Poesie der Pegnesen




Fünfzehnter Abschnitt: Verschronik 1994



Die auf S. 320 aufgeführten Veranstaltungen des Jubiläumsjahres hätten

wohl noch eingehendere Betrachtung verdient, und im Briefwechsel mit

HORST LUDWIG sind dafür reichlich prosaische Ausführungen enthalten. Doch

abgesehen von der Ermüdung, die das Lesen solcher Weitschweifigkeiten

demjenigen, der nicht dabeigewesen ist, bereiten würde, gibt es ja eine andere

Form der Darstellung, die hier geboten werden soll. Sie ging hervor aus einem

studentenulkartigen Versuch, der Reimchronik, wie sie im Literarischen Verein

und im Blumenorden FRIEDRICH KNAPP über Jahrzehnte kultivierte, etwas

Vergleichbares zur Seite zu stellen. CHRISTA SCHAEDEL hatte in ihrem Beitrag

für die Festschrift „Der lustige Ordensrat“ (S. 83-90 jenes Buches) einige Beispiele

davon gebracht und uns damit auf diesen in handwerklicher Hinsicht

soliden und einfallsreichen Vers- und Wortkünstler aufmerksam gemacht. Die

folgenden Exerzitien beanspruchen ebensowenig, ernstzunehmende Dichtung

zu sein. Vielleicht aber macht es dem Leser eben dieselbe Freude wie mir,

dem Autor, Vergleiche mit den literarischen Vorlagen anzustellen, die darin

parodiert bzw. travestiert sind.



Januar



Es hebt sich aus dem Meer die Sonnenscheibe;

Es hebt der Mut sich unsrer alten Schar;

Es hebt den Dichter, wenn ich Reime schreibe;

Es hebt sich an ein Jubiläumsjahr.

Damit Erinnerung lebendig bleibe

An manches Heitre, das erst wird, dann war,

Hebt eine Chronik an, Bescheid zu geben

Von des Pegnesenordens Weiterleben.


Denn auf der Hauptversammlung ward beschlossen,

Im Blick auf ein erhabnes, spätres Fest,

Daß einige Reimer unter den Genossen

Des Blumenordens silbenstechendest

Aufschrieben und vortrügen unverdrossen,

Was sich nur immer überliefern läßt;

Und den Beschluß nur auf die Bahn zu drängen,

Will ich den Januar in Verse zwängen.


Erlassen Sie mir lieber jetzt die Stanze;

Das gibt dem Anfang Pomp — und steckt dann fest;

Auch andre Strophenformen zier‘n das ganze,

Das tut dem Rhythmus gut, verkürzt den Rest.




Wenn wenige da sind, den Vorstand zu fragen,

Wie er's denn gehalten im vorigen Jahr,

Geschaltet, gewaltet in vorigen Tagen,

Erfreut dies das Herz eines Präses fürwahr.


Die Gelder, sie flossen, die Rechnungen dräuen,

Noch schreiben wir schwarz in der Jahresbilanz;

Zu früh sollten wir uns darüber nicht freuen,

Doch Dr. von Herford beruhigte uns ganz.


Herr Dr. von Scheurl verlas die Erklärung,

Er wolle befreit sein vom Joche des Amts;

Wir hörten es nicht ohne Herzensbeschwerung,

Doch Dr. von Herford beruhigte uns ganz.


Die Länge der Niederschrift, kaum abzumessen,

Wie plagte sich unser Herr Teschner damit,

Wie mühevoll hielten die Hörenden Schritt,

Nur um zu erkennen, wie vieles vergessen,

Wie manches noch heißer wurde zu essen,

Als es war gekocht worden; und selbdritt

Versuchten wir, das Verfahren zu enden,

Zum Guten zu wenden das allzu Gewagte,

Was mißbehagte, weil man sich fragte:

Soll wirklich die Vorträge noch einmal halten,

Den andere Bürde schon vielfältig drückt,

Nachdem es den Rednern selbst kaum geglückt,

In völliger Klarheit an uns sich zu wenden?

Hier wurde fast die Versammlung zum Tanz,

Doch Dr. von Herford beruhigte uns ganz.



Bald nun die Schritte, die eiligen, samt ihren Kameras, lenkend

Hin zum Archiv im Germanischen, sehen Herrn Weingärtner wir,

Und den Herrn Kügel, denn ach! unser Drucker bei Tümmel

Ist noch nicht ganz überzeugt von der Schärfe der wenigen Bilder,

Die, unsre Festschrift zu zieren, uns aufgetragen er hat

Noch einmal abzulichten. Und unverzüglich geschieht's auch.

Anderen Tags, im Archiv der Grafen von Faber-Castell, noch

Eines bleibt aufzunehmen, wonach die Kamera aufgibt.

Haben wir's doch indeß in der Dunkelkammer vergrößert,

Abgegeben das Buch in der Form von fünfzehn Disketten,

Druckauftrag dem Verleger und Zuschußanträge woanders

Untergebracht, daneben mit Zeitungsleuten verhandelt,

Mitteilungshefte vom Druck abgeholt, dem Herrn Teschner gegeben,

Daß er die Fron, die verwünschte, mit Adressieren und Bündeln,

Auch mit Verschicken sodann in Hetze über sich nehme,

Während der Präses schon, auch überlastet mit Arbeit,

Bangt, ob auch wegen des Sonderstempels, ob auch wegen Münzen,

Die zum Gedächtnis des Jahres in Silber zu schlagen er aufgibt,

Alles zur richtigen Zeit denn geschehe, indessen er selber,

Kundig und diplomatisch die feingesponnenen Netze

Webt um die Honoratioren des Landes, ob nicht einer anbeißt,

Der, gegen jede Vermutung, uns doch mit Geldern beschenkte,

Während Herr Reubel-Ciani von anderer Seite ihm zuschafft.

Alles auf einmal hat zu geschehen, wir sind in Bedrängnis,

Alles auf einmal, wie Figaro ausrief, wir rufen es gleichfalls,

Klein ist die Zahl der Mitarbeiter, wir können nicht mehr.



Immer, wenn du denkst, es geht nicht mehr,

Kommt von irgendwo ein Brieflein her,

Das dir wieder mächtig Auftrieb gibt,

Weil es zeigt, daß man "dei Erbert" liebt.

Diesmal kam es aus der Staatskanzlei,

Und es heißt darin — ich bin so frei —:



Gerne bin ich bereit, für die Summe der Feiern des Jahres,

Das für den Blumenorden das dreihundertfünfzigste darstellt,

Voller Anerkennung die Schirmherrschaft zu übernehmen.

Zwar, ob ich selber erscheinen werde, das steht im Belieben

Nicht nur meiner Person, sondern des wählenden Volkes,

Unseres Souveräns, auch. Doch wird ein Vertreter sich finden

Für die Regierung von Bayern. Mit freundlichen Grüßen: Ihr Stoiber.



Der erste Mondlauf wäre abgezirkt;

Nun hoffen wir, daß unser Fleiß auch wirkt.




Februar



Der "Heitere Abend" im Februar

geriet diesmal heiter auf's beste;

Wie wünschen wir, daß im gesamten Jahr

Gelängen so unsere Feste!


Doch ruhiger als sonst in planendem Sinn

Verlief dieser Monat weiter;

Die wenigen Helfer, sie klagten nicht,

Die Zukunft erschien ihnen heiter.



Doktor Jergius von der NZ

fragte an und ließ sich gern bedienen,

ob der Blumenorden etwas hätt',

was, nach Thema, Stil und Inhalt nett,

und noch nirgend anderswo erschienen.


Prompt bekam er achtundzwanzig Seiten,

Guckte, schluckte und erwählte dann,

weniges, für Ostern zu bereiten,

Weil, wenn Bilder noch den Text begleiten,

Sein Ressort nicht mehr verkraften kann.



Seine Zeitungs-Wochenend-Beilage

gibt Geschichtlichem fast keinen Raum,

denn das Publikum liest, ohne Frage,

nicht gern Vorabdrucke vom Verlage

Tümmel, und das Neugeschriebne kaum.

