflege


Vielfach wurde schon die falsche Vorstellung gebildet und als Anforderung an den Blumenorden gerichtet, er sei eine Sprachgesellschaft nach dem Muster anderer Vereinigungen des 17. Jahrhunderts. Doch er hat sich um theoretische Durchdringung der deutschen Sprache und Verlautbarungen zu ihrer Verbesserung nie in dem Maße bemüht wie etwa die Fruchtbringende Gesellschaft. Kenntnis genommen von solchen Bestrebungen hat er allerdings sehr wohl, und den Ausarbeitungen einzelner seiner Mitglieder, die nicht von Ordens wegen zustandegekommen waren, freundliche Aufmerksamkeit geschenkt. Dies war, eher am Rande, auch zwischen 1894 und 1914 der Fall.


37te W.V. Freitag 16 Novbr. 1894

[…] Assessor Lehmann liest eine sehr fleißige Arbeit von ihm über den Nürnberger Dialekt, der sehr hübsch eingekleidet ist und viel des Interessanten u. Anziehenden bietet. […]


Nicht gerade viel Interesse bestand an der aktiven Sprachpflege, etwa in dem Sinne, daß man Maßstäbe ausgearbeitet hätte und damit kritisch an die Öffentlichkeit gegangen wäre. Das ließ man einen später als Ehrenmitglied aufgenommenen auswärtigen Sprachpfleger tun:


Unterhaltungsbeilage zur Täglichen Rundschau Nr. 97 Dienstag, 26. April 1904

Vereinsmeierei — oder Vaterlandsliebe?

Von Dr. Günther Saalfeld


Der Artikel erschien als Text eines Vortrags über den Allgemeinen Deutschen Sprachverein, dessen tätiges Mitglied Saalfeld war, ein Oberlehrer a.D. und freier Schriftsteller für verschiedene Zeitungen.


[…] „Smoked haddock“ prangte jüngst in etlichen Fischhandlungen des Berliner Westens, wo Englisch ja mehr oder weniger Trumpf zu werden beginnt; der schlaue Händler hatte ganz recht: „geräucherten Schellfisch“ kauft sicherlich die Köchin nicht so begierig ein, wie dieselbe Ware in fremder Benennung. […] Wie sagt doch der Heidelberger Professor und Philosoph Kuno Fischer einmal […] „wir sind nicht Puristen von der törichten Art, die alle Fremdwörter aus unserer Sprache vertreiben möchten, um ungewohnte, weniger verständliche deutsche von eigener schlechter Mache an ihre Stelle zu setzen; wo aber gute deutsche Ausdrücke vorhanden sind, diesen die Fremdwörter vorzuziehen finden wir geschmacklos und verwerflich.“ […]


Es folgt ein Zitat aus dem neuesten Programm des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins:


[…] Aus unserer Sprache alles Fremde tilgen, hieße sie geschichtslos machen. Wie der Staat, so gewährt auch die Sprache vielen Fremdlingen Gastrecht. Manche haben sich im Laufe der Zeit angepaßt, eingedeutscht, sind keine Fremden mehr, sondern Mitbürger. Anders jedoch steht es mit jenen leidigen Eindringlingen, deren unsere Muttersprache gar nicht bedarf […]

[An anderer Stelle, im Text vorher:] Die Franzosen spotten über unser „Halbfranzösisch“, über die geschmacklose Sprachmengerei in Deutschland, die die Einheitlichkeit des Sprachbildes stört. Aber schlimmer noch: die Fremdwörter helfen die Kluft vertiefen, die den Gelehrten oder doch fremdsprachlich Gebildeten von dem einfachen Manne trennt. […] hinauf bis zu den Höhen deutscher Wissenschaft und Kunst findet sich nur zu oft eine betrübende Gleichgültigkeit gegen schöne Sprachform. […]


Saalfeld war, wie aus den etwa dreißig im Archiv vorhandenen Zeitungsausschnitten hervorgeht, ein sehr aktiver Sprachpfleger mit publizistischem Hebel, wie heutzutage Thomas Paulwitz. Die Themen und die vorgeschlagenen Abhilfen sind weitgehend dieselben, allerdings um 1910 noch deutlich nationalistischer in der Begründung. Übrigens war er auch zweiter Schriftleiter der Monatsschrift des Bismarck-Bundes, wie aus einem Exemplar im Archiv hervorgeht. Jedenfalls war die Aufnahme der Thesen aus seiner Zeitschrift bei den Pegnesen etwas lau. Zuerst August Schmidt, später Christian Behringer lehnten zum Beispiel gewisse Verdeutschungen ab:


Dr. Behringer bringt einiges aus der Sprachecke des allgemeinen deutschen Sprachvereins zur Kenntniß. Die allgemeine Ansicht geht dahin, daß sich ein großer Teil Wörter, welche sozusagen Weltgut geworden sind, zu einer Verdeutschung nicht eignet und daß z.B. die Umwandlung der internationalen Bezeichnung „Archipel“ in „Inselmeer“ oder „Inselflur“, wenn auch erstere Übersetzung als treffend anerkannt wird, im Interesse der Allgemeinheit abzulehnen sei. […]


Aber das war vor dem Ersten Weltkrieg.