Ursprünglich hatte Herr Zagel gedacht,

Uns eine Herbstfahrt zu leisten,

wie sie seit langem schon keiner gemacht.

Zustimmung riefen die meisten.


Zwei volle Tage lang sollte es geh'n,

Unsere Bildung zu mehren,

Goethes und Schillers Weimar zu seh'n,

Oßmannstädt, Wieland zu Ehren.


Leider — von Schweinfurt kam auch ein Bescheid:

denn im September wär's machbar

und dort die Rückert-Gesellschaft bereit

uns zu empfangen als Nachbar.


Nun mußten baldigst im Orden umher

und bei den Freunden und Gästen

Kärtchen zur Rückantwort eintreffen: Wer

wollte nach Weimar am besten?


Ausgezählt wurden am Stichtag dann nur

Siebzehn gewillte Personen.

Schade. Doch solch eine prächtige Tour

Wird auch im nächsten Jahr lohnen.




März



Ein wenig unruhig, und mit halbem Schwung,

erscheint der März. Noch ist es winterlich.

Verdeckte Kraft schiebt erste Blumen aus,

die bald jedoch ein Frost verderben kann.

So auch die Festschrift. Schnell zwar lagen vor

zum Korrigieren zwei gefalzte Bände

von Lichtabzügen, doch wer sich gefreut

und sicher hat geglaubt den Rechnersatz,

der wurde leider plötzlich hart enttäuscht.

Nur gut, daß Weingärtner zu rechter Zeit

noch die Verschiebung aller Zahlen sah,

die im Register Nachweis sollten sein.

Und auch Frau Kreutz hat manches noch bemerkt.

Mit saurer Mühe wurde das behoben;

nur erst die Mühe ist, nicht der Erfolg zu loben.



Mit Freuden indessen erfahren wir mehr

und nehmen beschwingt die Kalender uns her:

Es festigen sich die Termine.

Am vierzehnten Juli eröffnet die Stadt,

was sie von Pegnesen im Pellerhaus hat;

Frau Jürgensen bringt's auf die Bühne.

Der Vorstadtverein St. Johannis hat auch

zur Kirchweih am Kirchhof nach löblichem Brauch

besonders nach uns sich gerichtet;

man wird der Pegnesen Grabmale dann seh'n,

begleitet von Führern die Reihen abgeh'n,

im Heft hat's Kurt Müller berichtet.



Den Nachruhm eines Fürsten von manchem tiefen Kratzer

so etwa abzubürsten, daß nur erschien als Patzer,

was er sich hat geleistet in unbeherrschtem Grimme,

Herr Schöler unternahm es mit allbeliebter Stimme.

Carl Friedrich Wilhelm, Markgraf zu Ansbach, auch "der wilde"

geheißen, schien von nahem beinahe schon der Milde.

Und in der Tat war manches dem Herrn zugut zu halten,

denn schon in seiner Aufzucht ließ man nicht Weisheit walten.

Herrn Schölers Vortrag war, wie immer, ein Erlebnis;

die Orte aufzusuchen, wird manchen das Ergebnis:

Aus jener Zeit hat Franken viel Schönes aufzuweisen;

die kleinen Residenzen — wir wollen sie bereisen.

Nur schade, daß fortwährend der Vortrag unterbrochen

Von einem Kellner wurde, der viel zu laut gesprochen.

Es blieb ihm ja nichts übrig; er wollte uns servieren!

Wie könnten wir vermeiden, den Redner zu genieren?



Als wollte jeder, der kein Geld hat, uns trotzdem

mit Diensten und mit Material ein Gutes tun,

beginnt Herr Gabriel vom Gartenbauamt nun,

ein Ärgernis uns abzustellen ganz bequem,


indem die Irrhainhütte senkrecht wird verschalt.

Das Forstamt ebenfalls ist hilfreich wie sonst kaum,

sägt und entfernt den unlängst umgestürzten Baum,

und nur den Rest des Zauns, den möchte es bezahlt.



Nachmittags im Irrhain spähen

nördlich aus der Türe zwei Gestalten;

sehen manchmal auf die Uhren,

lassen ihren Tee erkalten.


Werner Müller ist's und Kügel,

keineswegs ein diebisches Gelichter,

die den Godehard erwarten,

uns'res Ordens wack'ren Dichter.


Leider gab's ein Mißverständnis,

und er suchte sie an and'rem Orte;

nun, so nehmen Maß die beiden

von der Bühne bis zur Pforte.


Beim Lokaltermin entwerfen

sie für's Festspiel manche starke Handlung,

ach, noch ohne Worte freilich,

und gewiß erfährt's noch Wandlung.


Mit Herrn Schramm am Telephone

wird gleich abends noch der Rat gehalten,

denn die Zeit bedrängt allmählich

jene, die des Festspiels walten.



Man rief zum Ausschuß — und wer kam?

Den Festausschuß wohl zu besetzen,

an Mitarbeit sich zu ergötzen,

bedünkte keiner uns zu blind und lahm,

von allen, denen Nachricht war geworden.

Wer schließlich wieder versammelt war,

der Festschriftausschuß war es ganz und gar,

und sonst kaum Zuwachs aus dem Orden.

Nun muß es eben weitergehen,

als reichten zehn, elf Menschen hin,

mit allem, was wir jetzt im Sinn

zu tragen haben, zu bestehen.



April



Dem Winter mehr als sonst nachäffte der April,

nur umso wärmer sprach Frau Geiger von Brasil.

Was tat's, daß der Projektor manchmal streikte:

es war sehr schön und lehrreich, was sie zeigte.

Wie Deutsch dort weiterlebt, das fragten hinterher

und diskutierten mehrere — was will man mehr?



Nun ist das Buch da — all die Welt! — nun ist das Buch da!

"Festschrift" ist fertig — wer wagt einen Fluch da?

Und glänzt der Umschlag auch, statt mattkaschiert zu sein,

Und fehlt der Rückentitel, das stellt uns kein Bein:

Erleichtert schleppen wir die Exemplare.


Nur um den Absatz kreisen noch Gedanken bänglich,

die Müh', das Buch zu machen — schon war sie vergänglich.

Wir blättern: Deutlich sind die Bilder, würdig scheint,

was wir geschrieben haben, in dem Band vereint.

Dies Zeugnis spricht von uns noch viele Jahre.



Es blüht die Welt, der Blumenorden blüht;

die Wiesenblumen sind zurückgekehrt,

und durch die Pracht dem Hain entgegenfährt

ein phantasiegelockertes Gemüt.


Es tropft der Zweig, manch Spargel reckt das Spitzchen;

der Irrhain ist kein Ort für Kinkerlitzchen.

Es quillt der Pfeifenrauch der Hütte durch die Ritzchen:

Witz kriegt das Festspiel, keine faden Witzchen.



Unsereins schreibt ein Protokoll,

Godehard Schramm sechzehn Seiten voll.

So war am nächsten Tag die Bilanz.

Am liebsten unterließen wir ganz

hier mit Reimereien zu prunken,

überlie.en die Chronik, wir Unken,

einem berufenen Wortartisten

mit heutigen Kniffen, Effekten und Listen.

Nur eins hält am Leben das trübere Feuer:

Herr Schramm macht's beruflich. Das würde zu teuer.



Wieder tagt der Festausschuß,

weil man ja beraten muß,

wer, wenn uns befragt die Presse,

spricht; und wer da hält die Schnute.


Zum Verlauf noch manches Gute

fällt uns ein, zum Beispiel Körbe

voll Gebäck, am Tisch Getränke,

daß die Presse uns nicht darbe.


Von den Heftchen roter Farbe

und der Festschrift kriegen alle;

nur die Münzen sind zum Schauen

und beileibe nicht zum Kaufen.


Also wird es wohl ablaufen,

meint der Ausschuß. Neue Leute

sind zum Rat hinzugekommen,

und das freut nicht nur die Jungen.


Dann zur Feier, ungezwungen

sollen prominente Gäste

auf den Platz geleitet werden,

so vermeiden wir Verwirrung...


Anders kam's, durch manche Irrung!



Zwar nicht im Grand Hotel, wie gehofft, doch in jenem am Sterntor

finden am Freitag vor elf Uhr zur Konferenz sich zusammen

Dr. von Herford, Frau Köstler, Herr Teschner, Herr Lippmann, Herr Kügel,

und der Herr Weingärtner, alle vom Orden; dazu noch Frau Volkmann,

die eher freiberuflich dem Journalismus obliegt, und

ein Herr, der für das Gemeindeblatt schreibend sich ausweist.

Dazu noch vier Journalisten von drei verschied'nen Organen,

einer davon mit Tonband; der war vom Bayrischen Rundfunk.

Täuschend gemütlich geht es nun zu, und zum Glück sind vorhanden

mehrere Blätter für jeden mit vorbereiteten Worten

über den Blumenorden, die Festschrift und uns're Termine.

Was gesprochen sonst noch wird in manchmal launiger Rede,

davon gelangt nur auf's Blatt das vermeintlich Sensationelle,

daß gegen Fremdwortgebrauch wir ein Bußgeld befürworten würden.

Einschränkung, Halbsätze, Tonfall und Miene, sie zählen mitnichten.

Hätte doch niemals auf diese leidige Fremdwortgeschichte

Jener Gemeindeblattschreiber voll Eifer den Präses gestachelt!

Wenigstens nimmt man die Festschrift, man nimmt die Termine zur Kenntnis,

Wenig nimmt vom Gebäck man, vom Kaffee, es bleibt zu viel übrig.



Am Abend dieses Freitags stieg die Feier,

die uns der Oberbürgermeister ausgerichtet.

Umrahmung durch Musik kam uns nicht teuer;

die Telemänner fühlten sich verpflichtet,

umsonst zu spielen. Und ganz ungeheuer

war der Applaus. Doch nachher hat vernichtet

viel von der Reden Klang das Mikrophon;

wer vorne saß, verstand nicht viel davon.

Und wer saß vorne: Ganz nach Rang und Namen

sie aufzuzählen, wird unmöglich sein.

Herr Dr. Peter Schönlein; von den Damen

Frau Dr. Fohrbeck, und was irgend fein

und hochberühmt in jenen Rahmen

von Landtag und Bezirk, kam auch herein.

Man staunte, wer des Präses Wort vernommen

und ihm zuliebe war herbeigekommen.


In abgemeß'nen, wohlgesetzten Worten

gedachte unser Bürgermeister dann

der sprachlichen Verwirrung allerorten

und dessen, was ein Orden leisten kann,

was er geleistet hat, der alde Blumenorten,

wofür ihm nicht nur Nürnberg danken kann:

und sehr geschmeichelt, in den hint'ren Reihen,

sah Scharen von Pegnesen man sich freuen.


Als dann der Präses vor den Saal hintrat,

dankt' er für alles, ohne Mehr-Verlangen,

was ihm und seinen Vorgängern vom Rat

der Stadt für diesen Orden zugegangen:

kaum zu Erwartendes. Vom Referat

Kultur hab' einen Blick er aufgefangen.

Verständnissinnig, in den hint'ren Reihen,

Sah Scharen von Pegnesen man sich freuen.


Herr Oberbürgermeister wurde dann

geehrt mit einem Kreuz vom Blumenorden,

das er zu andern Kreuzen tragen kann

und das erst sechzehnmal verliehen worden.

So zieht man neue Freunde in den Bann,

wenn man als Vorschuß schon verleiht die Orden.

Und recht befriedigt, in den hint'ren Reihen,

Sah Scharen von Pegnesen man sich freuen.


Nun ganz in schwarz, auch schwarzem Hemd, erschien

Herr Schramm mit leicht beklommenem Gesichte.

Er mußte leider sich allein bemüh'n

zu lesen unterschiedliche Gedichte.

Frau Meidinger war plötzlich krank. Es zieh'n

im Flug vorbei die Schwer- und Leichtgewichte.

Zeitweise nur, auf ihren Hintern Reihen,

sah einzelne Pegnesen man sich freuen.


Nach der Musik zum Schluß des Offiziellen

hieß die Besucher man zum Imbiß geh'n:

Da mochten sie sich zueinander stellen,

Salzgebäck essen, Prominente seh'n,

Festschriften, Münzen kaufen an den Quellen,

und mit dem Weinglas bei Bekannten steh'n.

Gestiftet hatte einen edlen Franken

Fürst zu Castell. Auch ihm woll'n wir hier danken.


Mai



Medienärger, ganz profan,

hat unser sich bemächtigt;

denn bei uns vermutet Wahn

mancher unberechtigt.


Soll der Bürger zahlen gar

für‘s Fremdwort eine Buße?

Was in Frankreich möglich war,

steht hier auf schwachem Fuße.


Wer uns für fanatisch hält,

ist schlecht unterrichtet,

hört heraus, was ihm gefällt,

weil's unsern Ruf vernichtet.


Man kann sagen, was man mag,

Medien verbreiten

nur, was Leuten Tag für Tag

Stoff ergibt zum Streiten.


Mehrmals auch für‘s Radio

sind interviewt wir worden:

Hätten wir, wir wären froh,

Geschwiegen uer den Orden!̈


Läppisches Brimborium,

Seichter Scherz dazwischen:

Ist etwas von selbst nicht dumm,

Muß man's halt vermischen.



Wie gerne wir doch auch Modernes haben,

wird's uns gelind und schonend beigebracht,

das wies Herrn Dreykorns Abend über Handke:

Der war begeisternd, einfach fein gemacht.


Der ganze Handke, überhaupt der frühe,

erschien dem Orden im Vorübergeḧ‘n —

und dann begreiflich!  — denn die Kunst der Sprache

war an den reifen Texten zu erseh'n.


Zum Schluß ergeht es Handke wie dem Orden:

Sind Kunst, Gefühl, Gesinnung im Verein,

ist er als Bürgerschreck zahnlos geworden,

und jeder Hundling pinkelt ihm ans Bein.



Es brodelt ein wenig: Brühwarm zu bereden,

was das Fernsehen will, fuhr ins Gefilde

einer der Herren, Heio geheißen;

mit Kügel kam er / zwecks Kenntnis zusammen,̈

indessen der andre / Archiv und Museum

und Präses besuchte; der hieß Pasler.

Acht Sendeminuten / erstrebt der eine

und achtzehn der andre, über den Orden.

Einer vom andern / anfangs nicht ahnte.

Beide bedürfen / belehrender Blätter,

fordern die Festschrift, Fragen zu stellen.

Ferner das Forstamt / vieles gefragt wird;

zur Deutung der Denkmäler / dient Weingärtners Durchblick.

Indessen die Hetze, das Heft zu vollenden

der Mitteilungen, macht manche Mühe.

Getanes, Termine / bis in den Oktober

Gilt‘s anzugeben / genau und korrekt.

Im Festausschuß fehlt es / an vielen Gefährten,

Doch pflegt man der Pflichten, und Pfingsten ist da.




Juni


Oh wäre der Musik doch öfter Raum gegeben

im Laufe dieses Jahrs; erfüllte doch mit Leben

sie manches kluge Wort und gäb den Sinnen Speise,

Wie Staden hat getan, wie nun auch gleicherweise

Herrn Riedelbauchs Geschick zu Strephons Waldgedicht

das Singspiel hören ließ! Ach, daß doch öfter nicht

der seltene Genuß in Nürnberg hörbar ward!

Auch sichtbar, ganz im Stil, verstanden nach der Art,

und nicht von einem Narr‘n für Narren inszeniert!

Hier war der Kern des Texts getreulich aufgespürt.



Hans Sachs fünfhundert Jahr‘ alt wurd‘,

zu Nürnberg nahm deß keiner wahr,

als die gelehrtest‘ Ausgeburt

und der Pegnesen Schar.


Ein Vortrag auf dem Rathaussaal,

Meistergesang vor kleinem Hauf,

das richtete die Stadt zumal

dem alten Sänger auf.


Wir waren glücklich, von Erlangen

Professor Kugler einzufangen,

der uns ein Licht darüber aufsteckte,

wie Sachs die vielen Gedichte heckte.


Vor dreißig Hörern, samt Studenten,

die Sachs kaum aus der Oper kennten,

tät‘ er subtil und klüglich erweisen,

wie Sachs wohl ein Meister möge heißen.


Der Zahlen Sachs sich so gebrauchte,

daß er die Verse streckt‘ und stauchte,

um immer das Wichtigst‘ in die Mitten

zu setzen, umrahmt von gleichen Schritten.


Zu dreien Teilen kommt hierbei

ein jeglicher Gedankenfund;

Geschicht‘ und Folge: eins und drei;

Die Mitte gibt den Grund.


Professor Kugler gebührt Preis

und Lob. Wir hoffen überdies,

daß er in nachbarlicher Weis‘

zu uns noch öfter stieß‘.


Des vielen Volkes jammert mich,

das seinen Meister nicht erkennt,

und ohne Zucht beängstet sich

und trüb durch‘s Leben rennt,


wenn öffentlich nur jene Wichte

zähl‘n zur Literaturgeschichte,

die nicht erheben, nur kritisieren,

heillosen Unflat zusammenschmieren.


Lebendig sei Gedenken nicht

an Harsdörffer und Sachs; na und?

Wer amtlich solchen Unsinn spricht,

hielt‘ besser gleich den Mund.


Ganz schlimm ist freilich uns die Zeit

vor sechzig Jahren noch bewußt;

d‘rum sind wir nächstes Jahr bereit

zu schlagen an die Brust.


Zur Ehrenrettung läng‘rer Zeiten

sollt ihr, Nürnberger, euch bereiten,

indem ihr Verdienst, wo ihr es findet,

Nachahmend, doch lebendig, verkündet.



Ritsch und wisch! Es saust die Sense

durch des Irrhains hohes Gras.

Mit dem Schubkarr‘n, mit dem Rechen

tut sich wieder dies und das.


Ritsch und ratsch! Der Weg muß frei sein,

denn das Irrhainfest kommt bald.

Seltsam dünkt den, der vorbeigeht,

reges Treiben in dem Wald.


Schauspielproben, Gärtnerarbeit —

trotz der Mühe: welche Freud‘!

Eines nur bleibt zu beseufzen:

wenig Arme, keine Leut‘!



An Sankt Johannis Kirchweih,

ja an zwei Tagen darauf,

fand man geschmückt den Friedhof

zu einem Gräberlauf.


Es kamen manche Gäste,

Pegnesengräber zu seh‘n,

vor Hitze schier verschmachtend,

Erklärung zu versteh‘n.


Es dämmerte den Leuten

so etwa beim fünften Grab,

daß Nürnberg an dem Orden

recht guten Dünger hab‘.


Sehr gut war die Erklärung,

verlockend auch der Bericht,

sehr teuer sei das Sterben

und liegen hier drin nicht.


Doch als ich später dachte,

vor meinem kühlenden Bier,

wie viel ich noch zu tun hab‘,

ging lieber ich von hier.



Juli



Was zwanzig Arme nicht könnten,

das schafft ein kleiner Motor.

Aus Mangel an Irrhain-Helfern

nahm sich's der Präses vor

und mähte selbst die Pfade;

auch war's ihm nicht zu schade

zu kappen die Balken am Tor.


Den andern auch genügend

an Arbeit übrigblieb:

Mit Kehren, Rechen und Sammeln

vier Stunden man vertrieb.

Wohl fünfundzwanzig Touren

mit hochbeladenen Fuhren

der neue Schubkarren beschrieb.


Und heimlich hinter der Hütte

im Unterwuchs sodann

erweiterten wir Lücken

und legten Pfade an,

wie vor dreihundert Jahren,

Irrgänge zu erfahren,

Myrtillus es begann.


Dazwischen nahm das Fernseh'n

ein paar Minuten auf,

auch von den Schauspielproben

am Sonntagmorgen darauf.

Da mußte viel sich regen

des Irrhainfestes wegen:

Wir brachten's auf den Lauf.



Wohlauf! Die Sonne meint es gut,

der Irrhain spendet Schatten,

daß wir bei festlich-frohem Mut

im Feiern nicht ermatten.

Der Hornruf tönt, der Präses tritt

auf die begrünte Erde,

begrüßt das Volk und teilt uns mit,

was sich ereignen werde.


Zuerst steht eine Ehrung an,

der Ehre zu gedenken,

die uns zwei Forscher angetan:

Die Widmung sie uns schenken

von ihrer Sammlung Windischgrätz,

mit Fleiß herausgegeben.

Der Orden würdigt solches stets:

Laufhüttes sollen leben!


Die Bühne grün, Tribüne grün,

sie halten fast zwei Hundert.

Worum sich Spieler nun bemüh'n,

hat manchen recht verwundert:

Das Irrhainspiel, der Handlung bar,

beginnt mit vielen Fragen;

doch scharf gefaßt und durchaus wahr

ist, was die Masken sagen.


Kein Weilen ist an diesem Ort,

zum Umzug wird geschritten,

von Baum zu Baum pflanzt es sich fort

mit Rufen, Schelten, Bitten;

und selbst am Feldweg außer'm Tor

begleitet raunend' Wesen —

das kommt nur jenen spanisch vor,

die gern Geschichtchen lesen.


Am Kirchhof setzt man gern sich hin

auf Bänke, wie sonst immer.

Wer jetzt den Imbiß hätt' im Sinn,

erführ' kaum einen Schimmer

von geist'ger Nahrung, aufgetankt

aus alten Denkmalsteinen.

Doch herzlicher Applaus bedankt

Herrn Müller und die Seinen.


Gottlob! Nun wird es doch normal,

wir haben's überstanden.

An Bier und Würsten eine Zahl

ist rechter Weis' vorhanden.

Wenn unser'm Mitglied Bösl wir

gerechten Preis erstatten,

wär' es nicht auch Herrn Schramms Gebühr,

von dem das Spiel wir hatten?


Der ganze Irrhain spielte mit,

verzaubert und erhoben.

Wer dies durchlebte, Schritt um Schritt,

der konnt' verständig loben

auch, was ihm frech und bitter schien;

es zeigte nämlich allen:

Der Blumenorden ist noch grün

und will nicht bloß gefallen.



Trinkspruch zum Irrhainfest 1994


Da die Hälfte dieses Jahres

ist geschehen

und das meiste unsrer Arbeit

läßt sich sehen,

trinken wir mit gutem Mute

auf das Glück

dieser und der nächsten Pläne

Noch ein Stück.

Früher haben wir gesprochen

weit ins Feld,

Heute sind wir froh, wenn jetzt nur

alles hält.

Tägliche Geschäfte rufen

uns zur Pflicht;

wie der Orden später sein wird,

weiß man nicht.




August


Sonst war August ein Monat, da ruhte der Orden; doch diesmal

Wirft in den Juli hinein eine Ausstellung Schatten voraus.

Eingehend haben geschrieben Frau Dr. von Andrian-Werburg,

Herr Dr. Slenczka dazu, Texte für's Ausstellungsheft.

Wer dieses freilich mithilfe des klugen Setzer-Programmes

Billig dem Drucker zuspielt, ist der Herr Kügel nun mal.

Mehrere standen zur Auswahl, doch bietet die Druckerei Plettner,

selbst nachdem noch der Umfang gesteigert, den günstigsten Preis.

Absprachen gibt es zu treffen auch wegen der Führung durch Nürnberg,

die zum Barockforschertreffen in Gruppen stattfinden soll,

außerdem wegen Ehrenurkunden verdienter Pegnesen,

die zum Eröffnungstermin der Ausstellung ihnen verleiht

ganz überraschend der Präses, und Kügel senior schreibt sie.

Nach den Absprachen flieht ganz behende sein Sohn in den Urlaub.

Aber Herr Teschner bleibt tätig, und Hunderte Brieflein verschickt er

Freunden sowohl des Museums als auch an die Freunde des Ordens,

einzuladen zum Fest. Die Auswahl richtig zu treffen,

eisern besiegt der Präses die Grippe. Auch hat er schon längst mit

dem und jenem gesprochen, mit Spenden die Schulden zu decken.



Sehr selten für den Blumenorden:

Der Aufseß-Saal ist voll geworden!

Zu einigen Reden, wenigem Schauen

kamen zweihundert Männer und Frauen,

Und wen es nötete oder gelüstet‘,

der fand ein bescheid‘nes Büffet gerüstet.

Herr Großmann, neuer Museumsdirektor

und Ordensrat auf dem entsprechenden Sektor

war kennenzulernen, und seine Getreuen

mit Ausstellungsdeutung täten erfreuen.

Der Präses nützte den Schwung der Begegnung

zu einer Orden- und Ehrenberegnung:

Zum Dank für die Arbeit der Festausschüsse

verteilte er Ehrenkreuze wie Nüsse

an sehr erstaunte verdiente Pegnesen,

die dessen nicht erwartend gewesen.

Von dieser Feier zum Beginn

nahm jeder Heiterkeit dahin.

So lautet der allgemeine Bericht;

dabei war der Chronist selbst nicht.



Was keiner hätt' gedacht (soll man den Reden glauben),

das trifft zuletzt doch ein: Herr Paas darf sich erlauben,

im Alten Rathaussaal mit Forschern mancher Lande

zu tagen; und somit — kommt ein Kongreß zustande.

Frau Fohrbeck, zur Eröffnung, zeigt tiefes Sprachverständnis,

indem sie sagt: der Mitlaut dient stofflicher Erkenntnis,

wogegen in dem Selbstlaut die Seelenkräfte schweben

und manche Wandlung eintritt beim silbischen Verweben.

Der förd're unsre Sprache, wer Sprachkritik betreibe,

doch wer die Sprache liebt, pflegt sie, indem er schreibe.

So weit, so schön gedacht. Indeß ist zu bedauern,

daß dies schon alles war, was in den Rathausmauern

das Referat Kultur von sich hat hören lassen

und auch zu sehen. Dies war beinah nicht zu fassen:

Von allen, deren Sache es ist, Kultur zu pflegen

in Amt, Rat und Parteien, war niemand hier zugegen.

Sehr dünn war der Besuch nun auch von unsrer Seite;

in diesem Monat fährt ganz Nürnberg in die Weite.

Man wußte es von jeher, doch konnt' man's nicht verschieben,

daß die Amerikaner nicht gleich zuhause blieben.

Gerade fünfzig Hörer verteilten sich im Saale,

und was sie hörten, lehrte sie mehr mit jedem Male.

Am ersten Tag vier Redner uns gaben zu erkennen,

warum man Nürnberg konnte das "Rom der Franken" nennen:

Herr Endres und Herr Mende, Frau Paas und Frau Achilles,

daß diese Stadt an Wirtschaft, an Macht und Kunst kein stilles,

abseitiges und faules Gewässer war geworden,

als man in ihr gegründet den freien Blumenorden.

Im Tucherschlößchen hat man das abends fortgesponnen,

von manchem Gast persönlich den Eindruck erst gewonnen.

Der zweite Tag, ein Mittwoch, erschien zunächst verregnet,

doch bald hat uns die Sonne den Stadtrundgang gesegnet,

und abends bei Hans Sachsens Komödien und Possen

ist uns von Volkes Stimmung das beste eingeflossen.

Am dritten Tag erklärte Herr Mannack, daß geschäftig

der Blumenorden wirkte, mehr als die andern kräftig

von allen jenen Bünden, die Sprache pflegen wollten,

und meist nur Absicht blieben — wir wir es heut nicht sollten.

Herr Laufhütte, der Birkens fast lebenslanges Streben

nach kärglicher Entlohnung uns malte, ließ erleben,

daß auch in dem Jahrhundert, in dem die Gründer werkten,

die Großen ihre Dichter im Fleiß nicht gut bestärkten.

Was uns Herr Garber sodann aus seinem Buch verlesen,

ist wie ein breites Strombett mit goldnem Kies gewesen.

Es zeigte Johann Hellwigs politisches Verlangen,

und aus den Einzelheiten ist uns viel aufgegangen.

Frau Wade ließ uns dann ahnen, wie köstlich und verwegen

(nach Maßstab jener Zeiten) beim Verse-Unterlegen

verschied‘ne Komponisten und Dichter sich vereinigt

und neue Klänge schufen, nach Sinn und Maß gereinigt.

Als man am Nachmittage Besuch im Irrhain machte,

da nieselte ein Regen, doch ließ er nach ganz sachte,

und all die fremden Gäste sich ließen nicht verdrießen,

auch auf den neuen Pfaden die Irrung zu genießen.

In Bösls Wirtshaus später, bei Kaffee und bei Kuchen,

sprach keiner unzufrieden davon, uns zu besuchen.

Und in der Lorenzkirche, am Abend, vorn im Chore,

Kam, Kenntnis übergipfelnd, in Wirklichkeit zu Ohre

die süßeste Musik, von Kindermann und Löhner,

von Staden; und so stimmig gesetzt, sind Verse schöner,

als sie beim Lesen wirken. Wie dankbar wir das nahmen,

und wie beglückt wir schwärmten, bis wir nach Hause kamen!

Es wär‘ vom vierten Tage noch vieles zu berichten

von Thesen der Gelehrten, von seltenen Geschichten.

In Kürze es zu fassen, tut unrecht mancher Feinheit;

begnügen wir uns dennoch, zum Nutz der Allgemeinheit

zu nennen nur, was Thema und Name sei gewesen,

denn alles gibt es später in Büchern nachzulesen.

Zum Beispiel Herr Verweyen bewies, daß Nürnbergs Sterne

des siebzehnten Jahrhunderts uns Heutigen so ferne

gerückt sind wie sie selber sich ihrerseits verhalten

zur Theorie der Heiden, zur Klassik wie den Alten.

Zur christlichen Bemühung gab uns Herr Wölfel Kunde,

daß die Pegnesenlieder sich wenden an die Runde

der neuerweckten Christen, die sich von Arndt herschreiben,

und weder auf dem Boden des Luthertums verbleiben,

noch anfangs pietistisch ganz klar zu nennen seien.

Herr Wiedemann zitierte ausführlich Pfarrer Klajen,

den Himmel uns zu zeigen, den dieser dargestellt hat,

wobei es seltsam wirkte, mit wem er Gott gesellt hat:

Wie Fürsten seiner Zeiten mit Militär und Schießen —

so konnt' man nach dem Kriege das Feuerwerk genießen!

Was Herr Battafarano aus Trento dann betonte,

ist, daß sich für den Dichter die Auslandreise lohnte:

Harsdörffers Neuerungen, die Frauen beizuziehen,

wobei, gesellig sprechend, der Rede Schmuck gediehen,

ist großen Teils verdolmetscht aus Mustern fremder Zungen.

Das schmälert sein Verdienst nicht; wär's andren wohl gelungen?

Herr Ferdinand van Ingen beleuchtete die Sendung

die Birken zu erfüllen sich vornahm. Nicht Verblendung

ließ ihn wie einen Lehrer des ganzen Reichs erscheinen;

wer protestantisch gleichwohl und kaiserlich vereinen

und beidem dienen konnte, der stand in Deutschlands Mitte.

Am letzten Tag der letzte, am Nachmittag der dritte,

der zu den Hörern sprach, war schließlich ein Pegnese.

Herr Kügel gab vom Fortgang des Ordens eine Lese

recht formlos dann zum besten, doch freundlich aufgenommen

ward er als ein Beweisstück, wie es seither gekommen.

Zwei Ehrenkreuze schließlich der Präses hat vergeben:

Herrn Paas für dies Ereignis, Herrn Kügel auch daneben.

Wenn doch recht viele wüßten, wie alle die erprobten

Kongreßteilnehmer sprachen, als sie am Abend lobten

im Fembohaus die Tagung, die Stadt und die Betreuung,

und gerne wiederkämen, das hülfe der Erneuung.




September



Zur Herbstfahrt ist der Bus bestellt,

doch wenig Meldungen einstweilen

sind eingegangen; in der Früh

die Leute doch zum Treffpunkt eilen,

und fünfunddreißig sind es dann,

die das Vergnügen mit uns teilen.


Der Bus müht sich auf Bundesstraßen

zum ersten Orte, nach Castell.

Dort hat man eher uns erwartet,

doch waren wir um elf zur Stell‘.

Voll Würde ohne Pomp empfängt uns

Fürst Albrecht zu Castell-Castell

im Büchersaal, und es erklingen

ein erstes Mal die Gläser hell.

Fast unverdientes Lob bestärkt uns

als deutscher Sprache reinen Quell,

und unser Präses zeigt erkenntlich

sich mit dem Ehrenkreuze schnell.

Graf Dohna im Archiv erklärt noch

den Wert der Schriften im Gestell,

Herr Seidel zeigt uns noch die Kirche,

dann schreiten wir zum Essen schnell.

Es wird ein Mahl von fast zwei Stunden;

noch mehrmals klingen Gläser hell,

Herr Simon auch beschreibt die Weine,

und manch‘ Gelächter wirkt schon grell.

Zuletzt schien unser Bus verschwunden,

doch fand man ihn an and‘rer Stell‘

und fuhr verspätet fort nach Schweinfurt.

Bis jetzt war‘s schön gewesen, gell?


Ein Telephongespräch tat not,

um unsern Zeitverlust zu heilen,

Frau Handfest-Müller sprach jedoch,

das sei nicht schlimm; nun ging‘s zu Teilen

in den Kaffeeraum, ins Büro,

wo oft die Freunde Rückerts weilen;

selbst Kuchen gab es preiswert hier.

Bald hieß es zum Museum eilen,

wo Rückerts Möbel wir geseh‘n,

von Sänfte bis zu Henkersbeilen,

Schweinfurter Grün und Fahrradteilen

so manches auch erklärt gekriegt.

Dann im Archiv sah‘n wir die Zeilen

von Rückerts eig‘ner Hand; ein Buch

erhielt ein jeder, doch Verweilen

war ebenfalls nicht möglich, noch

die Muße, ein Ghasel zu feilen.


Im Rathaus fanden wir uns wieder,

gemäß dem Zeremoniell

Gebäck und Wein zuerst man reichte,

dann war Frau Grieser schon zur Stell',

die Bürgermeisterin, und lobte

den Orden über'n König Schell'.

Es tat uns gut, der Präses strahlte,

sprach Dank, die Presse blitzte grell,

und plaudernd blieb man noch beisammen.

Es war im Freien nicht mehr hell,

als wir zum Wirtshaus auch noch sollten;

da wurden individuell

gar Abschiedswünsche schon geäußert,

von Satten, die dann trotzdem schnell

noch eine Hax' verdrücken konnten.

Um neun erst schien der Vollmond hell

auf unsern Abschied. Dann beim Fahren

versuchte sich originell

(nicht sehr) und auch gekonnt (nicht grade)

die Knoblauchsland-Gedichtmamsell.

Allmählich lacht' man über alles.

Und wieder individuell

ist mancher früher ausgestiegen;

vor elf erst waren wir zur Stell'.

Die Stimmung war vorzüglich, aber

der Zeitverzug fast kriminell.



Wenn im Hotel am Sterntor unser Abend kommt,

dann wird es immer spannend, welchen Saal wir kriegen.

Ist es der kleine, muß beinah' in Schichten liegen

der überreichliche Besuch; doch wenig frommt

der große Saal uns, weil fast immer sicher ist,

daß grade dann sehr wenig Hörer zu uns finden.

Da kann man's, wie man mag, im Heftchen groß verkünden:

Die alte Regel trifft stets ein. Daß ihr's nur wißt.


Was ich nicht weiß, ist, welchen Eindruck hat empfangen

Professor Perels von dem schlecht gefüllten Saal.

Wir wußten uns geehrt wie selten schon einmal,

seit wir dem Freien Deutschen Hochstift angehangen,

daß der Direktor selber einen Vortrag halten

und uns besuchen wollte. Immerhin erschien

ein harter Kern von zwanzig Unentwegten, ihn

zu hören, und gleich viel von Jungen wie von Alten.


Sein Thema hatten wir vorher noch nicht gekannt,

doch hochwillkommen und sehr passend war's. Er zeigte,

wie, als das achtzehnte Jahrhundert sich schon neigte,

der Geist nach Nord und Süd sich schied im Land.

Da wir auch wußten, was der Orden damals trieb,

War's möglich, im Gespräch ergänzend zu erwidern,

sodaß ihm hoffentlich von manchen Ordensgliedern

kein unbedarfter Eindruck in Erinn'rung blieb.



Wieder überschlägt sich alles;

ist denn kein September mehr,

der geruhsam enden könnte?

Ach, das Heftchen schafft Beschwer —


Ach, das Heftchen, das schon balde

jedem zugestellt muß sein;

ach, und wenn sie es erhalten,

schaut dann jeder wohl hinein?


Lauter Ach bei Etiketten,

beim Verpacken, auf dem Amt!

Daß wir Rückmeldscheine hätten,

hudeln wir uns allesamt.


Und der größte Graus bei allem:

Steht ein Zeitpunkt falsch darin,

Wie soll man denn das verbessern?

Arbeit, Porto sind dahin!


Jedes Mal derselbe Unsinn:

Mehrfach liest man Korrektur,

und es merkt der Präses selbst nicht,

was an Falschem widerfuhr.


Hinterher ist man dann klüger,

sagt: Um sechs Uhr ist das Fest!

Unausdenkbar, wenn die Leute

man um acht Uhr kommen läßt!


Gottseidank wird angeschrieben

nicht vom Orden nur allein,

und zum Staatsempfang lädt nochmals

München alle Gäste ein.


Das ist Vorgriff auf November.

Für Oktober üben schon

Kügels mit Professor Schimke

und Konsorten Ton für Ton.


Unterdessen hält Herr Müller

in der Altstadtfreunde Kreis

einen Vortrag über'n Orden,

und er zeigt, daß er was weiß.


Schlecht besucht von uns der Vortrag;

um so mehr beeindruckt schon,

wie die Altstadtfreunde spuren.

Hätten wir auch was davon!


Wenn die Altstadtfreunde drängen

lemminggleich dem Irrhain zu,

wird es nötig, daß der Orden

noch an Weg und Steg was tu'.


Und Herr Kügel geht alleine,

senst und schnipselt, was er kann;

plötzlich, gegen fünf, bemerkt er:

Herr von Herford naht heran!


Gottseidank bringt auch Frau Köstler

Rechen und etwas zum Scharr'n,

daß man kann die Wege fegen,

Grünzeug sammeln in den Karr'n!


Leider bricht entzwei beim Fegen

das Gerät dem Präses bald,

doch er fegt sogar im Bücken

fünfzig Meter noch im Wald.


Heldenhaft recht auch Frau Köstler

manche Häufen Grases nun,

doch sie sagt: Seit meiner Krankheit

sollt' ich's eigentlich nicht tun.


Als die Dämmerung herabdringt,

ist getan, was möglich war,

und der Irrhain scheint gesäubert

wie sonst einmal nur im Jahr.




Oktober



Erster Oktober. Das Wetter ist freundlich. Ab neun Uhr erscheinen

Gruppen von dreißig geführten Besuchern, vom Kraftshofer Kirchlein

Schub nach Schub alle zwölf Minuten zum Irrhain geleitet.

So geht das unablässig bis fünf Uhr des Nachmittags. Tausend

müssen wohl durchgeschleust worden sein. Der Präses alleine

war von Anfang bis Schluß zugegen. Und das ohne Essen.

Als um halb elf die Familie Kügel mit Tischen und Stühlen

anrückt, den Schriftenverkauf zu beginnen, hat er an Bäumen

Tafeln und an der Hütte Kopien von Stichen befestigt,

Festschriften, rote Broschüren schon angeliefert und Münzen.

Bald bringt Frau Köstler Nachschub; Herr Reiß auch später befreit uns

aus der Verlegenheit, beinahe nichts mehr verkaufen zu können.

Mehr noch hätten wir losgebracht, aber wir wollen nicht kritisch

allzusehr tadeln, was insgesamt gut für den Orden gewesen.

Weit über eintausend Mark kamen der Kasse zugute,

von dem moralischen Nutzen des Tages gar nicht zu reden.

Abends bemüht sich Herr Kügel hinaus nach Schwand bei Leerstetten,

heute Schwanstetten genannt, und der Schwan ist wohl jenes Gebäude,

das sich die reiche Pendlergemeinde als Treffpunkt geleistet.

Merklicher Unterschied zu den Zeiten, da Engelhardts Liesl

arme Pendler beschrieb und die Stätte noch leer von Kultur war!

Darum feiert man jetzt die Begabung aus einfachem Hause,

deren Lebensbeschreibung Frau Höverkamp anschließend vorstellt.

Eines der Bücher wird auch dem Blumenorden verehrt, und

als das kalte Büffet hinter hochgefahrener Trennwand

sichtbar wird und Kulturfunktionäre die Hände sich reiben,

fühlt der Chronist seine Müdigkeit, scheidet und steuert nach Hause.



Letzte Sitzung „Festausschuß“:

wär doch dieses Jahr schon schluß!

Vier Personen Festausschuß

machen mit dem Ausschuß Schluß.

Wenig gab es zu besprechen,

nichts ist über‘s Knie zu brechen,

Weiterwursteln die Parole;

fast entspannt vom Alkohole

nicken wir uns freundlich zu,

gehen heim und dann zur Ruh.



Fünf Donnerstage stehen uns bereit,

im Bildungszentrum abends vorzutragen

zum Thema „Blumenorden einst und heut“.

Den Anfang macht Herr Rusam mit den Fragen


zum Irrhain: wie er war, wie unsre Bürde

er bleibt, und welche Hoffnung wir noch hegen.

Zwölf Leute hören zu. Es scheint, man würde

so viele brauchen, um ihn recht zu pflegen.



Also lautet ein Beschluß,

daß der Orden loben muß

und verteilen auf drei Plätze

die drei besten Deutsch-Aufsätze,


und zwar jene, die zum Ende

seiner Schulzeit schreibt behende

im Fach Deutsch der Gymnasiast,

der den Leistungskurs erfaßt,


um auf dieser Leistung Höhen

durch das Abitur zu gehen —

alle freilich in den Schranken

des Bezirkes Mittelfranken;


und von jenen rund zweihundert

diese nur, die man bewundert,

weil sie vor dem Fachmann prunkten

mit der Höchstzahl: fünfzehn Punkten.


Vierzehn, die da übrig blieben,

mußten drei Kollegen sieben

und entschieden sich selbdritt:

Auch ein vierter zählt noch mit.


So erläutert und bespricht

Dr. Hanschel den Bericht,

den ihm die Juroren gaben,

wozu wir genicket haben.


Im Bezirk der höchste Leiter

der Gymnasien hilft uns weiter,

ja, er hilft mit Macht und Rat,

wie es Dr. Wolf schon tat.


Lassen wir die Schule walten:

Wer die Preise soll erhalten,

sind zwei Mädchen und zwei Knaben,

wozu wir genicket haben.


Und das Geld für diese Preise

stiftet dankenswerterweise

die Castell-Bank auf Betreiben

Dr. Wolfs. Das sollen schreiben


auch die Zeitungsleute bald.

Daß die Presse widerhallt,

laden wir sie jetzt schon ein,

im November Gast zu sein


in Herrn Dr. Hanschels Zimmer.

Unterdessen liest schon immer

Kügel mal die Preisarbeiten,

um das Lob vorzubereiten.



Der Aufseß-Saal, wie üblich im Orden,

war nicht so richtig voll geworden,

doch folgten gut über hundert Gäste

der Einladung zum Museums-Feste,

um die Verbindungen zu betonen,

die sich für unser Archiv sehr lohnen.

Zur Rahmung gab zu Gehör recht nett

das Fachhochschul-Klarinettenquintett

ein Werk von Romberg, Andreas. Dann

Direktor Großmann zu sprechen begann

und sprach ausführlich von seinem Bestreben,

von der Buchmesse auch daneben.

Und plötzlich spitzten wir doch die Ohren:

Er hatte einen Einfall geboren,

wie er in Frankfurt im nächsten Jahre

an eigenem Stand die Bücher als Ware

loswerden wolle, die als Verlag

das Museum selber vertreiben mag,

und auch Pegnesenbücher dazu.

Das war seiner Rede willkommener Clou.

Als wieder vom Romberg ein Stück erklungen,

begrüßte der Präses — es war ihm gelungen —

Professor Jöns an dieser Statt,

daß dieser bereit erklärt sich hatt‘,

die heutige Festrede zu halten.

Er hatte über Birken, den alten,

wahrhaftig viel geforscht und geschrieben,

wovon uns verbesserte Ordnung geblieben

in den entsprechenden Beständen.

Nun wies er uns, wie mit leeren Händen

Sigmund Betulius einst versuchte,

Schriftsteller zu sein, und Erfolg verbuchte,

weil er verstand, ein Netz zu bauen

von Gönnern, Patronen und reichen Frauen,

in das er fallen konnte, wann immer

sein Künstlertum ohne einen Schimmer

von Absatzmarkt nach heutigem Muster

ihm Schwierigkeiten machte. Das wußt‘ er

geschickt zur Auftragssuche zu nutzen,

denn ohne Auftrag war nichts zu putzen.

Wir hörten zu, ein wenig beklommen,

denn ähnlich ist es wieder gekommen

mit Dichtungen, die nicht in Massen

sich von Verlagen absetzen lassen.

Applaus für den Vortrag, der allerseits

gefallen hatte; das Ehrenkreuz

verlieh der Präses dem Forscher sodann.

Musik noch einmal, die Menge zerrann.

Im kleinen Kreis aber im Lokal

ließen wir hochleben noch einmal

Professor Jöns und alle Pegnesen.

Es war ein würdiger Abend gewesen.



Ein weit‘rer Donnerstag, und schlecht besucht.

Wer aber kam, der mocht‘ sich glücklich schätzen,

daß solches Wissen preiswert er gebucht.

Was uns Herr Weingärtner von alten Plätzen,


von Brücken, Mauern und von Lilidor,

dem fünften Präses, wußte vorzutragen,

das war lebendig und das ging ins Ohr.

Dazu noch selt‘ne Bilder, die viel sagen.


Die Woche d‘rauf, vor nicht mehr als zehn Gästen,

wovon die Hälfte uns schon lang beehrt,

kam dann zur Sprache, wie sich mit den Resten

der Reichsstadtzeit der Orden hat beschwert.


Herr Kügel trug dasselbe aus den Quellen

ein wenig freier vor als beim Kongreß;

danach war Zeit noch, Fragen ihm zu stellen:

woran sich heut‘ der Blumenorden mess‘.


Als dann Herr Geiger an die Reihe kam,

das neunzehnte Jahrhundert zu beleuchten,

erstaunte man, woher die Kraft man nahm,

den dürren Boden Nürnbergs anzufeuchten,


und fruchtbar ihn zu machen für Kultur.

Es hat uns dabei leider auch geahnt:

was damals lief, es liefe heute nur,

wenn sich der Orden eine Bresche bahnt.




November



Wir freuen uns, wenn uns von Schweinfurt kommt

ein Heftchen, "Kupferstecher" beibenannt;

wir freuen uns, wenn aus dem Rückertland

der Vortrag eines Gastes uns so frommt,

der Rückerts Verse höchst erfreulich liest,

und freu'n uns doppelt, wenn's wie Rückert klingt,

so fränkisch und so innig wiederklingt,

und wenn er Bilder, die er selber schießt,

so passend dazu zeigt, das freut uns mehr:

es ist ein Augen-, Ohren-, Herzensschmaus,

da fühlt man sich bei Rückert ganz zuhaus

und dankt Herrn Schömburg für den Abend sehr.

Nur war der Präses nicht sehr gut zu sprechen

auf jene vielen, die im Abseits hängen

und sich bevorzugt auf Empfängen drängen.

Das konnt' er sich zu sagen nicht entbrechen.



Mit der Presse, wenn sie willig,

hat man Mühe mehr als billig;

doch wenn wir mal dreißig laden,

fünf erwarten, stell‘n in Gnaden

zweie sich gerade ein,

Zeugen unsrer Tat zu sein.

In Herrn Dr. Hanschels Räumen

saßen, ohne uns zu säumen,

wir um zehne schon bereit

und vertrieben uns die Zeit:

Hausherr, Präses und Chronist.

Wer dann da gewesen ist,

war ein Herr von der NZ,

später auch ein Fräulein nett,

abgeschickt von der NN,

und das war die Presse denn.

Wichtiger sind zu berichten

stets die Sex- und Mordgeschichten,

aber kaum die Mühewaltung

kultureller Arterhaltung.



Den Orden schließlich in der Vortragsreihe

des Bildungszentrums nochmals zu vertreten

und als ein echter Dichter ihr die Weihe

zu spenden, war zuletzt Herr Schramm gebeten.

Er las aus eig‘nen Texten und aus andern,

zur Lust der Hörer, weniger, doch treuer;

so durften wir durch Raum und Zeit mäandern,

und Nürnbergs Geist erglänzte wieder neuer.

Als Höhepunkt der Feste dieses Jahres

erscheint rückblickend uns der Staatsempfang

am achtzehnten November. Wunderbares

begab sich auf der Veste. Erst recht bang,

aus Regenwetter eingetroffen, war es

nach sechs Uhr dann erleichternd, den Gesang

zum Anfang zu vernehmen. Ein paar Stühle

erhielten die Geschwächten im Gewühle.


Als Hausherr und Vertreter dann des Staates

Herr Dr. Beckstein sprach das erste Wort;

begrüßen konnt' nicht alle er, was tat es:

so viel Bedeutende — wir wären jetzt noch dort.

Des Staats, Bezirks, der Kirchen und des Rates,

der Schulen, Industrie Vertreter war'n am Ort;

dreihundertfünfzig werden kaum mehr langen

als Zahl der Gäste, die hierher gegangen.


Der Präses nahm das Wort und dankte allen,

daß sie erschienen waren, uns zur Ehr'.

Wenn Meinungen sonst aufeinanderprallen,

so eint die Leute unser Geist doch sehr.

Jedoch nicht jedem wurde nach Gefallen

das Mäntelchen gewendet; nein, vielmehr,

was unser Präses ließ zur Ethik hören,

war markig deutsch genug, um auch zu stören.


Das Lob der Fachaufsätze ließ er halten

von Kügel dann, der schon den Text gemacht.

Gewinnend für den Orden zu gestalten

und für die Schüler, war er sehr bedacht.

Er wollte zeigen, wie nicht nur am Alten

der Orden klebe, doch am Guten sacht

entlang sich tastend durch den Lauf der Zeiten,

die beß're Zukunft helfe zu bereiten.


Die vier erhielten ihre Preisurkunden

und waren recht sympathisch anzuseh'n,

nur die Frisuren, wurde da befunden,

der Herren würden Mädchen besser steh'n.

Wenn nur im Kopfe herrscht zu allen Stunden

erwiesene Vernunft, so wird's schon geh'n.

Was diese jung schon abgeliefert hatten,

stellt manch' Studenten locker in den Schatten.


Auch wieder überraschend ward verliehen

an Dr. Beckstein dann das Ehrenkreuz.

Den Anlaß nicht zu nutzen, nie verziehen

Hätt' es der Präses sich, denn mehr bedeut's,

wenn Prominente, deren Ruf gediehen,

dem Kreuz als Träger geben neuen Reiz.

Wem es durch mühsames Verdienst geworden,

fühlt sich geehrt mitsamt dem ganzen Orden.


Der Chor der Fachhochschule durfte singen,

geleitet von Herrn Thieg, ein weit'res Mal;

Gastoldi-Lieder ließen sie erklingen

und hoben die Gemüter hier im Saal.

Nun fehlte zu vollständigem Gelingen

des Festes nur ein recht gedieg'nes Mahl:

Daß dies vorhanden war, von erster Klasse,

stellt gutes Zeugnis aus der Landeskasse.


Nun trafen aufeinander zum Bereden

all der Ereignisse aus ihrem Sinn

die Gruppen und Parteien, und für jeden

war eine eig'ne Sicht in vielem drin.

Das hindert nicht, daß ohne starke Fehden

der Orden aus dem allen zieht Gewinn;

wir hoffen, daß wir vielen so erschienen,

wie wir's nach Tradition und Recht verdienen.




Dezember



Wer soll sich noch gern bekehren,

bessern seinen Lebenslauf,

wenn Vergebung zu begehren

macht ihm keine Pforte auf?

Wenn die selbstgerechte Presse

rühmt sich, daß sie nichts vergesse,

alles immer Nachricht bleibt,

ganz egal, wie man es treibt?


Heuer hat der Orden vieles

zur Verbesserung getan,

und doch werden sie des Spieles

niemals müde, glaubt nur dran.

Christlich wollen wir vermeiden

nachzutragen, wie die Heiden,

Daß, der die Geschicke lenkt,

auch dem Orden Gnade schenkt.


Zu der Feier sollte sprechen

Dagmar Wöhrl vom Bundestag,

und der Saal war voll zum Brechen,

daß man kaum erzählen mag,

wer sich angemeldet hatte,

wer noch nicht stand auf dem Blatte,

als der Präses selbst am Tor

zur Kontrolle stand davor.


Erst vernahm man Mozart-Klänge.

Dann stand die Begrüßung an.

Herr von Herford gab der Menge

Rechenschaft, was wir getan.

Dringend muß es weitergehen,

und das ist auch zu ersehen,

als Frau Wöhrl, selbst lobenswert,

Lob und Pflichten uns beschert.


Voll Verständnis für die Ziele

unsres Ordens geizt sie nicht

mit dem Lob, bezaubert viele,

doch auch Ernst steht zu Gesicht

dieser Dame, wenn sie tadelt,

was die Sprache nicht mehr adelt.

Da dies aber fränkisch tönt,

ist wohl jeder gleich versöhnt.


Nochmals läßt Musik sich hören,

nochmals setzen Streicher ein,

sanft beschwingt, um nicht zu stören

holde Eintracht im Verein.

Unser Orden wurde reicher

um den dritten dieser Streicher

seit dem vorigen Advent —

Zeit wird, daß man‘s auch erkennt.


Sinn und Zweck der ganzen Feier

ist Besinnung auf den Kern,

auf die Botschaft: wir sind freier

durch die Ankunft unsres Herrn.

Staunen, Hoffnung, täglich‘ Taugen

stellt uns Herr von Scheurl vor Augen

gänzlich ohne Kanzelton;

lange zehren wir davon.


Schließlich dankt er dem Herrn Präses,

hebt hervor: dies Jubeljahr

war erfolgreich, weil Gemäßes

immer zu erwarten war

von der Klugheit und den Künsten,

die ihm einzig steh‘n zu Diensten.

Alle spenden gern Applaus;

das Pegnesenjahr ist aus.